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Da ist er wieder. Leroy Sané (links, mit Florian Wirtz) beim Training der Nationalmannschaft in Wolfsburg.

© Imago/Jan Huebner/Franziska Gora

Eine letzte Chance für Leroy Sané: Der Bundestrainer wird vom Förderer zum Forderer

Julian Nagelsmann hat Leroy Sané zuletzt nicht mehr für die Nationalmannschaft berücksichtigt. Die personelle Not zwingt den Bundestrainer nun dazu, ihn zurückzuholen.

Stand:

In diesen Tagen jährt sich zum zehnten Mal das Länderspieldebüt von Leroy Sané. Niemand hat das Spiel vergessen, in dem er erstmals für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft zum Einsatz gekommen ist. Aber leider liegt das nicht an der Performance des damals 19 Jahre alten Schalkers.

Als Sané am 13. November 2015 im Stade de France nach einer Stunde für seinen Vereinskollegen Julian Draxler aufs Feld kam, spielte der Fußball nur noch eine Nebenrolle. Die französische Hauptstadt war ins Visier islamistischer Terroristen geraten und das Freundschaftsspiel zwischen Frankreich und dem damaligen Weltmeister Deutschland eines von mehreren Anschlagszielen.

Von all den Spielern, die vor zehn Jahren bei den Deutschen im Kader standen, ist Sané der Einzige, der immer noch der Nationalmannschaft angehört.

Wobei es korrekterweise heißen müsste: Er ist jetzt wieder dabei. Denn dass Bundestrainer Julian Nagelsmann ihn für die beiden anstehenden WM-Qualifikationsspiele am Freitag in Luxemburg und am Montag in Leipzig gegen die Slowakei berufen hat, kam durchaus überraschend.

Leroy weiß, dass es nicht mehr unzählige Chancen für ihn unter meiner Führung in der Nationalmannschaft gibt.

Bundestrainer Julian Nagelsmann über Leroy Sané

Als Sané im Sommer vom FC Bayern München zu Galatasaray Istanbul in die türkische Süper Lig gewechselt ist, haben viele diesen Schritt als Abschied vom europäischen Topfußball betrachtet. Dazu passte auch, dass Nagelsmann bei den Länderspielen im September und im Oktober auf ihn verzichtete. Ein öffentlicher Aufschrei der Entrüstung ist jedenfalls ausgeblieben.

„Die türkische Liga ist den Tick schlechter als die Bundesliga und auch andere europäische Topligen“, hatte Nagelsmann seine Entscheidung begründet. „Ich finde, dass er da noch mal mehr auffallen muss. Ich erwarte keine Wunderdinge von ihm. Aber er braucht eine gewisse Quote. Die hat er bisher noch nicht erreicht.“

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Länderspiele hat Sané seit seinem Debüt vor zehn Jahren bestritten.

Diese Quote ist für den Bundestrainer auch jetzt „noch nicht zu hundert Prozent“ erfüllt. In 15 Pflichtspielen für seinen neuen Klub hat Sané drei Tore erzielt und drei vorbereitet. „Er hat schon noch auch Schritte zu gehen“, sagt Nagelsmann. „Hier und auch im Verein.“

Und so sieht sich der Bundestrainer in diesen Tagen mit einigen kritischen Fragen konfrontiert: warum er einerseits Spieler wie Angelo Stiller oder Maximilian Mittelstädt, die es eigentlich verdient hätten, nicht nominiert hat, während andere, die man nicht unbedingt auf dem Schirm hatte, sehr wohl dabei sind. Jemand wie Leroy Sané etwa.

Sané und Bundestrainer Nagelsmann haben immer ein vertrauensvolles Verhältnis zueinander gepflegt.

© Imago/Gladys Chai von der Laage

„Wir machen keine Kadernominierung aus Jux und Tollerei“, entgegnet Nagelsmann seinen Kritikern. Grundsätzlich sei er von jedem Spieler überzeugt. Darüber hinaus gehe es aber auch um das Gleichgewicht innerhalb des Kaders. Außerdem will der Bundestrainer „jede Position genau doppelt besetzt“ haben.

Sané hat die Erwartungen nicht erfüllt

Die Rückkehr in den erlauchten Kreis der Nationalmannschaft verdankt Leroy Sané vor allem einem gewissen personellen Mangel an Flügelstürmern. „Wenn wir auf der Position sechs, sieben Spieler zur Auswahl hätten, dann hätte es Leroy deutlich schwerer“, gibt Nagelsmann zu. Das sagt einiges über Sanés derzeitigen Stellenwert in der Nationalmannschaft: Er ist dabei, weil es keinen anderen gibt.

Vor zehn Jahren war das noch anders: Da galt der Offensivspieler als herausragendes Talent, dem im internationalen Topfußball alle Wege offenstanden. Gemessen an den Erwartungen, aber auch an Sanés Voraussetzungen, ist der Ertrag dann doch arg dünn ausgefallen.

Vor zehn Jahren, im November 2015, hat Leroy Sané (rechts) sein Debüt in der deutschen Nationalmannschaft gefeiert.

© imago/Ulmer/imago sportfotodienst

Seinem Debüt im Stade de France folgten bis heute 69 weitere Länderspiele. Zum Vergleich: Joshua Kimmich, der ein halbes Jahr später erstmals für die Nationalmannschaft auflief, bringt es bereits auf 105 Einsätze.

Vor allem bei großen Turnieren ist Sanés Bilanz dürftig. Bei der Europameisterschaft 2016 kam er nur zu einem Kurzeinsatz. Zwei Jahre später wurde er kurz vor der Weltmeisterschaft in Russland sogar aus dem Kader gestrichen. Und auch 2021, bei der EM, und 2022, bei der WM in Katar, stand Sané nur je einmal in der Startelf.

Im vergangenen Jahr, bei der EM im eigenen Land, plagten ihn anhaltende Adduktorenprobleme. Dadurch spielte er im Achtelfinale erstmals von Anfang an. Auch in der nächsten K.-o.-Runde gegen den späteren Europameister Spanien stand er in der Startelf, wurde aber zur Pause schon wieder ausgewechselt.

Dass Sané im kommenden Sommer, bei der WM in Nordamerika, eine weitere Chance bekommt, seine Turnierbilanz entscheidend aufzuhübschen, ist alles andere als sicher. Nagelsmann war in der Vergangenheit, sowohl in der Nationalmannschaft als auch während der gemeinsamen Zeit beim FC Bayern München, ein entschiedener Förderer Sanés. Aktuell aber sieht er sich eher in der Rolle des Forderers.

„Leroy weiß, was gefragt ist, und er weiß auch, dass es nicht mehr unzählige Chancen für ihn unter meiner Führung in der Nationalmannschaft gibt“, sagt Julian Nagelsmann. „Sané ist grundsätzlich ein Spieler, der alles kann. Er muss nur alles bringen. Da kann ihm keiner helfen, außer er selbst.“

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