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Ein Ukrainer aus Australien. Nikita Rukavytsya ist an guten Tagen der beste Flügelstürmer der Zweiten Liga.

© Harald Ottke

Nikita Rukavytsya: Herthas Windhund sucht die Sonne

Der Australier Nikita Rukavytsya hat sich sportlich bei Hertha akklimatisiert. Nur die Kälte stört, auch heute in Karlsruhe. Das Spiel weckt angenehme Erinnerungen - im doppelten Sinne.

Berlin - Ein Wort zu Berlin? Coole Stadt, sagt Nikita Rukavytsya. Die Cafés, die Museen, das Olympiastadion, wirklich großartig, und Hertha BSC sei die beste Mannschaft, in der er bisher gespielt habe, „ich glaube fest daran, dass wir in die Erste Liga aufsteigen“. Es gebe da zurzeit nur ein kleines Problem, es verfolgt ihn seit Wochen Tag für Tag, woran sich auch in nächster Zukunft nichts ändern wird: „Im Winter ist es einfach verdammt kalt hier.“

Das mit dem Wetter ist wichtig für Rukavytsya, es hat ihn für sein Leben geprägt. Schlimm genug, dass er als 13-Jähriger von einem Tag auf den anderen mit den Eltern die Heimat verließ. Von Mykolajiw am Schwarzen Meer ans andere Ende Welt. Niemand hatte ihn gefragt, er sprach kein einziges Wort Englisch, die Freunde blieben alle in der Ukraine, „ich wäre am liebsten sofort wieder zurück nach Hause geflogen“. Was ihn versöhnt hat mit der neuen Heimat war das Wetter. Perth am Indischen Ozean heißt bei den Aborigines Alunga, was so viel bedeutet wie „Ort mit viel Sonne“. Rukavytsya sagt, er könne sich kaum einen angenehmeren Ort als Perth vorstellen.

Heute um 13.30 Uhr tritt er mit Hertha BSC in Karlsruhe an, was im doppelten Sinne angenehme Erinnerungen weckt. An das Hinspiel im August, als Berlin noch im Zeichen eines wunderschönen Sommers stand und Nikita Rukavytsya sein erstes Tor schoss für Hertha. Es war ein großartiges Tor, eingeleitet mit einem Dribbling um zwei Karlsruher herum und abgeschlossen mit einem spektakulären Drehschuss. Am Ende hatten die Berliner 4:0 gewonnen und erstmals die Tabellenspitze erobert. Dort stehen sie immer noch, aber das sollte man nicht als Zeugnis kontinuierlicher Entwicklung interpretieren. Hertha BSC blickt zurück auf ein höchst abwechslungsreiches Halbjahr mit Ausschlägen nach oben (öfter) und unten (zu oft). Und das liegt auch an Spielern wie Nikita Rukavytsya.

Wer die Mannschaft Hertha BSC in ihrer Komplexität von Veranlagung und Fahrlässigkeit begreifen will, muss sich nur den Ukraino-Australier mit der Nummer 13 auf dem blau-weißen Trikot anschauen. In guten Momenten ist Rukavytsya der beste Flügelspieler der Liga. „Nikita hat zwei Waffen: Seine unglaubliche Schnelligkeit und seinen großartigen linken Fuß“, sagt Herthas Trainer Markus Babbel. Wenn Rukavytsya die Außenlinie hinunter rennt, leicht nach vorn gebeugt, erinnert er an einen Windhund. Einfach nicht zu fassen, der Mann. Es gibt aber auch schlechte Momente. Augenblicke, in denen er wie ein schlafwandelnder Träumer wirkt und nicht zu wissen scheint, in welcher Stadt und in welchem Stadion er sich gerade befindet. Das Interessante an Nikita Rukavytsya ist, dass er noch in jedem Spiel gute und schlechte Momente miteinander vereint hat.

Es ist auch einem dieser schlechten Momente zu verdanken, dass Rukavytsya überhaupt in Berlin spielt. Seinen ersten Vertrag in Europa hatte er bei Twente Enschede unterzeichnet, als dort noch Steve McClaren als Trainer arbeitete und den Holländischen Meister 2009 in die Champions League führen wollte. Im entscheidenden Qualifikationsspiel trat Twente daheim gegen Sporting Lissabon an und wähnte sich seines Erfolges bei einer 1:0-Führung nach einem 0:0 im Hinspiel schon sicher. Es lief die fünfte Minute der Nachspielzeit, als Sporting einen letzten Eckball zugesprochen bekam. Torhüter Rui Patricio eilte nach vorn, was herzlich wenig geholfen hätte, wenn sein direkter Gegenspieler beim entscheidenden Kopfballduell nur mitgesprungen wäre. Nikita Rukavytsya, gerade erst eingewechselt, blieb einfach stehen, er schaute den Portugiesen mit großen Augen an und plötzlich lag der Ball im Tor. Twente war ausgeschieden und Rukavytsya bei Publikum und Mannschaft unten durch.

Die Holländer schoben ihn ab zum belgischen Klub KSV Roeselare, der prompt in die Zweite Liga abstieg. Rukavytsya aber schoss in neun Spielen vier Tore und schaffte den Sprung ins australische Aufgebot für die Weltmeisterschaft in Südafrika. Beim Auftaktspiel gegen Deutschland wurde er immerhin eingewechselt, „aber das war kein besonders schönes Spiel“, die Australier verloren es 0:4. Der Kontakt nach Berlin kam zustande über den Sohn des früheren Hertha-Profis Eyjölfur Sverrisson, Rukavytsya hatte ihn in Roeselare kennen gelernt.

Rukavytsya hat Hertha in seiner belgischen Zeit ein paar Mal im Fernsehen gesehen, „da war dieses Spiel gegen Bayern München, ich glaube, es war das letzte der letzten Saison“, es endete mit Herthas Abstieg, während die Münchner die Deutsche Meisterschaft feierten. Nikita Rukavytsya sagt, dieses Mal wolle er im Olympiastadion feiern, nach einem Sieg am letzten Spieltag gegen den FC Augsburg. Vor dem Triumph im sonnigen Mai aber stehen die Mühen der Ebene, zum Beispiel heute in Karlsruhe. Der Wetterbericht verheißt Regen und Wolken, aber immerhin eine Höchsttemperatur von10 Grad.

Es hätte schlimmer kommen können.

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