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© dpa

Robert Enke: Hochbegabt in der Mittelklasse

Torhüter Robert Enke hat Angebote von anderen Klubs ausgeschlagen und will sich nun im Tor von Hannover 96 für die WM 2010 anbieten

Von Christian Otto

Selbst die Pausen im Training, wenn Dieter Hecking taktische Anweisungen gibt, füllt er noch mit Arbeit. Liegestütze auf einem Ball, Dehnen der Nacken-Muskulatur – Robert Enke wirkt im Trainingslager von Hannover 96, das den Fußball-Erstligisten nach Kärnten geführt hat, wie ein unruhiger Hochbegabter. „Das wird die wichtigste Saison meines Lebens“, sagt der 31 Jahre alte Torhüter und stürzt sich in Österreich wieder mitten in die Arbeit. Enke schindet sich für seine Chance, bei der Weltmeisterschaft 2010 die Nummer eins im deutschen Tor zu sein. Dass er auf dem Weg nach ganz oben erneut für Hannover aufläuft, klingt ungewöhnlich und doch logisch. Auf den trainingswütigen Enke wartet dort wieder jede Menge Arbeit – in der vergangenen Saison kassierte er in der Bundesliga immerhin 69 Gegentore.

Dass Enke einem mittelmäßigem Klub wie Hannover 96 treu bleibt, verblüfft selbst seine Mitspieler. Aber der Kreis der Klubs, die ihn aus seinem bis zum Sommer 2010 laufenden Vertrag bei den Niedersachsen herauskaufen möchte, scheint überraschend klein zu sein. „Mir liegen keine Angebote für Robert Enke vor“, versichert Hannovers Präsident Martin Kind. Er versucht jetzt sogar, den Vorzeigeprofi noch länger an den Verein zu binden. Und Trainer Hecking hat den Torhüter Enke sofort wieder zum Mannschaftskapitän erklärt, bevor irgend jemand auf dumme Gedanken kommt. „Diese Mannschaft hat keinen anderen Kapitän als Robert Enke verdient“, sagt Hecking.

Bis zum Frühjahr kommenden Jahres will sich Enke entscheiden, in welches Vereinstor er sich nach der WM 2010 stellt. Sein Berater Jörg Neblung schweigt sich zu der Frage, wie viele Vereine sich wirklich für den Nationaltorhüter interessieren, seit Wochen geheimnisvoll aus. Es wird seine Aufgabe sein, den ebenso stillen wie zuverlässigen Profi so zu vermitteln, dass er nach der WM nicht in der Bedeutungslosigkeit verschwindet.

Es war eine Mischung aus Dankbarkeit und Bodenständigkeit, die Enke zuletzt in Hannover gehalten hat. Der Verein hatte ihm, als er im bezahlten Fußball eigentlich keine Rolle mehr spielte, vor fünf Jahren die Chance zu einem Neuanfang in der Bundesliga gegeben. Und sie hatten ihm in einer schwierigen Lebensphase, als Familie Enke den Kampf um ihre herzkranke Tochter Lara verlor, alle nur erdenkliche Unterstützung gegeben. Hannovers Boss Kind weiß, dass einer wie Enke solche Momente nicht vergisst. Für das Wörtchen Dankbarkeit gibt es im Vertragswerk der Deutschen Fußball-Liga, die die Muster-Arbeitsverträge für Fußballprofis erstellt, aber keinen Platz.

Hannover 96 hat vor der Saison 2009/10 beschlossen, keine Profis zu verpflichten, für die eine Ablösesumme gezahlt werden müsste. Der neue Geiz des Präsidenten gibt für Trainer Hecking und den neuen Sportdirektor Jörg Schmadtke die allgemeinen Geschäftsbedingungen für sportliches Mittelmaß vor. Für Robert Enke aber würde selbst Kaufmann Kind tief in sein Portemonnaie greifen. Die Verhandlungen darüber, ob der Kapitän und Führungsspieler seine Karriere sogar in Hannover beendet, sind vorerst auf das Frühjahr vertragt worden.

Enke will nämlich erst prüfen, ob sich die Hannoveraner Abwehr von einem überforderten Mannschaftsteil in eine funktionierende Einheit verwandeln lässt. Und auch Martin Kind ahnt, dass sein Lieblingsspieler nach einem starken Auftritt bei der WM in Südafrika zu gut und zu teuer für Hannover 96 wäre.

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