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Berlins Niklas Stark (l.) kämpft gegen Robin Quaison.

© dpa

Die Schwäche unter Jürgen Klinsmann: Hertha BSC fehlt eine Spielidee

Trainer Jürgen Klinsmann hat bei Hertha zunächst viel bewegt. Doch er hat bisher weder eine Kernelf noch eine erfolgreiche Spielidee gefunden. Eine Analyse.

Als die Trillerpfeife des Schiedsrichters am Samstagnachmittag das letzte Mal durchs Olympiastadion kreischte, kam es einer Erlösung gleich. Die gastgebende Mannschaft von Hertha BSC hatte gegen die noch schlechter platzierte Mannschaft aus Mainz verdientermaßen mit 1:3 verloren. Viele Fans des Heimteams hatten bereits das Stadion verlassen und sich zerknirscht auf den Heimweg gemacht.

Die Spieler, die mit hängenden Schultern und leeren Blicken auf dem Rasen standen, gingen noch einmal Richtung Ostkurve, wo die treuesten Berliner Anhänger stehen. Doch so richtig weit kamen sie nicht, das Pfeifkonzert, das ihnen entgegenschlug, war wie eine unsichtbare Hand, die die Spieler am Überwinden der letzten Werbebande hinderte.

„Die Köpfe waren schwer“

Wenig später versuchte der Berliner Trainer Jürgen Klinsmann im Keller des Stadions den trägen und uninspirierten Auftritt seiner Mannschaft zu erklären. Er begründete Vieles mit einer hektischen Woche. Die Tatsache, dass Herthas Verteidiger Jordan Torunarigha bei der Pokalniederlage in Schalke am Dienstag rassistisch beleidigt worden war, habe die Spieler aufgewühlt und angefasst.

Er könne der Mannschaft gar keinen Vorwurf machen, sagte Klinsmann. Bereits nach zehn Spielminuten will Herthas Trainer erkannt haben, dass „die Köpfe schwer waren, dass die Spieler keine Wege und Räume gefunden haben“. Klinsmann reagierte unverzüglich, er gab seinen Spielern zwei freie Tage, damit sie den Kopf frei bekommen.

Für gewöhnlich werden Fußballprofis nach außergewöhnlich guten Leistungen mit einem zusätzlichen freien Tag belohnt. Schließlich haben die hoch bezahlten jungen Männer alles - aber eben kaum Freizeit. Aber was ist schon gewöhnlich an Jürgen Klinsmann?

Seit seiner Amtsübernahme Ende November hat er so einiges auf den Weg gebracht beim angeschlagenen Hauptstadtklub. Gegen in der Tabelle deutlich besser positionierte Teams kam dabei oft ein zwar nicht unbedingt schöner, aber zweckmäßiger Defensivfußball heraus.

Die Punkteausbeute stimmte gegen die besseren Teams. Eine seinerzeit überfordert wirkende und verunsicherte Mannschaft hatte sich gefangen. Doch gerade jetzt, da Hertha es mit einer Reihe von Gegnern zu tun bekommt, die ebenfalls ihre Probleme haben, kam der Rückschlag.

Grujic wirkt wie ein Fremdkörper

Klinsmanns lenkte mit dem Verweis auf eine turbulente Woche etwas von Problemen ab, die inzwischen unübersehbar sind. Noch immer haben sein Trainerstab und er keine wirkliche Kernelf gefunden, noch immer ist keine eine klare Spielidee beziehungsweise taktische Marschroute erkennbar. Wenn es denn eine solche gegeben hat, so war sie gegen Mainz am Samstag nicht erkennbar gewesen. Oder aber nicht brauchbar.

Wie schon im Pokal wählte Herthas Trainergespann ein 3-5-2-System, was eine Halbzeit lang beim FC Schalke gut funktioniert hatte. Mal unabhängig davon, ob diese Herangehensweise für ein Heimspiel gegen eine eigentliche schwächere Mannschaft die passende ist: Warum ließ Klinsmann in Marvin Plattenhardt und Per Skjelbred zwei erfahrene und stabile Spieler außen vor und ersetzte sie durch Maximilian Mittelstädt und Marko Grujic?

Schon mit Plattenhardts Herausnahme in Schalke beim Stand von 2:0 für Hertha, war es dahin mit Herthas defensiven Stabilität. Per Skjelbred in seiner derzeitigen Verfassung draußen zu lassen, muss man sich auch erst einmal leisten können. In den zurückliegenden Spielen zählte der erfahrene Norweger gerade wegen seiner beispielhaften Hingabe und seiner Körpersprache zu den Stützen des Teams.

Grujic ist zwar der feinere Fußballer mit der Veranlagung zum Gestalten. Doch der 23-Jährige, der in der Vorsaison überragend spielte, läuft seit Wochen seiner Form hinterher und wirkte zuletzt sogar eher wie ein Fremdkörper. Zudem scheint Klinsmann Woche für Woche in seinem Wunschspieler Santiago Ascacibar etwas zu sehen, was sich vielen anderen Beobachtern nicht erschließen will. Seit seiner Verpflichtung hat der 22-jährige Argentinier vom Zweitligisten VfB Stuttgart alle fünf Pflichtspiele über die jeweils komplette Zeit bestritten.

Es fehlt an Tempo und Kreativität

Andererseits hat Jürgen Klinsmann zuletzt immer mal wieder gern Spieler ausgetauscht, die sich gerade gefunden und eingespielt hatten. Dafür erhielten Spieler plötzlich Einsatzzeiten, die sich offenbar im Training förmlich aufgedrängt, oder mit ihrem sofortigen Abgang gedroht hatten.

Und so wirkte die Startaufstellung gegen Mainz nicht austariert, nicht ausbalanciert. Und dass Klinsmann zu Beginn der zweiten Halbzeit in Dodi Lukebakio und Javairo Dilrosun zwei offensive Außenspieler ins Spiel warf, vergrößerte eher die Unwucht der Mannschaft.

Die Konteranfälligkeit war augenscheinlich. Es wirkte, als wollte hier jemand mit Gewalt eine Wende des Spielgeschehens herbeiführen. Die späte Hereinnahme von Vedad Ibisevic war dann wie das allerletzte Mittel. Es konnte aber schon deswegen nicht aufgehen, weil es bei Hertha im Spielzentrum hakte.

Schon aus der Innenverteidigung heraus war die Spieleröffnung zittrig. Meist wurde das Spiel mit einem Pass zum nahestehenden Außenmann eröffnet. Im Spielaufbau selbst fehlte es an Tempo und Kreativität und vorn an passenden Zuspielen und Stringenz. Und wenn dann mal eine Flanke von außen geschlagen wurde, dann hatte diese oft eine schlechte Qualität. Nicht wenige landeten hinter dem Tor. Also dort, wo nach einer schwachen Vorstellung sowieso schon dicke Luft unter den Fans von Hertha BSC herrschte.

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