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Greifswalds Peterson Appiah (li.) im Zweikampf mit Lenny Stein.

© imago images/Leo

Viel Rechnerei vor dem Oberliga-Spitzenspiel: Hertha 03 muss 0,041 Punkte aufholen

Die Zehlendorfer treten bei Verfolger Greifswalder FC an. Am Ende entscheidet nicht die normale Tabelle über den Aufstieg, sondern eine Quotientenregelung.

Hertha 03 Zehlendorf ist seit Wochen Tabellenführer in der Nordstaffel der NOFV-Oberliga, der Greifswalder FC folgt auf Rang zwei. Zehlendorf hat seit Mitte Februar nicht verloren, verfügt über einen Punkt mehr und beide Mannschaften tragen noch zwei Spiele aus. Vorteil Hertha 03?

So einfach ist es in der Oberliga nicht. Greifswald war zwar in der laufenden Spielzeit noch nicht Tabellenführer, hat aber trotzdem die besten Aussichten, in die Fußball-Regionalliga Nordost aufzusteigen. Das liegt nicht in erster Linie am Heimvorteil im Topspiel gegen Zehlendorf am Sonntag um 14 Uhr, sondern an einer Besonderheit der Liga.

Die letzten fünf der eigentlich 36 Spieltage werden nicht stattfinden. Weil die Tabelle bei der Zahl der ausgetragenen Partien damit auch nach Saisonende in Schieflage sein wird, greift die Quotientenregelung.

„Gut“, antwortet Zehlendorfs Präsident Kamyar Niroumand auf die Frage, wie es um seine Rechenkünste, speziell bei der Bruchrechnung, bestellt ist. Aber: „Das ist alles ganz schön kompliziert.“ Seit Wochen rechnet der 61-Jährige immer neu, Spieltag für Spieltag. Insgesamt hat sich die Lage etwas vereinfacht, weil nur noch zwei Teams im Aufstiegsrennen sind.

Doch sie ist immer noch so schwierig, dass der Greifswalder FC auf seiner Webseite einen langen Informationstext veröffentlicht hat. Dieser beginnt wie folgt: „Okay Leute, uns erreichen in letzter Zeit gehäuft Nachfragen zur aktuellen Situation in der NOFV-Oberliga Nord.“

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Die „Fußball-Woche“ hat neben Tabelle, Ansetzungen und Torjägerliste längst auch die Quotiententabelle der Aufstiegskandidaten drin. Zuletzt war die dritte Nachkommastelle aufgeführt. Aus gutem Grund. Im sportlichen Klassement liegt Hertha 03 mit 66 Punkten aus 30 Spielen vor Greifswald (65 Punkte/29 Spiele). Beim Quotienten ist es anders: Zehlendorf 2,200, Greifswald 2,241, macht 0,041 Punkte Vorsprung für das Team aus Mecklenburg-Vorpommern. Ähnlich knapp war es in der abgebrochenen Saison 2019/20 in der Berlin-Liga: Da hatte Stern 1900 letztlich 0,03 Punkte mehr als Sparta Lichtenberg und stieg auf.

Da Hertha 03 am Ende mit einem Spiel mehr als Greifswald ins Ziel kommt, muss der Vorsprung mindestens drei Punkte betragen. Gewinnt Zehlendorf am Sonntag, hat man es danach gegen die TSG Neustrelitz in eigener Hand. Bei einem Remis liegt der Vorteil bei Greifswald, das noch beim SC Staaken antritt.

Bei einem Sieg des GFC – der von Roland Kroos, dem Vater von Toni und Felix trainiert wird – jetzt im Spitzenspiel wäre alles entschieden. Zehlendorf hatte in der jüngeren Vergangenheit vor dem Saisonstart öfter große Ziele ausgegeben. Diesmal nicht. Der Aufstieg wäre eine schöne Sache für den Verein, der das letzte Mal im Jahr 2000 viertklassig unterwegs war, ist aber keine Pflicht.

In die Lage, dass neben Toren und Punkten auch Kommastellen und Quotienten den Aufstieg entscheiden, hat sich der Nordostdeutsche Fußballverband selbst manövriert. Im Herbst entschied der NOFV, die Saison wegen der steigenden Coronazahlen zu unterbrechen, während es in der ebenfalls unter dem NOFV-Dach spielenden Regionalliga genau wie in den Berliner Ligen weiterging.

Bezüglich der Unterbrechung gab es schon im November reichlich Kritik. „Sie kam viel zu früh. Zwei bis drei Spieltage hätten noch durchgeführt werden können“, sagt Niroumand heute.

Verkürzung der Saison im Januar beschlossen

Statt anschließend zumindest den Neustart vorzuziehen, folgte Ende Januar die Entscheidung, die Saison zu verkürzen. Die vor Weihnachten ausgefallenen Partien wurden nachgeholt, für die Rückrunde jedoch gestrichen. Dadurch waren besonders im Abstiegskampf manche Vereine schnell chancenlos.

„Weil die Regelung alle seit Monaten kennen, ist eine gewisse Fairness da“, sagt Niroumand, „aber gerecht ist es nicht. Ich bin kein Fan davon.“ Absolut gerecht kann es nicht sein, denn nicht alle Mannschaften spielen zwei Mal gegen jeden Gegner.

In Zehlendorf haben sie in den letzten Wochen nicht nur gerechnet, sondern auch geplant, für beide Ligen. Fast alle Leistungsträger haben ihre Verträge verlängert, die Bezüge sind unabhängig von der Liga gleich. „Dafür bin ich den Jungs sehr dankbar“, sagt Niroumand.

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Außerdem werden acht Spieler aus der A-Jugend hochkommen, die den Berliner Pokal gewonnen hat und gegen Eintracht Norderstedt um den Bundesliga-Aufstieg spielt. Vor allem mit Blick auf die vielen Talente wäre der Sprung in die Regionalliga bei den Männern wichtig.

Kommende Saison wird es das Trainerduo Robert Schröder/Fabian Gerdts nicht mehr geben, da Gerdts zu seinem früheren Klub Berliner SC in die Berlin-Liga geht. Schröder macht weiter. Und finanziell „wäre die Regionalliga für uns darstellbar. Wir werden aber keine Spieler holen, die ein paar Tausend Euro im Monat verdienen“, sagt Niroumand.

Bliebe die Stadionfrage. Besonders ein Punkt bereitet den Verantwortlichen Kopfzerbrechen: Das Ernst-Reuter-Sportfeld erfüllt die NOFV-Vorgaben für den Gästebereich nicht. „Das Sportamt will nichts unternehmen. Ich habe das Gefühl, dort wären sie froh, wenn wir nicht aufsteigen“, sagt Niroumand. Stand jetzt müsste Zehlendorf in der Regionalliga wie in der Vorsaison der SV Tasmania ins Stadion Lichterfelde umziehen. Aber so weit ist es noch nicht. Für die Partie in Greifswald formuliert Niroumand eine klare Vorgabe: „Wir müssen auf Sieg spielen.“ Gerechnet werden kann nach Abpfiff wieder.

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