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McLaren: England gibt Gas
Während Red Bull sich immer wieder Pannen erlaubt, hat sich McLaren mit großer Effizienz und Erfahrung an die Spitze der Formel-1-WM gesetzt.
Wenigstens eine englische Nationalmannschaft trumpft derzeit in der WM groß auf. Als solche empfindet sich der Formel-1-Rennstall McLaren trotz Mercedes-Motor gern, und derzeit liegt England an der Spitze. Zu Saisonbeginn hinter Red Bull und Ferrari nur dritte Kraft, hat McLaren-Mercedes nicht erst seit den beiden Doppelsiegen in Istanbul und Montreal fast alles richtig gemacht. Als Lohn hat McLaren nicht nur in der Fahrer-WM die Doppelführung durch Lewis Hamilton und Jenson Button inne, sondern liegt auch in der Konstrukteurs-WM deutlich vor Red Bull.
Hauptgrund führ die McLaren-Dominanz sind eine konsequente technische Aufholjagd mit dem schnellsten Entwicklungstempo von allen, gepaart mit großer Effizienz und wenigen Fehlern. Auf der Geraden war der McLaren dank der genialen Erfindung des „F-Schachts“, jenes Beschleunigungskanals zum Heckflügel, schon immer schnell – und McLaren ist immer noch das einzige Team, bei dem das System wirklich funktioniert. Jetzt hat man auch in den Kurven aufgeholt und ist deutlich näher an Red Bull herangerückt, wie sich in Istanbul schon zeigte. Zwar glaubt Lewis Hamilton, dass der Red Bull auf Strecken, wo man viel Abtrieb braucht, vielleicht immer noch einen Tick schneller ist. „Aber erstens kann sich das ändern, wenn wir weiter so konsequent arbeiten – und zweitens glaube ich, dass unser Gesamtpaket insgesamt jetzt schon besser ist.“
Auf jeden Fall dürfte das gelten, wenn man zum Thema Gesamtpaket auch das Ausnutzen von Chancen rechnet. Red Bull hätte eigentlich von der Papierform her die ersten sieben Saisonrennen gewinnen müssen – tatsächlich standen Sebastian Vettel und Mark Webber aber nur dreimal ganz oben auf dem Podest. McLaren hat gerade in der Anfangsphase der Saison auch in Rennen gepunktet, zum Teil sogar gewonnen, in denen Red Bull eigentlich noch deutlich überlegen war, aber durch technische Pannen und Strategiefehler wichtige Punkte liegen ließ. Und spätestens seit dem in erster Linie durch eine Kommunikationspanne entstandenen Crash in Istanbul zwischen Vettel und Webber, aber auch dem danach folgenden „Pseudo-Krisenmanagement“ wird ja immer deutlicher, dass in diesem Bereich einiges noch nicht wirklich weltmeisterlich ist bei Red Bull.
Rein sportlich will Sebastian Vettel genauso wie sein Teamchef Christian Horner die Niederlage von Montreal nicht überbewerten. Schließlich sei Kanada die Strecke im Kalender, die dem Team am wenigsten liege, „und wir waren sogar vom reinen Speed her um einiges näher dran, als wir erwartet haben“, sagte Vettel. „Es kommen auch wieder andere Strecken, die uns besser liegen.“
McLarens Teamchef Martin Whitmarsh warnt deshalb bei allem Optimismus und bei aller Begeisterung über sein „Superteam mit den besten Fahrern der Welt“ auch davor, sich bereits jetzt in Sicherheit zu wiegen: „Red Bull wird zurückschlagen. Wir machen allerdings ebenfalls viel Druck. Es stehen einige Entwicklungen für unser Auto auf dem Programm.“ Im Augenblick arbeitet McLaren an einem großen Paket mit Verbesserungen, das beim Rennen in Silverstone eingesetzt werden soll.
McLarens größte Stärke und am Ende womöglich ausschlaggebend im Titelkampf ist aber die Erfahrung. Die Truppe ist gestählt in unzähligen WM-Schlachten der Vergangenheit, im Guten wie im Schlechten. Die Engländer haben beispielsweise selbst schon erleben müssen, wie man durch unnötige Punktverluste und interne Reibereien Titel verlieren kann – man denke nur an 2007, als Kimi Räikkönen im Ferrari die beiden McLaren-Streithähne Hamilton und Alonso zum Schluss noch ganz knapp abfing. Auch Whitmarsh baut darauf. „Unser Team ist diesbezüglich sozusagen kampferprobt“, sagt McLarens Teamchef. „Wir haben also vermutlich etwas mehr Erfahrung in solchen Dingen, wenn es hart auf hart kommt.“