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Sport: „Ich mache mir Sorgen“

Boxarzt Thorsten Dolla über Risiken des Alters beim Kampf zwischen Henry Maske und Virgil Hill

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Der Berliner Thorsten Dolla ist seit mehr als zehn Jahren lizensierter Ringarzt bei Profi-Boxkämpfen. Sein Debüt hatte er 1995 beim zweiten Kampf von Henry Maske gegen Graciano Rocchigiani. Mit 43 Jahren ist Dolla genauso alt wie Henry Maske und Virgil Hill, die am Samstag in München gegeneinander antreten. Im Interview erklärt der Sportmediziner die gesundheitlichen Risiken im Boxsport – besonders für „alte“ Boxer.

Herr Dolla, viele kritisieren den Maske-Hill-Kampf als ein lächerliches „Seniorenduell“. Sind Boxer mit 43 Jahren wirklich schon so verbraucht, dass die Zuschauer ein schlechter Kampf erwartet?

Eines steht fest: Ein 43-Jähriger kann auch durch hartes Training auf keinen Fall den Fitnesszustand eines 23-Jährigen erreichen. Deshalb halte ich es für bedenklich, wenn Kämpfe zwischen jungen und deutlich älteren Boxern ausgetragen werden. Niemand, der sich wirklich für den Boxsport interessiert, möchte sehen, wie ein junger Boxer einem älteren den Schädel einschlägt. Aber Maske und Hill sind ja gleich alt.

Doch Maske hat zehn Jahre nicht geboxt, während Hill weiter gekämpft hat. Könnte Maske deshalb ähnliche Probleme bekommen wie Axel Schulz bei seinem missglückten Comeback?

Henry Maske hat sich fit gehalten und sicherlich hat er an Lebenserfahrung gewonnen. Aber das alles ist mit der Vorbereitung auf einen Profikampf nicht zu vergleichen. Dieses Defizit könnte Maske am Samstag zum Verhängnis werden.

Einige glauben, dass es von Vorteil für Maske sein könnte, dass er sich geschont hat. Denken Sie das auch?

Häufige Kopftreffer im Laufe einer Boxkarriere können Folgeschäden haben. Das ist vermutlich sogar schädlicher als ein einmaliger Knock-Out. Aber bei Hill muss man bedenken, dass auch er sich keinesfalls zehn Jahre lang hat vermöbeln lassen. Er hat wenig abbekommen.

Sie glauben also nicht, dass Maske eine Chance hat gegen Hill?

Ich mache mir zumindest Sorgen.

Ist es denn für Maske und Hill insgesamt gefährlicher in den Ring zu steigen als noch vor zehn oder 20 Jahren?

Das kann man so nicht sagen. Es ist wissenschaftlich ohnehin schwierig, Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson oder Gefäßschädigungen direkt mit dem Boxsport in Verbindung zu bringen. Aber ich rate dazu, gerade ältere Boxer direkt vor dem Kampf noch einmal zu untersuchen. Denn Hirnschädigungen lassen sich häufig vorher feststellen, aber oft liegen die medizinischen Untersuchungen für die Lizenz am Kampftag schon ein halbes Jahr oder länger zurück. Bis dahin kann sich der Gesundheitszustand drastisch verändert haben.

Wird es in Zukunft nicht schon allein wegen der demografischen Entwicklung mehr ältere Sportler geben?

Auf jeden Fall. Boxtraining ist außerdem gesund, fördert das Herz-Kreislaufsystem, trainiert Muskeln, die Ausdauer und auch mentale Fähigkeiten wie Konzentration und Reaktionsgeschwindigkeit. Ich würde jedem raten, sich durch so ein abwechslungsreiches Training auch für das Alter fit zu machen. Aber in einem harten Profikampf anzutreten, in dem es Mann gegen Mann geht, ist etwas ganz anderes.

Die Fragen stellte Dagny Lüdemann.

Thorsten Dolla , 43, leitet das Sportmedizinische Institut Berlin.
Neben Boxern betreute er die Fußballer von Hertha und Union. Heute ist er unter anderem Teamarzt von Berlin Thunder.

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