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Herausforderer-Finale beim America’s Cup: Die teuerste Nebensache der Welt
Der 37. America’s Cup steuert auf seinen Höhepunkt zu. Von fünf Teams sind zwei übrig geblieben. Es geht um das Privileg, sich dem Duell mit Cup-Verteidiger Neuseeland zu stellen. Doch was hat die Raserei vor der Küste von Barcelona zu bieten?
Stand:
Sie haben einen Mast und Segel, einen Bug und ein Ruderblatt, aber ansonsten mit Booten nicht viel gemein. Angetrieben durch den Wind, erheben sich die 24 Meter langen America’s Cupper der jüngsten Generation aus dem Wasser, rasen auf Tragflächen übers Meer und haben mit Fliegen mehr zu tun als mit Bootssport.
Das ist spektakulär, wie jede technologische Innovation spektakulär ist. Für den Moment.
Doch mindestens einer ist enttäuscht: „Nicht aufregend“ fand Dennis Conner das erste Aufeinandertreffen der Herausforderer, als er es sich im Livestream anschaute. „Alles, was ich sah, waren zwei Boote, die mit 45 Knoten herumrasten. Es war weder eine Taktik erkennbar noch das Gesicht eines der Steuerleute. Stattdessen ein paar Figuren in einem Cockpit, das mich an die Kanzel eines F-18-Jets erinnerte.“
Dazu muss man wissen, dass kaum jemand so stark mit der 173-jährigen Geschichte dieses Segelwettkampfs verbunden ist wie „Mister America’s Cup“-Conner. Er war es, der den legendären Silberpokal nach 132-jähriger amerikanischer Dominanz an die Australier verlor. Er war es auch, der ihn zurückeroberte (1987) und abermals verlor (1995).
Nun habe er sich überlegt, sagte der 82-Jährige, ob er nach Barcelona reisen und die Rennserie in seinem neuen Podcast kommentieren solle. „Aber ganz ehrlich“, gestand er, „ich hätte dem Ganzen wenig hinzuzufügen. Worüber soll man da reden?“
So mögen alte Männer klingen, die nicht mehr verstehen, worum es geht. Dennoch hat der alte Herr einen Punkt, wenn er sagt, dass die sechs Minuten, in denen heute eine Bahn absolviert wird, die Sache sportlich nicht interessanter machen, nur weil sie schneller vorüber sind als die halbe Stunde, die 1987 für dieselbe Strecke nötig waren.

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Das Hightech-Spektakel ist öde und eintönig. Millionen Dollar wurden in die Entwicklung von Rennmaschinen gesteckt, die bis zu hundert Stundenkilometer erreichen, bei irgendeinem technischen Defekt aber bloß wie monströse Fehlkonstruktionen in einem Element dümpeln, mit dem sie fast nichts zu tun haben. Die Leistung der Segler, die mit Sir Ben Ainslie, Jimmy Spithill, Peter Burling, Nathan Outeridge und Tom Slingsby zu den erfolgreichsten der Welt zählen, besteht darin, Kontrolle über diese fliegenden Objekte zu gewinnen, die komplexe Technik der AC75er überhaupt funktionieren zu lassen. Und das bei allen Wetterbedingungen.
Vor allem die Neuseeländer um Burling zeigten im Vorfeld des Cups wieder mal eine beeindruckende Konstanz. Das Team, das es bei seiner zweiten Cup-Verteidigung in Folge vorzog, den Heimvorteil mangels staatlicher Unterstützung aufzugeben und den Wettkampf nach Barcelona zu verlegen, gilt auch diesmal als Favorit.
Doch die Tücke bei einem technologischen Wettlauf, wie es der America’s Cup schon immer war, besteht darin, dass sich Unterschiede mit fortschreitender Dauer ausgleichen. So zeigt sich die Konkurrenz aus Italien (Luna Rossa Prada Pirelli), Großbritannien (Ineos) und den USA (American Magic), die schon vor fünf Jahren auf das Rennformat foilender Einrümpfer umgestiegen war, mittlerweile beinahe ebenbürtig.
„Endlich sind wir an einem Punkt“, sagt der britische Segelstar Ainsle, „an dem die Boote einander so ähnlich sind in der Performance, dass es wieder auf die Segler ankommt.“

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Das hat sich in den Ausscheidungsregatten des Louis Vuitton Cup gezeigt. Seit 29. August kämpfen insgesamt fünf Teams um das Privileg, den Titelverteidiger zum Duell herausfordern zu dürfen. In einer ersten Phase sammelten sie Punkte, um sich fürs Halbfinale zu qualifizieren. Da schied das französische Orient-Express-Team aus.
Der Außenseiter war erst spät in den Wettbewerb eingestiegen, hatte sich das Design-Paket von den Neuseeländern gekauft, konnte aber nicht die Güte erreichen, die für ein Weiterkommen nötig gewesen wäre. Oft schien es, dass die Segler um Quentin Delapierre mehr mit sich und der Technik beschäftigt waren als mit dem Kontrahenten.
Im Halbfinale sah es zunächst nach einer klaren Sache aus: Ainslie und sein junger Co-Pilot Dylan Fletcher gingen mit 4:0 gegen Alinghi Red Bull Racing aus der Schweiz in Führung. Doch mit nur einem einzigen weiteren Sieg fürs Finale taten sich die Briten bei leichten, drehenden Winden plötzlich schwer. Alinghi – das Team von Ernesto Bertarelli war ebenfalls erst relativ spät in den Cup eingestiegen – verkürzte den Rückstand auf 4:2.

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Dasselbe geschah bei der anderen Paarung. Hatten die Italiener in ihrem Silberpfeil zunächst wir die sicheren Sieger ausgesehen, gelang es der Mannschaft des New York Yacht Club, die Serie zu brechen und auf 4:3 an Luna Rossa heranzukommen. Entweder verkalkulierten sich Spithill und sein italienischer Kompagnon Francesco Bruni beim Start oder es brach ihnen die Halterung der Großschot aus dem Deck.
Die Erklärungen dazu hatten den Charme von Marken-PR.
Am Ende gewannen dann doch Ineos (5:2) und Luna Rossa (5:3), sodass das Finale des Louis Vuitton Cup nun in derselben Konstellation erfolgt wie 2021 in der Bucht von Auckland. Damals ging das Aufeinandertreffen 7:1 für die Italiener aus.
Parallel zur Bootstechnologie hat sich der America’s Cup zu einem Zuschauerereignis entwickelt, das aus der Distanz viel besser zu verfolgen ist als auf dem Wasser. Im Livestream wird die Regattastrecke zu einer umzäunten Arena mit virtuellen Banden, eingespiegelten Windfeldern, Abstandslinien und in Echtzeit aktualisierten Daten. Da gibt es keine Geheimnisse mehr.
Die Möglichkeiten, das Geschehen durch KI-Daten und den öffentlichen Sprechfunk transparenter zu machen, stehen in diametralem Gegensatz zu dem, was auf den Booten passiert. Ihr Tempo ist so hoch, dass wenig mehr als ein paar behelmte Köpfe und die gebeugten Rücken der Radfahrer herausragen.

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Ohnehin sind die Vorgänge so weit automatisiert, dass vier Segler den Job von einem Dutzend machen, die normalerweise für Segeltrimm, Foil-Mechanik, Taktik und Steuern nötig wären. Die eigentliche Arbeit spielt sich verborgen unter Deck ab, wo vier Radfahrer in windgeschützten Kapseln in die Pedalen treten. Ob ihre Leistung auch mal für einen Energiemangel sorgt? Man weiß es nicht. Zuletzt hat man gnädigerweise Kameras installiert, um ihre Schufterei sichtbar zu machen. Das schwere Atmen und Schnauben dieser Männer ist zum Soundtrack des 37. America’s Cup geworden.
Seit jeher wirbt der America’s Cup damit, dass sich hier die Besten mit den Besten messen. Das stimmt immer noch. Denn nirgendwo sind die Budgets so hoch. Und nach wie vor kommt es darauf an, den Wind auf dem Wasser „lesen“ zu können. Welche Seite der Bahn ist bevorteilt, wo ist mehr Druck? Das zu erkennen, entscheidet Rennen. Allerdings bieten diese Highspeed-Duelle kaum Raum für taktische Winkelzüge, die den Gegner ernsthaft stressen.

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Während sich Ainslie beim Start zum ersten Finalrennen am Donnerstag auf eine Attacke auf Luna Rossa einließ, die ihn wertvolle Sekunden kostete, machte er es im zweiten Rennen besser, lag beim Überqueren der Startlinie leicht vor den Italienern und glich zum 1:1 aus. Man sah zweimal dasselbe Rennen – mit unterschiedlichen Siegern, die danach wortkarge Erklärungen von sich gaben.
Das kann so weitergehen, bis ein Team sieben Siege hat. Dann steht es dem Emirates Team New Zealand gegenüber. Für die Italiener, die sich bereits dreimal für dieses Privileg qualifizierten (1992, 2000, 2021), wäre es ein erneuter Griff nach nationalem Stolz. Für die Briten wäre es eine historische Korrektur. Ainslie wird nicht müde zu betonen, dass die Trophäe englischen Ursprungs ist. Man habe sie eben nur nie gewonnen.
Das düstere, ironische Lächeln, das er dabei zeigt, lässt das Ausmaß der Kränkung erahnen. So viele kostspielige, gescheiterte Versuche stehen in der britischen Bilanz, bis sie es in den 60er Jahren mit der einsetzenden Professionalisierung des Segelsports aufgaben. In Australien und Neuseeland war eine neue Generation von Topseglern herangewachsen, für die der Sport kein Zeitvertreib mehr war. Das verschob die Gewichte im America’s Cup nachhaltig.

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Doch die Briten sind wieder zu einer führenden Segelnation geworden. Bei Olympia haben sie seit 1996 mit Abstand die meisten Goldmedaillen gewonnen. Während Ben Ainslie die Liste anführt (4), gibt es etliche Doppelolympiasieger in den britischen Reihen, die eine so aufwändige Kampagne wie für den America’s Cup tragen. Und es gibt mit Ineos-Gründer Jim Ratcliff auch wieder einen Industriellen, der das nötige Kapital beisteuert.
Nun fehlt nur noch das Glück oder was auch immer nötig ist. Die Zahlen sprechen für Großbritannien: Seit 1995 hat es niemand mehr geschafft, „die Silberkanne“ öfter als ein Mal erfolgreich zu verteidigen. Und jedes Mal siegte ein Neuling.
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