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Sport: Hertha BSC: Der Unterschied zwischen Bekannt und Berühmt

Das Beste war der Abpfiff, jedenfalls für die gut 2000 Zuschauer, die sich auf dem Marbella Parc de Futbol 90 Minuten lang mühsam beherrscht hatten. Endlich war der offizielle Teil vorbei, und mancher Spieler von Hertha BSC mag Beklemmung empfunden haben, als das Publikum auf das akustische Kommando des Schiedsrichters den Platz stürmte.

Das Beste war der Abpfiff, jedenfalls für die gut 2000 Zuschauer, die sich auf dem Marbella Parc de Futbol 90 Minuten lang mühsam beherrscht hatten. Endlich war der offizielle Teil vorbei, und mancher Spieler von Hertha BSC mag Beklemmung empfunden haben, als das Publikum auf das akustische Kommando des Schiedsrichters den Platz stürmte. Die Sorge war unbegründet, denn von den Berliner Fußballprofis wollte die Masse nichts wissen. Fast unbehelligt spazierten die Preetz, Kiraly und Tretschok in die Kabine, während die spanischen Fans die Stars vom FC Bayern belagerten. Der Berliner Mannschaftsbus war schon auf dem Weg ins Hotel, da schrieben die Münchner immer noch Autogramme.

Der Trubel nach dem Testspiel zwischen Hertha BSC und Bayern München ist nicht auf deutsche Verhältnisse übertragbar. Für die weitere Fußballwelt aber repräsentiert er den Unterschied, den das Volk zwischen einer bekannten und einer berühmten Mannschaft macht. Berühmtheit definiert die Öffentlichkeit durch Namen, die auch über Berlin, München und Gelsenkirchen hinaus an Stammtischen und in Schulklassen bekannt sind.

Nun ist das mit großen Namen so eine Sache. Sie kosten viel Geld und bieten doch nur wenig Sicherheit für sportlichen Erfolg. Inter Mailand etwa unterhält eine Mannschaft, die so teuer ist wie acht Bundesligateams zusammen. Doch trotz millionenschwerer Stars wie Recoba, Vieri oder Seedorf dümpelt Inter in der Seria A in der Grauzone des Mittelfeldes herum und war deshalb drauf und dran, im Schlussverkauf noch den brasilianischen Altstar Romario zu verpflichten.

"Geld allein macht es eben nicht", sagt Dieter Hoeneß denen, die von ihm einen spektakulären Transfer verlangen. Der Berliner Manager bemüht in solchen Fällen den Begriff von der "Siegermentalität, die man nun mal nicht kaufen kann". Und überhaupt, was solle das mit den großen Namen, "immerhin haben wir einen Alex Alves gekauft". Der hat 15 Millionen Mark gekostet und erfüllt damit die finanziellen Anforderung an einen internationalen Star. In Europa aber ist der brasilianische Stürmer nicht annähernd so bekannt wie seine Landsleute Paulo Sergio und Giovane Elber, die auf der Gehaltsliste des FC Bayern stehen. Auch Alves konnte in Marbella nach dem Kick gegen die Bayern ungehindert vom Platz schlendern.

Ein wenig neidisch schauen manche bei Hertha BSC nach Dortmund, wo Manager Michael Meier sein Ensemble von kaum mehr zu überblickenden Nationalspielern mit dem 25 Millionen Mark teuren Tschechen Tomas Rosicky verstärkt hat. Zu viel Geld für einen zu jungen Mann, monieren Kritiker. Auf der Skala der internationalen Berühmtheit aber sind die Dortmunder durch Rosicky wieder ein Stück nach oben geklettert. Mag die BVB-Aktie seit ihrer Emmissionierung im vergangenen Jahr auch an Wert verloren haben - die Marke Borussia Dortmund hat in ihrer weltweiten Akzeptanz gewonnen. Und diese Akzeptanz ist ein nicht zu unterschätzendes Kriterium für die Mitgliedschaft in der G14, dem Zirkel der größten europäischen Klubs, aus dem Herthas Präsident Bernd Schiphorst so gerne eine G15 machen würde. Über die Marke Hertha lässt sich an Positivem in erster Linie sagen, dass ihre Popularität steigerungsfähig ist.

In diesem Zusammenhang verweisen die Berliner gerne darauf, wie ernst die Bayern sie nehmen, dass die Bayern den erwachten Riesen als ärgsten Rivalen für die Zukunft einschätzen. "Siege gegen Hertha sind für die Bayern Big Points geworden", sagt Dieter Hoeneß. Kritiker argwöhnen, dass solche Komplimente vor allem dazu dienen, den Ehrgeiz des Berliner Emporkömmlings zu regulieren. Ein zufriedener Rivale ist allemal angenehmer als einer, der jeden Tag die ungezügelter Gier nach Erfolg empfindet.

Es sind spektakuläre Zugänge wie der Rosickys, die den Appetit erhalten, damit aber auch für Erfolgsdruck sorgen. Bei Hertha BSC ist mit einer gewissen Genugtuung registriert worden, dass für den Dortmunder Trainer Matthias Sammer jetzt die Zeiten vorbei sind, da er einen Platz im gehobenen Mittelfeld als Saisonziel ausgeben konnte. Auf der anderen Seite stehen Sammer sportlich alle Wege offen. ,"Ich stelle das mal ganz wertfrei fest: Mit einer Mannschaft, wie sie die Dortmunder haben, kann man nichts falsch machen", konstatiert Herthas Trainer Jürgen Röber. Er sagt es nicht offen und lässt doch durchblicken, dass auch er sich den einen oder anderen prominenten Mann wünschen würde.

Stattdessen muss Röber ohnmächtig mitverfolgen, wie einem seiner künftigen Stars öffentlich empfohlen wird, er möge sich im Interesse seiner sportlichen Entwicklung einen anderen Verein suchen. Wenn solche Empfehlungen vom spätpubertären Plappermaul Lothar Matthäus kommen, lässt sich großzügig darüber hinweg sehen. Doch auch Bayern Münchens Trainer Ottmar Hitzfeld hat dieser Tage in Marbella zu Protokoll gegeben, Sebastian Deisler hätte sich zu einem noch besseren Fußballer entwickelt, wenn er denn vor eineinhalb Jahren nicht zu Hertha BSC, sondern zum FC Bayern gewechselt wäre. Natürlich hat Deisler umgehend widersprochen und darauf verwiesen, "dass ich in Berlin Stammspieler in der Nationalmannschaft geworden bin, da kann doch meine Entscheidung nicht so falsch gewesen sein". In der Öffentlichkeit bleibt der Eindruck haften, Hertha sei für einen künftigen Star nur zweite Wahl.

Und das ist so ziemlich das schlimmste, was einen Unternehmen im erfolgsverwöhnten Berlin passieren kann.

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