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Sport: Ernstfall Olympia

Es sollten fröhliche Abende werden in diesem Winter in Park City. Zehntausende Besucher der Olympischen Spiele sollten bis spät in die Nacht feiern, an den Straßenecken sollten Bands spielen und Kleinkünstler die Menschen unterhalten.

Es sollten fröhliche Abende werden in diesem Winter in Park City. Zehntausende Besucher der Olympischen Spiele sollten bis spät in die Nacht feiern, an den Straßenecken sollten Bands spielen und Kleinkünstler die Menschen unterhalten. Jetzt gibt es nur noch wenige offizielle Stellen, an denen gefeiert werden darf. Sie sind geschützt von einem doppelten Eisenzaun. Jeder Besucher muss sich von bewaffneten Sicherheitsbeamten mit Metalldetektoren durchsuchen lassen. Falls ihm zuvor nicht schon die Lust am Feiern vergangen ist.

Wegen der Anschläge des 11. September wird sich Salt Lake City im US-Bundesstaat Utah im Februar in eine Hochsicherheitszone verwandeln. "Die Sicherheit ist unsere oberste Priorität", sagt Mitt Romney, der Chef des Organisationskomitees. "Wir stehen vor einer neuen Herausforderung." 7000 Zivilfahnder und 3100 Mann der Nationalgarde sollen die Spiele schützen. Damit sind viermal so viele Sicherheitskräfte bei den Olympischen Spielen vertreten wie Athleten. Sogar die Restaurants der Stadt werden die Fahnder regelmäßig betreten, um nach Verdächtigen Ausschau zu halten.

Trotz aller Sicherheitsvorkehrungen werden viele Länder ihren Sportlern noch einen eigenen Begleitschutz an die Seite stellen - auch die Deutschen. "Wir werden sicherlich Begleitung einsetzen", sagte der auch für den Sport zuständige Bundesinnenminister Otto Schily jüngst in einem Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Es liegt jedoch in der Natur der Sache, dass ich dazu keine detaillierten Angaben geben werde."

"Niemand möchte, dass hier irgendetwas aussieht wie ein Armee-Camp", sagt Dave Tubbs. Doch der Direktor von Utahs Spezialeinheit für die öffentliche Sicherheit bei Olympia sagt auch: "Im Moment dürfte so etwas den Menschen beinahe angenehm sein." Eine dieser Annehmlichkeiten wird ein hochmodernes Überwachungssystem im E-Center von West Valley City sein, wo die Eishockeyspiele der Männer und Frauen ausgetragen werden. Dort wird ein Überwachungssystem namens Face-Trac eingebaut, das zurzeit schon in einigen Casinos in der Spielerstadt Las Vegas benutzt wird. Es kann 128 Gesichtsmerkmale wie Augenabstand oder Dicke der Lippen aufnehmen und vergleicht die Daten mit einer Verbrecherdatei.

Weitere Beobachtungskameras sind in der gesamten Stadt verteilt, manche können sogar aus 500 Metern den Namen auf einer Akkreditierungskarte lesen. Überall kann es den Besuchern passieren, dass sie nach ihrem Fingerabdruck gefragt werden. Sicherheitsbeamte patrouillieren mit tragbaren Fingerabdruckscannern. Schon vor den Milzbrandbriefen gab es Notpläne für den Fall eines terroristischen Anschlages mit Biowaffen. "Das ist nun keine Übung mehr", sagt Scott Williams, Vizechef der Gesundheitsbehörde von Utah. "Der 11. September hat uns nur darin bestärkt, dass wir nicht überreagieren."

Doch das Ganze kostet Unsummen. Auf 270 Millionen Dollar war die Sicherheit im Budget der Organisatoren schon veranschlagt, nun kommen noch einmal 40 Millionen hinzu. Insgesamt kosten die Olympischen Spiele von Salt Lake City 1,9 Milliarden Dollar. Noch nie waren Winterspiele so teuer. Schon rührt sich Unmut, weil die Spiele den Steuerzahler wohl 381 Millionen Dollar kosten werden. Das US-Magazin "Sports Illustrated" spricht sogar von 1,5 Milliarden Dollar Steuergeldern. "Ich bin sicher, dass die Leute in Arizona stolz auf die Spiele in Salt Lake City sind", sagt Senator John McCain aus Arizona, "aber ich bin nicht sicher, wie stolz sie sind, dass sie mit ihrem Geld Highways finanzieren und den Transport der Leute bezahlen - wir brauchen auch Highways in Arizona."

Der lautstarke Patriotismus der Amerikaner dürfte Kritiker wie McCain übertönen. Nach den Terroranschlägen ist die US-amerikanische Flagge schon jetzt in jedem Vorgarten präsent und durch die Olympischen Spiele wird der Patriotismus einen neuen Höhepunkt erreichen. Schon jetzt sind 94 Prozent der Fernsehwerbung des Fernsehsenders NBC zur Prime Time verkauft, weil die Inserenten auf sehr hohe Einschaltquoten hoffen. Volkswagen hat sich bereits feste Werbeplätze gesichert. "Wir glauben, dass der Enthusiasmus für das US-Team so hoch sein wird wie nie", sagt Tony Fouladpour, der amerikanische Sprecher des deutschen Autoherstellers.

Das erste Highlight wird die Eröffnungsfeier am 8. Februar sein. Die Zeremonie im Olympiastadion unter den Augen von Präsident George W. Bush wird gleichzeitig auch zum ersten Ernstfall für die Sicherheitskräfte. Auf dem Flughafen von Salt Lake City wird dann ein mehrstündiges Flugverbot herrschen, das auch bei der Schlussfeier am 24. Februar wieder gilt. Pisten, Arenen und Hallen dürfen während der Spiele ohnehin nicht überflogen werden.

Wie effektiv die Vorkehrungen in der Luft sind, bekamen im November einige Vorstandsmitglieder des Fernsehsenders NBC live demonstriert. Nach einem Seminar über die Sicherheit bei den Olympischen Spielen befanden sie sich von Salt Lake City aus auf dem Rückflug an die Ostküste. Plötzlich verlor ihr Flugzeug den Funkkontakt. Es dauerte exakt 45 Sekunden, bis zwei F-16-Kampfjets neben ihnen flogen, die überprüfen wollten, ob alles in Ordnung ist.

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