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Henry Maske wurde in seiner Karriere Olympiasieger, Weltmeister und Europameister als Amateur.

© dpa/ Britta Pedersen

Ex-Weltmeister Henry Maske im Interview: „Der Boxer oder die Boxerin, die das nutzt, wird einen klaren Vorteil haben“

Der ehemalige Weltmeister Henry Maske spricht über eine neue Technologie zur Messung der Schlaggeschwindigkeit und daraus entstehende Vorteile.

Herr Maske, Sie sollen zuletzt wieder aktiver geworden sein, schon um eine von Ihnen unterstützte neue Box-Technologie auszuprobieren?
Selbstverständlich habe ich das selber ausprobiert. Heute reicht es nicht zu glauben, heute muss man Fakten sehen. Mir war einfach wichtig, die Sensibilität der neuartigen Sensoren zu erfahren. Übrigens, der Sensor erkennt, dass ich gerade Seil springe, sogar wie viel und wie gut. Die große Nummer ist das aber nicht.

Worin besteht denn die große Nummer dieser neuen Technologie?
Seit vier Jahren wird daran gearbeitet. Ralf Rüttgers – er war auch Boxer und ist geprüfter Trainer – hat mich bekannt gemacht mit dieser Technologie. Er gab mir ein Booklet mit 109 Seiten. Und ich fragte mich, woher weiß der, was ich weiß? Da stand schon alles drin. Das musste mich beeindrucken.

Ich lebte als aktiver Boxer im Training von Qualität, von Wissen, von Feinheiten, ich lebte davon, Vorteile meinem Gegner gegenüber zu finden und meine Stärken einzubringen, so dass mein Gegner mir folgen musste. Wenn du einen Begleiter wie diese Sensoren hast, die dir jederzeit zeigen, wie deine physische Qualität ist, die dir helfen zu erkennen, wie und warum welche Trainingsmethoden anschlagen, dann ist das stark.

Natürlich haben wir Trainer, die ein gutes Gefühl haben. Aber zwischen Gefühl und tatsächlichem Wissen ist mitunter ein großer Unterschied.

Sie mussten also erfahren, dass die subjektiven Eindrücke nicht übereinstimmten mit den objektiven?
Ich bin ja jetzt nicht mehr der praxisorientierte Boxer, der täglich auf Leistung trainiert. Aber richtig ist, dass man sich durch diese Technologie besser kennen lernt. Und darum geht es ja auch im Boxen: sich selbst besser kennen zu lernen. Diese Sensoren spiegeln die physischen Qualitäten wider.

Wenn ich damit regelmäßig arbeite, merke ich Unterschiede. Ein Beispiel: Ich habe einen Schlag immer wieder wiederholt, so kraftbetont, wie es mir noch möglich ist. Zig Male. Der letzte Schlag, der ja eigentlich das perfekte Ende sein soll, war geringfügig schlechter als mein vorletzter. Ich hatte ein anderes Gefühl. Das bestätigte meine Hoffnung, dass die Sensibilität der Sensoren enorm ist.

In anderen Sportarten geht es gar nicht mehr ohne technische Datenanalyse. Warum hat es so lange im Boxen gedauert, oder wollte man es dort nicht wahrhaben?
RALF RÜTTGERS: Genau das war meine Motivation. Es lag wohl daran, dass die Schlagbewegungen im Boxen sehr schnell, sehr explosiv sind, sie über sehr kurze Distanzen gehen und es unterschiedliche Schlagarten gibt. Die Bewegung und dazu die Beschleunigung zu erfassen, ist technisch eine hohe Herausforderung.

Andere Sportarten können ihre Bewegungsabläufe einfacher über Software transparent machen. Zudem wird der Markt unterschätzt. Hierzulande ist er inzwischen überschaubar, was dazu führte, dass ein Investment zur Entwicklung einer solchen Technologie bis zur Marktreife nicht so interessant war.

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Doch weltweit ist der Markt groß. In Nord-, Latein- und Südamerika sind die Gyms überfüllt. Von Asien und Russland mal ganz zu schweigen. Das Erkennen einer akzentuierten Führungshand zum Beispiel, einer schnell beschleunigten Führungshand oder auch einer kraftvollen Führungshand haben mich gereizt.

Welche Daten liefern die Sensoren?
R.R.: Die Sensor-Technologie haben wir entwickelt. Den Sensor schiebe ich in eine Bandage, die ich um das Handgelenk schnalle, auf jeder Armseite. Wir haben mehrere hunderttausend Trainingsdaten über eine selbstgebaute App erfasst, verarbeitet und ausgewertet. Die Daten fließen dann in einen Datenpool, die Basis für unsere Künstliche Intelligenz.

Wir haben unsere Datenverarbeitung generisch aufgebaut. Wir können jeden einzelnen Schlag erkennen, also vier Schlagarten pro Seite. Mit einer fast 100-prozentigen Genauigkeit. Wir können auch den Kraftwert-Impuls auslesen pro Schlag. Auch Schattenboxen, Arbeit an Sandsack, Pratze oder Partnerarbeit erkennen wir, das läuft alles vollautomatisiert.

Können Sie auch erkennen, ob eine Boxerin oder ein Boxer schummelt?
R.R.: Wenn er den Sensor seinem besten Kumpel gibt, der intensiver trainiert, dann würde das zumindest große Fragezeichen aufwerfen für seinen Trainer.

Im Fußball haben manche Spieler in der Sommerpause ihrem Hund den Brustring umgeschnallt, der für sie lief.

R.R.: Das ist nicht möglich, das fällt auf.

Was hat die Entwicklung gekostet, und wird Ihr System das Profiboxen revolutionieren?
R.R.: Es ist ein siebenstelliger Betrag, der investiert wurde. Da stecken ich, Henry Maske und ein Darlehen drin. Wissen Sie, wir sehen uns als Trainingsdiagnostiker und wir wollen den Sport insgesamt unterstützen. Im Kampf selbst kommt das System erst mal nicht zum Einsatz. Aber der Sportler kann sich besser, weil effektiver und systematischer vorbereiten – der Trainer kann seinen Athleten besser kontrollieren.

Herr Maske, warum braucht das Boxen so eine Technologie?
Andere vergleichbare Sportarten haben so etwas längst. Beim Fußball ist es doch schon lange möglich, zum Beispiel sämtliche Laufbewegungen auszuwerten, um dem Spieler oder der Spielerin aufzuzeigen, wo Verbesserungsbereiche liegen. Den Hundertmeterlauf, und das ist für mich das beste Beispiel, kannst du zu 100 Prozent definieren, um dann um fünf Hundertstel schneller zu werden.

Als ich von der Entwicklung hörte, war mir sofort klar, dass der Boxer oder die Boxerin, die das nutzt, einen klaren Vorteil haben wird. Ich sehe eben die Handicaps, die ich habe. Ich finde das irre gut. Eines wird sich nicht ändern: Was ich daraus mache, entscheide ich. Der Unterschied findet immer noch im Kopf statt.

Wäre Ihre Karriere anders verlaufen, wenn Sie so ein System gehabt hätten. Hätten Sie am Ende Ihrer Laufbahn beide Kämpfe gegen Virgil Hill gewonnen und nicht nur einen?
Die Frage ist absolut berechtigt. Ich glaube, das hätte es nicht getan. Ich bin ja einer gewesen, der immer schon sehr strategisch da rangegangen ist. Und Virgil war auch ein großer Stratege. Aber in der Vorbereitung hätte es enorm geholfen, da bin ich mir sicher.

[Der Textauszug stammt aus dem Interview „Zur Krise stehe ich wie wir alle - mittendrin", das Sie hier bei TPlus nachlesen können.]

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