
Snowboard: Halfpipe, Höschen und Haiti
US-Snowboarderin Hannah Teter ist im Dauereinsatz: Sie kämpft um Gold und mit Bikini-Fotos gegen die nordamerikanische Prüderie. Mit dem Verkauf von Damenwäsche unterstützt sie Erdbebenopfer.
Das Verkaufen von Damenunterwäsche dürfte bisher in der Geschichte der Olympischen Spiele nicht zu den Inhalten von Pressekonferenzen gezählt haben. Seitdem die blonde Snowboarderin Hannah Teter am Freitag auf dem Podium im Hauptpressezentrum von Vancouver saß, ist das anders. „Bald kommt Unterwäsche von mir raus“, sagte Hannah Teter, „dann können sich alle Ladys hier im Raum Sweet-Cheeks-Unterwäsche kaufen.“ Anschließend nannte sie die entsprechende Webseite und grinste in die Kameras.
Mit dem coolen 23 Jahre alten Snowboard-Girl Hannah Teter hat der Freigeist Einzug in die Winterspiele gehalten. Wer ihre Ansage vor der Weltpresse für einen dreisten Marketingtrick hält, liegt nicht ganz richtig. Es geht ihr um einen guten Zweck. Fünf Dollar von jedem verkauften Höschen gehen an die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“. Der Unterwäscheverkauf ist nur eines von sechs gemeinnützigen Projekten, die Hannah Teter seit ihrem Olympiasieg von 2006 in Turin unterstützt. Alle Preisgelder stiftet sie gegenwärtig für die Erdbebenopfer in Haiti. Sollte sie am Donnerstag ihren Titel in der Halfpipe erfolgreich verteidigen, würden weitere 25.000 Dollar Siegprämie vom US-Olympiaverband an „Ärzte ohne Grenzen“ in Haiti gehen. Zudem ist sie in einer weiteren Mission unterwegs. Ihre selbst ernannte Aufgabe: ausziehen als Zeichen gegen nordamerikanische Prüderie.
Ausziehen als Zeichen gegen nordamerikanische Prüderie
Hannah Teter zählt zu jenen vier US-Olympiateilnehmerinnen, die sich in der Extraausgabe der Zeitschrift „Sports Illustrated“ nur mit einem Bikini bekleidet präsentierten. Die Skirennfahrerin Lindsey Vonn, die das auch gemacht hat, musste sich deswegen und wegen eines Fotos auf einem anderen Sports-Illustrated-Cover Sexismus-Vorwürfe gefallen lassen. Hannah Teter hingegen glaubt, die Gleichberechtigung zu fördern, indem sie sich bis auf den Bikini auszieht.
„Ich wollte das unbedingt machen, denn ich glaube nicht an die Kriminalisierung von Körpern und dass sich Frauen ihrer Körper schämen müssen“, sagt Hannah Teter. Mit ihren Fotos will sie die Prüderie ihrer Landsleute bekämpfen. Der Entschluss sei ihr an einem amerikanischen Strand gekommen, erzählt sie, als sie sich beim Umziehen umständlich abmühen musste, nicht zu viel zu zeigen. „Mich hat das alles geärgert: Männer mit größeren Brüsten als meine können problemlos am Strand rumlaufen“, sagt sie, „wenn Frauen das machen, können sie ins Gefängnis kommen.“ Für sie sei Nacktheit völlig in Ordnung, sagt Hannah Teter, „Naturvölker laufen den ganzen Tag nackt herum, sie haben kein negatives Verständnis von Sexualität – und das ist ja auch in Ordnung.“
Bislang fiel das hübsche Mädchen aus Belmont, Vermont, eher durch seine jugendliche und burschikose Art auf. Als Hannah Teter nach ihrem Olympiasieg in der US-Fernsehshow von David Letterman saß, sagte dieser: „Ich fühle mich plötzlich so alt.“ Hannah Teter läuft zumeist mit tief sitzenden Hosen und riesigen Mützen herum. Ihren Sport fing sie mit acht Jahren an, weil ihre älteren Brüder Abe und Elija immer auf dem nahe gelegenen Berg beim Snowboardfahren waren und sie nicht bei der kleineren Schwester bleiben wollte. „Ich wollte immer wie ein Junge sein, als ich aufgewachsen bin“, hat sie einmal gesagt, „ich habe immer ihre Kleidung getragen und gesagt: Hey Jungs, wartet auf mich, ich komme mit.“
Siegprämie würde an „Ärzte ohne Grenzen“ in Haiti gehen
Längst aber hat sie ihre Brüder, die ebenfalls im US-Snowboardteam standen, an Erfolgen übertroffen. Ihr ältester Bruder Amen managt das kommerziell höchst erfolgreiche Snowboard-Unternehmen „Hannah Teter“. Nach ihrem Olympiasieg kamen zahlreiche Sponsoren. Auf der Webseite www.hannahsgold.com führt sie eine Familientradition fort: Sie verkauft Ahornsirup – natürlich ebenfalls für einen guten Zweck. Früher haben ihre Eltern den Ahornsirup selber gemacht. „Meine Eltern haben mich mit organischem Essen aus ihrem Garten ernährt“, sagte sie, „und sie haben mich immer machen lassen, was ich wollte.“ Das hatte ihr gut gefallen.
Nun will sie erst einmal Gold gewinnen. Neben den Chinesinnen Liu Jyaiu and Cai Xuetong kommt die größte Konkurrenz aus dem eigenen Team: Kelly Clark, Olympiasiegerin von 2002, und vor allem Gretchen Bleiler, Silbermedaillengewinnerin von Turin 2006 und Siegerin bei den Winter-X-Games 2010, könnten ihr die Titelverteidigung vermiesen. Es gibt Gerüchte, dass die Australierin Torah Bright einen Double Cork springen könnte. Dieser zweifache Salto mit dreifacher Schraube ist noch nie in einem Frauenwettbewerb gezeigt worden. Man kann sich sehr gut vorstellen, wie Hannah Teter das fände: Cool.