zum Hauptinhalt

Sport: Für Ego und Vaterland

Portugals Maniche trifft auf England, wo er sportlich gescheitert ist

Das Achtelfinale zwischen Portugal und Holland hatte viele Verlierer: die Schönheit des Spiels, das Fairplay und natürlich die Holländer. Portugal war ein kleiner Sieger, geschwächt durch die Ausfälle der gesperrten Deco und Costinha. Als eigentliche Gewinner empfanden sich die zuschauenden Engländer, die heute im Viertelfinale von Gelsenkirchen auf einen vermeintlich schwer angeschlagenen Gegner treffen. Londoner Buchmacher zahlen für einen englischen Sieg bei fünf Pfund Einsatz ganze sechs aus. Na, die können was erleben, scheint Maniche zu denken. Portugals defensiver Spielmacher hält nicht viel von den Fähigkeiten Einzelner. „Natürlich schmerzt es, wenn zwei aus der Gruppe fehlen. Aber wir sind eine Mannschaft, die unglaublich eng zusammensteht. Und wir wollen die Ehre unseres Vaterlandes verteidigen.“ Vor allen anderen er selbst. Denn für Maniche ist das Spiel gegen England mehr als nur der Kampf um den Einzug in die Runde der besten vier Mannschaften der Welt. Es ist das Duell mit dem Land, in dem er sportlich gescheitert ist.

Ein halbes Jahr lang hat Maniche beim FC Chelsea gespielt, er war ausgeliehen von Dynamo Moskau. Seine Zeit in London endete im Mai, Chelsea hat das Leihgeschäft nicht in einen Kauf umgewandelt. Bei der WM spielt er um einen neuen Job, bisher mit bemerkenswertem Erfolg. Trotz Deco, Cristiano Ronaldo und Luis Figo ist Maniche der bislang beste Portugiese im Turnier. So einen Spieler hat England nicht im Aufgebot.

Englands Problem ist ja weniger, dass mit Wayne Rooney und Peter Crouch nur noch zwei Stürmer halbwegs gesunde Knochen haben. Das ließe sich kompensieren mit einem funktionierenden Mittelfeld. Das englische Mittelfeld aber wird geprägt von den formschwachen Steven Gerrard und Frank Lampard sowie dem Flügelläufer David Beckham, der vieles kann, aber nicht dribbeln und schon mal deshalb selten für Überraschungen gut ist. Den Engländern fehlt eine klare Hierarchie, wie sie die Portugiesen haben. Hier der offensive Künstler Deco, hinter ihm Maniche, der Organisator vor der Abwehr. Der 28-Jährige mit der Apachenfrisur, für den der Begriff Arbeitstier viel zu schnöde ist. Maniche steht für den intelligenten Fußballspieler, der seine Kollegen anleitet zum Verschieben, zum Verdichten der Räume. Dazu ist er perfekt am Ball und schießt wichtige Tore wie das am Sonntag zum 1:0 im Achtelfinale gegen Holland. Beim 2:1 über Mexiko hat er das erste Tor vorbereitet und das zweite selbst geschossen.

Maniche heißt eigentlich Nuno Ricardo Oliveira Ribeiro, seinen Künstlernamen hat er sich von einem Dänen geliehen, der in den Achtzigerjahren mal in Porto gespielt hat. Seine Mitspieler nennen ihn O Castor, den Biber. Er weiß, wo er ansetzen muss, um die großen Bäume zu fällen. In Portos Mittelfeld hatte sich alles um ihn gedreht, mit Deco bildete er ein überragendes Gespann in der Saison 2003/2004, die der Klub mit dem Gewinn von Meisterschaft, Pokal und Champions League beendete. Der Trainer hieß José Mourinho, der noch im selben Jahr zum FC Chelsea ging.

In London erlebte Maniche eine weniger erfolgreiche Zeit unter Mourinho, den er ehrfürchtig Professor nennt. Er kam zur falschen Zeit, als es gerade kriselte an der Stamford Bridge. Mourinho hatte sich von Maniche erhofft, er möge die müde Mannschaft antreiben und mitreißen. Doch der 28-Jährige kam nicht in bester Verfassung. Zuvor bei Dynamo Moskau hatte er viel Geld verdient, sich aber nicht wohl gefühlt. Er fand keinen Anschluss und keinen Zugang zur russischen Mentalität, er vermisste seine Familie.

Vielleicht hätte Chelsea den glücklosen Portugiesen dennoch aus dem Vertrag mit Moskau herausgekauft, hätte nicht Michael Ballack seine Zusage gegeben. Ballack, Maniche und Lampard, das wäre ein wenig zu viel Personal für die zentrale Position gewesen. Der Vertrag mit Dynamo läuft noch vier Jahre, aber Maniche verspürt wenig Neigung zur Rückkehr nach Russland. Den Journalisten hat er während der WM-Tage gesagt: „Ich mag das Land nicht, ich mag das Wetter nicht, ich mag die Liga nicht.“

Zum Abschied von London sagte José Mourinho: „Maniche ist kein gewöhnlicher Spieler. Er ist ein Champion.“ England soll es heute Abend zu spüren bekommen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false