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Bei der Handball-EM 2024 in Berlin holten die Färöer gegen Norwegen ein Unentschieden - und feierten dies ausgelassen.

© IMAGO/Maximilian Koch/IMAGO/Maximilian Koch

Nur 55.000 Einwohner und trotzdem eine Sportnation: Darum dürfen die Färöer sogar von der Fußball-WM träumen

Im Handball sorgen die Färöer schon länger für Furore. Nun träumen die Fußballer von der WM-Teilnahme. Es gibt gute Gründe für die Erfolge der Inselgruppe, weiß Füchse-Spieler Hakun West av Teigum.

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Können Überraschungen zur Gewohnheit werden? Eigentlich schließt sich das aus – es sei denn, man spricht über färöischen Mannschaftssport. Am Freitag können die Fußballer des kleinen Archipels die Play-offs erreichen und damit ihrer ersten WM-Teilnahme so nah kommen wie nie zuvor.

Allerdings müssen sie dafür gegen Kroatien mindestens ein Remis holen und auf einen Patzer Tschechiens gegen den Tabellenletzten Gibraltar hoffen. Sehr wahrscheinlich ist vor allem letzteres nicht, aber auch so hat das Team mit drei Pflichtspielsiegen am Stück zuletzt für Furore gesorgt und ist in der Weltrangliste um neun Plätze auf Rang 127 geklettert.

Was die Fußballer gerade versuchen, ist im Handball schon gelungen. Bei der WM der Frauen, die ab dem 27. November unter anderem in Deutschland stattfindet, sind die Färöerinnen erstmals dabei. Die Männer treten im Januar bei der EM in Skandinavien an und waren auch schon 2024 dabei.

Dass der Zwergstaat mit nur 55.000 Einwohnern ausgerechnet in Teamsportarten auf Weltniveau mitmischt, ist bemerkenswert. Hakun West av Teigum, Rechtsaußen beim deutschen Handballmeister Füchse Berlin versucht sich an einer Erklärung.

Die Färöer haben in der Qualifikation zur Fußball-WM 2026 zuletzte dreimal in Folge gewonnen.

© IMAGO/Romans Koksarovs/IMAGO/Roman Koksarov

„Viele kenne ich schon seit meiner Kindheit“, sagt der 23-Jährige über seine Nationalmannschaftskollegen. In der Schule begann er, Fußball und Handball zu spielen.

Wie es auch seine Freunde taten. „Die meisten Kinder machen bei uns zwei Sportarten – so lernt man mehr Leute kennen“, sagt er. Die Sporthallen sind ein Ort der Begegnung, immer offen, auch am Abend. „Wenn kein Training ist, kann man einfach reingehen und spielen“, sagt av Teigum.

Als er anfing, war der färöische Handball nicht besonders erfolgreich. „Manchmal gab es eine Nationalmannschaft, manchmal nicht. Die Bedingungen in den Vereinen waren nicht so gut“, erinnert sich av Teigum.

Handball hat mehr Fans, aber Fußball mehr Geld.

Hakun West av Teigum, Füchse Berlin

Dennoch beschloss er recht früh, Handballprofi werden zu wollen. Bei H71 Hoyvik begann er seine Karriere: „Dort gibt es die meisten Talente. Als ich sieben, acht Jahre alt war, wurde eine neue Struktur geschaffen, ähnlich wie in Berlin.“ Heute sieht man das Ergebnis: Etwa die Hälfte der aktuellen Nationalspieler kommt von H71. So auch Elias Ellefsen á Skipagøtu, beim THW Kiel unter Vertrag und neben av Teigum Topscorer der Färöer.

Die Bedeutung von Sport auf den Färöern wächst jedes Jahr. Es gibt immer mehr junge Sportlerinnen und Sportler, Fußball und Handball sind am populärsten. „Handball hat mehr Fans, aber Fußball mehr Geld“, weiß Hakun West av Teigum.

Hakun West av Teigum, hier im Nationaltrikot, ist in der vorigen Saison mit den Füchsen deutscher Handballmeister geworden.

© IMAGO/Klaus Trotter/IMAGO/KLAUS TROTTER

Handball ist auf der Inselgruppe im Nordatlantik ein Hobby, Geld lasse sich damit nicht verdienen. Deshalb zieht es die Besten ins Ausland. „Du musst raus, wenn du Profi werden willst. Je früher, desto besser“, sagt av Teigum. Mit 16 ging er nach Dänemark zum Erstligakub Skanderborg Handbold, 2023 dann zu den Füchsen. „Aus unserer Nationalmannschaft haben alle die Heimat verlassen“, sagt er. Das ist gut für die Auswahl, aber schlecht für die einheimische Liga.

Wenn der momentane Trend anhält, ändert sich das womöglich. Schließlich erlebt der Handball auf den Färöern gerade die erfolgreichste Zeit seiner Geschichte. Und wo Erfolg ist, ist – irgendwann – auch Geld.

Eins haben die Handballer jetzt schon: einen ganz besonderen Spirit. Die meisten kennen sich – bei einer Fläche, die rund 1,6 Mal der Größe Berlins entspricht, nicht verwunderlich. „Wo ich wohne, in Weißensee, gibt es mehr Menschen als auf den ganzen Färöern“, sagt av Teigum lachend.


Hakun West av Teigum spielt seit 2021 im Handball-Nationalteam

Gegen große Handballnationen wie Deutschland oder Dänemark sind sie Underdogs. Also „müssen wir immer alles geben, um eine kleine Chance zu haben.“ Der Zusammenhalt sei ihre große Stärke, gewachsen über viele gemeinsame Jahre. „Es hilft, dass wir Freunde sind und nicht Kollegen“, sagt av Teigum, der seit 2021 in der Nationalmannschaft spielt.

Dazu gehören auch die Fans. Legendär, wie 2024 bei der EM in Berlin etwa 5000 von ihnen die Arena zum Beben brachten. Auch von den Anhängern kennt av Teigum viele persönlich. „Der Support ist riesig.“

Av Teigum rechnet damit, dass bei der EM in Oslo, wo die Färöer ihre Vorrundenspiele bestreiten, sogar 7000 bis 8000 Leute dabei sein werden. Der Handball-Hype auf den Färöern ist enorm. Die neue Arena in Torshavn bietet Platz für 3.500 Leute, sie ist eigentlich jetzt schon zu klein. „Die ist in zwei Minuten ausverkauft. Die Website crasht, wenn die Tickets online gehen“, sagt av Teigum.

Handball betrifft auf den Färöern irgendwie alle, auch die Familien. So ist es mittlerweile Tradition, dass bei allen Trainings und Heimspielen des Nationalteams zusammen gegessen wird. Bekocht wird das Team von den Eltern der Spieler. „Sie lieben das. Wir haben kein Problem, Freiwillige zu finden – alle wollen helfen. Es gibt sogar eine Liste.“ Ob Lamm oder Hähnchen, es sei immer besser als im Hotel.

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