Sport: Elf Spieler, kein Team
Hertha BSC erlebt derzeit in der Bundesliga einen rasanten Absturz. Woran liegt das?
Stand:
Berlin - Der Absturz von Hertha BSC in der Fußball-Bundesliga hat bereits dramatische Formen angenommen. In der Winterpause lagen die Berliner noch auf Platz fünf, seitdem haben sie in acht Spielen nur noch sieben Punkte geholt. Hertha stellt damit die drittschlechteste Mannschaft der Rückrunde. Was sind die Gründe für die Misere?
Die Qualität: „Die Qualität der Mannschaft reicht nicht für wesentlich mehr“, sagt Verteidiger Dick van Burik. Dabei durfte Hertha in der Vorrunde zwei Spieltage lang als Spitzenreiter auf den Rest der Liga hinabblicken. Doch so gut, wie viele glauben, ist weder die Mannschaft noch der Kader. Schon in der angeblich überragenden Vorrunde spielte Hertha selten begeisternden Fußball. Die vielen jungen Spieler sind nicht in der Lage, konstant auf höchstem Niveau zu spielen; auch viele ältere schwanken allerdings in ihren Leistungen. Trotzdem durfte sich Hertha bis zur vorigen Woche beste Heimmannschaft der Bundesliga nennen. Den Schrecken aber hat sie längst verloren. Ob die Mainzer nicht mit mächtig Respekt nach Berlin gekommen seien, wurde deren Manager Christian Heidel nach dem Sieg im Olympiastadion gefragt. „Nein, wir wussten ja, wie die Siege zustande gekommen sind“, antwortete er.
Der Trainer: Zweimal, im Februar 2002 und vor der Saison 2004/05, hat Falko Götz Herthas Bundesligateam übernommen, beide Male in einer Situation, in der er nur gewinnen konnte. Götz musste die ziemlich verunsicherte Mannschaft nur ein bisschen aufrichten, der Rest lief weitgehend von alleine. Jetzt, da die psychologische Wirkung nachlässt, zeigen sich die Defizite seiner eigentlichen Arbeit als Trainer: Herthas Entwicklung zeigt kontinuierlich nach unten. Schon in der vergangenen Saison hatte Götz eine Serie von 13 Pflichtspielen ohne Sieg zu verantworten. Wie bei Herthas Mannschaft stellt sich auch bei ihrem Trainer längst die Frage: Wofür steht er eigentlich? Ein eigenes Spielsystem besitzt Götz auch nach zweieinhalb Jahren nicht, und inzwischen wird er von den Berliner Boulevardzeitungen sogar als Angsthase verspottet. Manager Dieter Hoeneß kritisiert mal wieder den mangelnden Teamgeist. Ist es nicht die primäre Aufgabe eines Trainers, aus elf Einzelspielern ein Team zu formen?
Die Auswärtsschwäche: Hertha hat in dieser Saison erst ein Auswärtsspiel gewonnen: in Dortmund. In der Vorrunde konnte die Mannschaft diesen Mangel durch ihre Heimerfolge noch kompensieren, doch auch im Olympiastadion hat Hertha zuletzt zweimal verloren. Die Berliner können von Glück sprechen, dass sie am Anfang der Rückrunde wenigstens mit Mühe gegen Wolfsburg und Hamburg gewonnen haben. Ohne diese Punkte steckte die Mannschaft jetzt sogar im Abstiegskampf.
Die Ausfälle: Das Mitwirken von Yildiray Bastürk galt lange Zeit als Voraussetzung dafür, dass Hertha überhaupt gewinnt, in dieser Saison aber hat der Türke erst elf Spiele bestritten. Kevin-Prince Boateng fiel ebenfalls längere Zeit aus, und auch in der Abwehr musste Götz häufig umstellen. „Da ist es schwierig, einen Verbund einzuspielen“, sagt Herthas Trainer. Am Freitag im Heimspiel gegen Energie Cottbus muss er auf Kapitän Arne Friedrich verzichten, dessen Beschwerden an der Patellasehne eine Pause erzwingen.
Die Undiszipliniertheiten: Gilberto hatte die Situation scheinbar geklärt, dann kam Peer Kluge, klaute dem Brasilianer den Ball vom Fuß und flankte in den Strafraum. Nando Rafael köpfte das vorentscheidende 2:1 für Mönchengladbach. „Jeder Fehler wird bestraft“, sagt Bastürk. Aber die Berliner wollen eben auch einfach nicht hören. Gegen Bayern verlor Gilberto nach einer Ecke das Kopfballduell gegen Podolski – es folgte das 0:1. In Stuttgart ließ sich Friedrich vor dem 0:1 von Magnin austricksen. Nicht jeder Fehler muss zwangsläufig ein Gegentor zur Folge haben, aber den Berlinern fehlt zurzeit das Gefühl für die Gesamtverantwortung. Wenn jemand einen Fehler macht, darf ruhig auch ein anderer ihn ausbügeln.
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