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Leidenschaft pur. Jürgen Klopp in Aktion.

© REUTERS

Das unterscheidet Klopp und Grindel: Ekstase und Ernüchterung

Liverpools Trainer Jürgen Klopp und der neue DFB-Präsident Reinhard Grindel verkörpern die geteilte Welt des Fußballs. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Lars Spannagel

Der Fußball hat viele Gesichter, am Donnerstag und Freitag standen jene von Jürgen Klopp und Reinhard Grindel im Mittelpunkt. Klopp – tobend, hadernd, jubelnd, in Ekstase – verkörperte im Spiel seines FC Liverpool gegen Borussia Dortmund all jene Dinge, die den Fußball zum beliebtesten Sport der Welt gemacht haben. Tags darauf wurde Grindel – randlose Brille, kariertes Hemd, gepunktete Krawatte – wie erwartet zum neuen Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) gekürt. Der CDU-Bundestagsabgeordnete nahm die Wahl mit an Leidenschaftslosigkeit grenzender Nüchternheit an.

Das Spiel reißt mit - die Funktionäre enttäuschen

Klopp und Grindel, die geteilten Fußballwelten auf dem Rasen und in den Hinterzimmern, sie scheinen kaum noch etwas miteinander zu tun zu haben. Das Spiel auf dem Rasen vermag uns noch zu überraschen und mitzureißen. Über allen Gremien, die außerhalb der Stadien tagen, scheint hingegen eine bleierne Schwere zu liegen. Reinhard Grindel wird als DFB-Präsident auch daran gemessen werden, ob er dem deutschen Fußball etwas von jener Bodenständigkeit, Seele und Würde zurückgeben kann, die die Sportart in den vergangenen Monaten und Jahren verloren hat.
Der Fußball in seinem sportlichen Kern, als Spiel, hat diese Probleme nicht. Die Partie des FC Liverpool gegen Borussia Dortmund bewies das einmal mehr. Wer beim Stand von 3:1 für Dortmund ins Bett ging, brachte sich um ein Spektakel, drei Tore der Liverpooler und eine Atmosphäre im Stadion an der Anfield Road, die an Fernsehschirmen überall auf der Welt zu spüren war. Klopp warf seine alte Liebe Dortmund aus der Europa League, die Dramaturgie hätte nicht mitreißender sein können. Die Leute gehen eben auch im Jahr 2016 noch zum Fußball, weil sie nicht wissen, wie es ausgeht, wie der ehemalige Bundestrainer Sepp Herberger sagte.

Nüchternheit pur. Reinhard Grindel in Aktion.
Nüchternheit pur. Reinhard Grindel in Aktion.

© dpa

Bei den Verbänden ist das Gegenteil der Fall: Man meint sehr genau zu wissen, wie es ausgeht. Zuletzt war das bei der Wahl des Fifa-Präsidenten Gianni Infantino der Fall: Der Schweizer verkörpert keinen Neuanfang, vielmehr präsentiert er sich als modernerer Wiedergänger seines Vorgängers Joseph Blatter. Die Korruptionsskandale der jüngeren Vergangenheit haben den gemeinen Fan abstumpfen lassen. Die letzte Überraschung auf Funktionärsebene war – so viel Zynismus muss erlaubt sein – die Vergabe der WM 2022 an Katar.

Grindel wünscht sich einen "Wendepunkt"

Auch Reinhard Grindel wurde am Freitag fast einstimmig zum DFB-Chef gewählt, immerhin sorgte er bei seinem Amtsantritt für erste kleine Überraschungen. Der 54-Jährige will auf eine jährliche Vergütung von rund 50 000 Euro verzichten, wenn er im kommenden Jahr in das Exekutivkomitee des europäischen Verbands Uefa aufrückt. Zudem kündigte er an, den abgebrochen Dialog mit den Fans wieder aufzunehmen und zu intensivieren. Der Tag seiner Wahl möge ein „Wendepunkt“ in der DFB-Geschichte werden, sagte der Hamburger Politiker noch. So dramatisch wie an der Anfield Road kann sich diese Wende natürlich nicht vollziehen. Mehr Leidenschaft für die guten und wahren Aspekte des Fußballs darf man von Reinhard Grindel und seinen DFB-Kollegen in Zukunft aber schon verlangen.

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