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Sport: Fouls neben dem Brett

Topalow diskreditiert Schachweltmeister Kramnik

Am Samstagabend mischte sich Wesselin Topalow beim Schachfestival in Wijk aan Zee überraschend unters Publikum. Das Hallenlicht in der „De Moriaan“ war grell, die Luft stickig. Doch Topalow, der in die Kritik geratene Weltranglistenerste, reckte zwischen hundert anderen Kiebitzen seinen Hals, um einen Blick auf den Monitor zu werfen, der die letzte noch laufende Partie der Auftaktrunde im stärksten Turnier des Jahres zeigte. Nur van Wely und Radjabow saßen noch am Brett, die beiden Großmeister hatten in dieser Partie aneinander vorbeigespielt, van Wely auf den weißen Feldern, Radjabow auf den schwarzen. Das sah so ähnlich aus wie die Begegnung Topalows mit Wladimir Kramnik: Beide gehen neuerdings grußlos aneinander vorbei.

Seit Kramniks WM-Sieg über Topalow im Herbst sind die Gräben zwischen den beiden noch tiefer geworden. Erst recht nach einem wunderlichen Interview Topalows mit der spanischen Tageszeitung „ABC“, dessen Inhalt so brisant ist, dass der Bulgare zunächst das angeblich Gesagte abstreiten ließ. Doch seitdem der Journalist erklärte, er habe alles auf Band mitgeschnitten, schweigt Topalow zur Sache. Auch am Samstag gab er sich wortkarg. „Van Wely wird verlieren“, sagte er korrekt voraus. Und immerhin gab er noch zu, das „ABC“-Interview gegeben zu haben. Was er genau gesagt habe, wisse er aber nicht mehr. „Es war sehr chaotisch. Es wäre gut, die Bänder zu haben. Ohne die Bänder können wir nicht reden“, sagte Topalow grinsend.

Bisher hatten er und sein Manager Silvio Danailow dem Weltmeister nie direkt unterstellt, beim WM-Kampf im Herbst in Elista, Russland, betrogen zu haben; ihre Äußerungen enthielten aber eine Menge rufschädigende Konnotationen. In dem „ABC“-Interview erhob Topalow nun erstmals direkte Vorwürfe. Kramniks Seite hat die Ethik-Kommission des Weltschachbundes Fide eingeschaltet. „Wenn dieses Interview so gegeben worden ist, muss Topalow dafür bestraft werden“, fordert Carsten Hensel, Kramniks Manager. „Wir bestehen darauf, dass die Ethik-Kommission den Fall von A bis Z prüft.“ Der Weltverband müsse ein Zeichen setzen, andernfalls verkomme „Profischach zum Zirkus“.

Kramnik, so lautet die abstruse Theorie der Bulgaren, könnte sich beim WM-Kampf in seinem Klo, dem einzigen nicht videoüberwachten Raum damals, mit Hilfe eines in der Zwischendecke befindlichen Kabels Computerzüge vorgesagt haben lassen. Allerdings spielte Kramnik, der unter Kollegen einen tadellosen Ruf genießt, überhaupt nicht wie ein Computer, sondern hatte sich sogar in seinen gewonnenen Partien mit typisch menschlichen Fehlern zwischenzeitlich in Verlustgefahr gebracht. Zudem waren in Elista vor jeder Partie sowohl die Spieler als auch deren Räume kontrolliert worden, Störsender blockierten rund um den Spielsaal den Empfang elektronischer Signale, und auf der Bühne verhinderte eine Glaswand Zeichensprache zwischen Spielern und Zuschauern. Diese Maßnahmen waren von Kramniks Lager veranlasst worden.

In Wijk aan Zee gibt es noch keine Kontrollen. „Unsere Schiedsrichter sind aber sensibilisiert“, sagt Turnierdirektor Jeroen van den Berg. „Dies ist ein Problem, das mich beschäftigt, und vielleicht werden wir künftig drastischer vorgehen.“

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