
© Imago/WENN
„Du vertraust der Schaufel – oder du lässt es“: Sieben Wintersportarten, die überraschend anders sind
Lust auf Yukigassen, Skijoring oder gar Shovel Racing? Der Winter macht Sportarten möglich, die beinahe schon zu absurd klingen. Wir stellen sieben von ihnen vor.
Stand:
Winter ist nicht gleich Wintersport. Neben den bekannten Disziplinen haben sich vielerorts Formen entwickelt, die aus Alltag, Kultur oder schlichtem Erfindergeist entstanden sind. Einige wirken traditionell, andere überraschend modern. Gemeinsam zeigen sie, wie unterschiedlich Menschen Schnee und Eis für Bewegung nutzen.
1 Shovel Racing (USA, New Mexico)
Shovel Racing entstand in den 1970er‑Jahren, als Skigebietsarbeiter im Bergdorf Angel Fire im US‑Bundesstaat New Mexico ihre Schneeschaufeln als Abfahrtsgeräte nutzten, um schneller von einem Hang zum anderen zu gelangen. Aus dieser Improvisation wuchs ein Wettbewerb, der bis heute an derselben Stelle ausgetragen wird – auf den steilen Pisten des Angel‑Fire‑Resort in den südlichen Rocky Mountains.
Die Technik ist schlicht und riskant: Der Fahrer sitzt auf der umgedrehten Schaufel, lehnt sich weit zurück und steuert ausschließlich über Gewichtsverlagerung. Geschwindigkeiten jenseits der 100 km/h sind möglich. Einer der prägenden Athleten, Damien Deleon, fasste die Essenz des Sports einmal knapp zusammen: „Du vertraust der Schaufel – oder du lässt es.“
2 Rentier Rennen (Nordskandinavien)
Rentier-Racing ist eng mit der Sámi‑Kultur verbunden. Die Athleten stehen oder sitzen auf kurzen Skiern und lassen sich von Rentieren über ovale Eisbahnen ziehen. Die Rennen sind kurz, explosiv und stark startlastig – Rentiere beschleunigen extrem schnell, reagieren aber auch empfindlich auf Störungen.
Viele erfolgreiche Fahrer stammen aus traditionellen Rentierhalter‑Familien. In Tromsø und Rovaniemi gehören die Winterrennen zu den kulturellen Höhepunkten. Der Sport lebt von der engen Beziehung zwischen Tier und Mensch – und von einer Präzision, die mehr erfordert als reine Athletik.
3 Skijöring (Skandinavien/USA/Kanada)
Skijöring erweitert das Prinzip des Rentierzuges zu einer eigenständigen Zugkraftsportart. Ursprünglich diente sie in Skandinavien als Transportform, bei der Skifahrer von Rentieren oder Hunden gezogen wurden, um große Distanzen effizient zu überwinden.
Aus dieser praktischen Nutzung entstand eine Reihe moderner Varianten: traditionelle Formen in Lappland, motorisierte Versionen in Kanada und Mitteleuropa sowie die besonders dynamische Pferde‑Skijöring‑Szene in den USA.

© Imago/GEPA pictures
In der nordamerikanischen Ausprägung bildet ein Dreiergespann aus Pferd, Reiter und Skifahrer das Zentrum des Wettbewerbs. Während der Reiter die Linie vorgibt, bewältigt der Skifahrer Sprünge, Tore und enge Richtungswechsel – ein Zusammenspiel, das präzises Timing, Vertrauen und hohe Beweglichkeit verlangt. Skijöring ist damit eine der komplexesten Wintersportarten jenseits der klassischen Schneedisziplinen.
4 Ice Cross Downhill („Crashed Ice“, international)
Ice Cross Downhill kombiniert die Physis des Eishockeys mit der Dynamik eines BMX‑Downhills. Auf steilen Eisstrecken mit Sprüngen und Kurven rasen die Athleten im Viererstart Seite an Seite, ausgestattet mit vollständiger Eishockey‑Schutzausrüstung. In wenigen Jahren hat sich die Disziplin von spektakulären Showrennen zu einem professionell strukturierten Rennsport entwickelt.
Einer der erfolgreichsten Athleten, Cameron Naasz, beschrieb diesen Wandel einmal so: „Aus einer Show ist ein richtiger Sport geworden.“

© imago images/ZUMA Wire/imago sportfotodienst
Gemeinsam mit seinem langjährigen Rivalen Scott Croxall hat Naasz die Linienwahl, Starttechnik und Kurstaktik so weit verfeinert, dass Ice Cross Downhill heute als ernstzunehmende Wintersportart gilt.
5 Eissegeln (Baltikum/Skandinavien/Niederlande)
Eissegeln ist eine der technisch anspruchsvollsten, zugleich ruhigsten Disziplinen des Winters.
Auf gefrorenen Seen erreichen leichte Segelschlitten ein Tempo, das deutlich über der Windgeschwindigkeit liegt. Drei Kufen, ein schlanker Rumpf und ein optimal getrimmtes Segel bestimmen die Leistung.

© Imago/Scanpix
Der Sport ist besonders im Baltikum, in den Niederlanden und in Skandinavien verwurzelt. Viele der besten Fahrer sind zugleich Konstrukteure ihrer Schlitten. Eissegeln verlangt ein feines Gefühl für Windrichtungen, Eisdicke und Geschwindigkeit. Dabei entscheiden Materialwissen und Präzision oft mehr als reine Athletik.
6 Yukigassen (Japan)
Yukigassen ist eine taktisch strukturierte Weiterentwicklung der Schneeballschlacht. Standardisierte Schneebälle, festgelegte Deckungen, klare Rollen und strategische Laufwege bestimmen die Struktur. Zwei Teams versuchen, sich gegenseitig auszuschalten oder die gegnerische Flagge zu erobern.
In der japanischen Szene heißt es oft: „Ein Schneeball ist kein Wurf – er ist eine Entscheidung.“

© dpa/Michael Simonlehner
Der Satz beschreibt den Sport treffend: Präzision und Taktik stehen über Spontaneität. Von Hokkaidō aus verbreitete sich Yukigassen nach Finnland, Norwegen und Mitteleuropa.
7 Winter Obstacle Course Race (Nordamerika/Alpen/Skandinavien)
Winter Obstacle Course Races – Winter‑OCR – sind die Schnee‑ und Eisvariante jener Hindernisläufe, wie man sie aus dem Sommer etwa von Tough Mudder, Spartan Race oder ähnlichen Formaten kennt. Anfang der 2010er‑Jahre entstanden erste Formate in Nordamerika, Skandinavien und den Alpen. Schnee und Frost verändern den Charakter des Sports deutlich: Laufpassagen werden tiefer oder rutschiger, Hindernisse kälter und technischer.
Die Kurse verbinden Traillauf, Bergpassagen und funktionelle Hindernisse wie Schneetunnel, vereiste Wände oder Eiswassergräben. Die Belastung hängt stark von der Witterung ab, es geht mal über hart gefrorenen Untergrund oder schweren, nassen Schnee.
Winter‑OCR zieht vor allem Athleten an, die die Sommerform des Sports kennen und die zusätzliche Herausforderung suchen. In Québec, Tirol und Finnland haben sich feste Rennen etabliert. Die Disziplin gilt als eigenständige Winterversion des Obstacle‑Course‑Runnings – mit eigenen Reizen und deutlich höherer Variabilität.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: