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Laufen für Europa. Wenn die Berliner ihre Heimspiele gewinnen, wie hier gegen Augsburg, haben sie gute Chancen auf einen vorderen Tabellenplatz.

© Maurizio Gambarini/dpa

Vor Wolfsburg-Spiel in Berlin: Fünf Spiele, ein Ziel - der Hertha-Check

Schafft es Hertha BSC in dieser Saison, sich für die Europa League zu qualifizieren? Eine Checkliste vor dem Spiel gegen den VfL Wolfsburg.

Kaum etwas gilt im Fußball als so gefährlich wie überzogene Erwartungen. Trotzdem haben sich die Spieler von Hertha BSC im Winter ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Sie wollen mindestens Sechster werden. Das schien im Januar keineswegs übertrieben mutig. Die Berliner hatten es in der Hinrunde überragend gut gemacht, sie belegten Platz drei – und waren zudem überzeugt, aus den negativen Erfahrungen der Vorsaison gelernt zu haben. Drei Monate später sieht es schon ganz anders aus. Die Qualifikation für die Europa League ist in Gefahr. Wir untersuchen, was für und was gegen eine Teilnahme Herthas spricht.

RESTPROGRAMM

Hurra, es ist ein Heimspiel! Was passiert eigentlich mit den Spielern von Hertha BSC, wenn sie aus den Katakomben des Olympiastadions die Treppen zum Spielfeld hinaufsteigen? Durchqueren sie dann ein unsichtbares Energiefeld, das sie mit Kraft und Zuversicht auflädt? Rational erklären lässt sich jedenfalls nicht, warum die Berliner in fremden Stadien umherirren wie eine zufällig zusammengestellte Hobbytruppe und in ihrem eigenen Stadion fast jeden Gegner geschlagen haben.

Fürs Erste kann Hertha das egal sein, denn: Am Samstag ist Heimspiel (gegen den VfL Wolfsburg, Beginn 15.30 Uhr, Olympiastadion). Und von den fünf ausstehenden Begegnungen darf die Mannschaft noch drei (gegen Wolfsburg, Leipzig und Leverkusen) im eigenen Stadion bestreiten. Macht also neun sichere Punkte – und könnte schon für die Qualifikation zur Europa League genügen. Dazu findet eins der beiden Auswärtsspiele am Böllenfalltor statt, beim Absteiger Darmstadt 98. Fazit: Pro Europa.

FORM

Hertha BSC hat die vergangene Saison mit dem Absturz in der Rückrunde akribisch aufgearbeitet. Das Ergebnis: Die Mannschaft hat sich zu früh zufrieden gegeben, konnte die Spannung nach dem zeitig gesicherten Klassenerhalt nicht hoch halten. Auch der Hype um das Pokal-Halbfinale gegen Borussia Dortmund ist den Spielern nicht bekommen. Nach dem vermeintlichen Saisonhöhepunkt fiel die Mannschaft in ein Loch. So ähnlich scheint es auch jetzt wieder zu sein. Hertha hatte die Bayern im März am Rande einer Niederlage, hat in der Woche darauf Eintracht Frankfurt geschlagen und schließlich den BVB besiegt.

Seitdem zeigt die Formkurve nach unten. Im Moment gibt es keinen Spieler bei Hertha, der verlässlich sein Top-Niveau erreicht. Von den jüngsten fünf Spielen hat Hertha vier verloren. Ein positiver Trend sieht anders aus. So wie bei Werder Bremen nämlich. Die Bremer haben sich mit sieben Siegen aus den letzten neun Spielen vom Relegationsplatz auf Rang acht vorgeschoben und scheinen mit ihrer Konstanz im Moment Herthas ärgster Konkurrent zu sein. Fazit: Contra Europa.

FITNESS

Trainer Pal Dardai ist voll des Lobes für sein Team. Er habe eine kleine, fleißige Mannschaft, hat der Ungar schon häufiger gesagt. Seitdem er Trainer ist, wird die Mannschaft vor der Saison ordentlich rangenommen, damit sie gestählt ist für alles, was da kommen mag. Die körperliche Leistungsfähigkeit reicht aber offenbar nicht für eine komplette Spielzeit. Schon vor einem Jahr ging dem Team im Endspurt die Luft aus. Als Indikator für die Fitness wird gerne die Laufleistung herangezogen. Ihre Aussagekraft ist allerdings begrenzt. „Teams, die dem Ball hinterherlaufen, haben fast immer die höhere Laufleistung“, hat Nationalspieler Toni Kroos einmal gesagt.

Die absolute Laufleistung hängt aber nicht nur vom Spielverlauf ab, sondern auch vom eigenen Spielsystem. Herthas Erfolg ist entscheidend vom Fleiß der Mannschaft abhängig, schon weil sie nicht über herausragende fußballerische Qualität verfügt. Vor der Winterpause ist Hertha in jedem zweiten Spiel mehr gelaufen als der Gegner. In diesem Jahr war das nur noch in drei von dreizehn Spielen der Fall. Fazit: Contra Europa.

PSYCHE

„Es ist wirklich nicht mehr lustig“, hat Vedad Ibisevic nach der Niederlage in Mainz gesagt. „So langsam habe ich keinen Bock mehr auf diese Diskussion – auswärts oder zu Hause.“ Und Trainer Dardai stürzte sich in eine verbale Auseinandersetzung mit einem Reporter von Sky. Die Gereiztheit bei den Berlinern nimmt zu, was kein Wunder ist, wenn man alle zwei Wochen mit den gleichen unangenehmen Fragen konfrontiert wird. Dass sich die Geschichte aus dem vergangenen Jahr zu wiederholen scheint, trägt bei Hertha auch nicht gerade zur Lockerheit bei. Es ist, als würde der Mannschaft erneut bewusst, dass sie jetzt etwas zu verlieren hat. Fazit: Contra Europa.

PERSONAL

Am Dienstag, im ersten Training der Woche, erwischte es auch noch Vedad Ibisevic. Der Bosnier musste die Einheit wegen Schmerzen am Knie vorzeitig abbrechen. Am nächsten Morgen stand er wieder auf dem Platz. Zumindest der größte anzunehmende Unfall blieb Trainer Dardai damit erspart. Wenn einer in der aktuellen Situation nicht ausfallen darf, dann Herthas bester Stürmer Ibisevic. Die Berliner sind ohnehin schon arg gebeutelt.

Mitchell Weiser, Herthas heimlicher Spielmacher, fehlt mit kurzen Unterbrechungen seit Mitte November; Ondrej Duda, der teuerste Zugang vor der Saison, hat bisher nur ein paar Minuten gespielt, und Niklas Stark, einer der Leistungsträger, fällt möglicherweise bis zum Saisonende aus. Auch andere Klubs haben mal mehr (Borussia Mönchengladbach), mal weniger (1. FC Köln) Ausfälle zu beklagen, Hertha aber leidet vor allem an der mangelnden Tiefe des Kaders. Zuletzt musste Dardai daher verstärkt auf Spieler aus der U 19 oder der U 23 zurückgreifen. Fazit: Contra Europa.

KONKURRENZ

Die Schnecken rennen wieder – und sie kommen nicht vom Fleck. Als Herthas größtes Plus im Endspurt um einen Europapokalplatz könnte sich die Schwäche der Konkurrenz erweisen. Als die Berliner am vergangenen Wochenende beim Abstiegskandidaten Mainz 05 die nächste Auswärtsniederlage einsackten, verloren auch die fünf Mannschaften, die in der Tabelle direkt hinter Hertha lagen. Von der direkten Konkurrenz haben nur die Bremer gerade einen Lauf. Alle anderen sind insgesamt zu wenig konstant. Abgesehen von Werder hat keiner der Verfolger von den vergangenen fünf Spielen mehr als zwei gewonnen. Fazit: Pro Europa.

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