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Sport: Gelassen Letzter

Der HSV steckt tief in der Krise, gerät aber nicht in Aufregung

Von Karsten Doneck, dpa

Berlin. Die Methode war ziemlich einfach. Und wirksam. Der Hamburger SV hatte am vierten Spieltag beim VfL Wolfsburg 1:2 verloren, und dem Trainer platzte der Kragen. Kurzerhand warf Kurt Jara mit Jörg Albertz und Bernd Hollerbach zwei Leitfiguren aus dem Kader. Als sich dann im Spätherbst Rodolfo Esteban Cardoso nach monatelanger Verletzungspause spielbereit meldete, bügelte der Hamburger SV seinen Fehlstart schnell wieder aus, wurde am Ende sogar noch Vierter. Das war in der vorigen Saison.

Und diesmal? Die nächste Niederlage in Wolfsburg hat sich der HSV schon vor gut einem Monat abgeholt, sie fiel mit 1:5 drastischer aus als noch vor einem Jahr. Inzwischen, fünf Spieltage sind vorüber, finden sich die Hamburger auf dem letzten Tabellenplatz wieder, mit nur einem von 15 möglichen Punkten. Und sie liegen damit weit hinter der eigenen Kalkulation. Mit „sechs bis zehn Punkten zum momentanen Zeitpunkt“ hatte Sportchef Dietmar Beiersdorfer gerechnet. Doch an eine Suspendierung einzelner Spieler, wie vor einem Jahr nach der Partie in Wolfsburg, denkt Kurt Jara nicht. Es ist aber auch keiner da, dessen Einsatz – wie damals der von Cardoso – den Aufbruch zu besseren Zeiten verspricht.

Die sportliche Krise verleitet den HSV indes nicht zu panischem Aktionismus. Das Präsidium um Bernd Hoffmann hält still, Kurt Jara wird demonstrativ der Rücken gestärkt. Selbst aus dem Aufsichtsrat, in dem es sonst als Erstes brodelt, ist bislang keine Kritik am Trainer zu vernehmen. Jara selbst lebt seinen Spielern bei der Trainingsarbeit Gelassenheit vor. Beim HSV vertrauen sie einfach darauf, dass die Mannschaft, gegenüber dem Vorjahr kaum verändert, die Kurve kriegt – irgendwie und irgendwann.

Schon am Sonntagabend aber könnte die Stimmung kippen. Da empfängt der HSV Hansa Rostock. „Ein Spiel mit enormer Bedeutung“, sagt Beiersdorfer. Sollte diese Partie nicht gewonnen werden, wären die Hamburger in einer weitaus prekäreren Lage als in der vorigen Saison Bayer Leverkusen (fünf Punkte nach sechs Spielen) und der 1. FC Kaiserslautern (drei Punkte), die sich beide erst im Spätstadium der Saison vor dem Abstieg retten konnten. „Drei Punkte müssen her“, fordert Kurt Jara deshalb fast ultimativ.

Dass der HSV nach dem Gewinn des Ligapokals am 28. Juli jetzt derart unter Druck steht, hängt auch damit zusammen, dass einige Leistungsträger bisher versagt haben. Da harmonierten in den Ligapokal-Spielen im Mittelfeld Cardoso und Zugang Stefan Beinlich, als hätten sie schon als kleine Jungs auf der grünen Wiese gemeinsam Fußball gespielt. Doch als der Ernstfall Bundesliga eintrat, tauchte erst Cardoso unter, war danach zudem verletzt. Ohne Cardoso schien auf dem Platz auch Beinlich kaum noch existent zu sein. Oder Sergej Barbarez: Früher hat der Bosnier nach Lust und Laune Tore geschossen, nun misslingen ihm mitunter schon die Kurzpässe zu den Mitspielern. Und wie Bernardo Romeo, einst als Torjäger gefeiert, zuletzt seine Chancen versiebte, das ruft beim Fan in der AOL-Arena je nach Zuneigung zum Klub nur noch mitleidiges Kopfschütteln oder Hohngelächter hervor.

Gegen Rostock kann Jara wenigstens wieder auf den ehedem verletzten Mehdi Mahdavikia, den besten Flankengeber der Bundesliga, zurückgreifen. Und dann steht auch einer wieder zur Verfügung, der in der vorigen Saison suspendiert war, zwei Monate später aber begnadigt wurde: Bernd Hollerbach. Der beinharte Abwehrspieler hatte sich vor der Saison verletzt.

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