Sport: „Ich musste draufhauen“
Bayerns Trainer Ottmar Hitzfeld vor dem Spiel gegen Schalke über seine Rückkehr
Stand:
Einen Tag vor dem Spiel gegen Tabellenführer Schalke: Bleiben sie dabei, dass die Meisterschaft für die Bayern passé ist?
Unser Ziel bleibt der dritte Platz.
Dann müssten sie in die Qualifikation zur Champions League. Könnten Sie denn auch damit leben, im Uefa-Cup über moldawische oder litauische Dörfer zu reisen?
Ganz schwer.
Wie wollen Sie das verhindern?
Ich muss meinen Spielern genau diese Vision vor Augen führen. Sie müssen den Ernst der Lage erkennen, die vor allen Dingen sie selbst betrifft.
Sie haben angekündigt, neue Maßnahmen gegen die Krise zu ergreifen, etwa einen Tag früher ins Trainingslager zu fahren. Was soll das bringen?
Mir war die Stimmung vor dem Frankfurt-Spiel zu gelöst. Wenn ich meine Spieler länger zusammen habe, kann ich sie besser motivieren. Gerade gegen Abstiegskandidaten ist es wichtig, Spannung aufzubauen. Ohne die passiert genau das, was uns diese drei Punkte gekostet hat.
Trainingslager vor Spielen gehören zu den Mythen des Fußballs. Sie sollen Wunder wirken, nachprüfbar ist das aber nicht…
Eintrainieren kann man nicht viel, aber darum geht es nicht. Wichtig ist, sich im Geist auf das Spiel vorzubereiten. Sonst nimmt man den Fußball nicht ernst genug.
Sie haben erklärt, sie hätten noch ein paar Überraschungen für Ihre Spieler parat...
Wenn ich ihnen die jetzt verrate, sind es keine mehr, oder?
Sie sind öffentlicher geworden seit Ihrer Rückkehr.
Das ist etwas anderes.
Sie üben für alle hörbar Kritik. Keine Trainingsübung, die nicht breit besprochen wird. Es gibt Eisbäder, Schlitten und Ergometer nicht nur für Ihre Mannschaft, sondern auch die Öffentlichkeit. Gläserner ist der FC Bayern selten gewesen.
Ich bin auch nie so viel gefragt worden.
Sie könnten schweigen.
Es würde trotzdem darüber berichtet, machen wir uns nichts vor.
Sind Sie der „neue Ottmar Hitzfeld“, wie behauptet?
Ich bin immer noch Ottmar Hitzfeld. Aber es hat gut getan, Abstand zu gewinnen. Als Trainer fehlte mir damals diese Distanz, ich hatte nur meine Mannschaft vor Augen. Ich habe inzwischen unzählige Spitzenspiele gesehen. Ich habe mich auf höchstem Niveau ausgebildet.
Sie sind zweifacher „Welttrainer des Jahres“. Sie haben Fußball noch einmal neu verstehen gelernt?
Der Fußball hat sich verändert in den vergangenen drei Jahren. Er ist schneller geworden, die Mannschaften sind noch enger zueinander positioniert. Daraus ergeben sich unzählige neue Anforderungen. Entweder man verändert sich mit oder man bleibt zurück.
Warum sind Sie zurückgekommen?
Wegen der Arbeit mit jungen Menschen und der Leidenschaft dafür. Die hatte ich damals verloren. Am Ende, 2004, war ich nur müde. Eigentlich habe ich nur noch meinen Vertrag erfüllen wollen.
Waren Sie skeptisch?
Zu Beginn schon. Ich war nie einer dieser „Feuerwehrmänner“, die einen Klub vor dem Schlimmsten bewahren sollen.
Wollten Sie wissen, wie sich das anfühlt?
Nicht unbedingt. Nein, ich hab es für die Bayern gemacht, die mir sehr am Herzen liegen. Aber der Gedanke war da: Morgens zur Säbener Strasse, der Druck kommt, und die Freude an dem, was ich mache, ist nicht mehr da. Was, wenn die gleichen Mechanismen wieder in Kraft treten?
Wie war es am ersten Tag?
Genau das Gegenteil. Ich habe mich gefreut, aufs Training, auf die Spieler, auf die Spiele im Stadion. Die Leidenschaft ist wieder da. Darum habe ich auch verlängert. Wenn man zum Glück gezwungen wird, sollte man sich nicht wehren.
Gegen Ende Ihrer ersten Amtszeit sind Sie von der Bayern-Führung zum Teil öffentlich kritisiert worden. Dieselben Personen rufen zwei Jahre später an und fragen, ob Sie zurückkommen. Sie hätten auch stolz sein können.
Es ging nicht um verletzten Stolz. Mein Abgang damals war in Ordnung. Wer bei den Bayern nur Zweiter wird, muss damit rechnen, dass er entlassen wird.
Wie gewinnt ein Trainer seine verlorene Autorität zurück? Über die Hälfte Ihres damaligen Kaders spielt heute noch.
Es war wichtig, neue Methoden einzuführen, anders zu trainieren. Aber wie ein Film war das schon, vor die Spieler zu treten. Ich musste die Augen schließen, um wahrzunehmen, dass ich wieder Trainer bin.
Sie haben vor Jahren Einblicke in elf Regeln gewehrt, die Ihnen als eine Art Handlungsanleitung dienen. Eine davon lautete: Kritisiere deine Spieler nie in der Öffentlichkeit. Gegenüber Lucio haben Sie die Regel ausgesetzt. Bewusst?
Jede Situation erfordert ein Maß an Flexibilität. Hätte ich Zeit, würde ich die Mannschaft in aller Stille aufbauen. Aber wir haben keine, also musste ich mal mit dem Holzhammer draufhauen. Wir haben gegen Nürnberg verloren, und Lucio spielte dabei eine Rolle, die mir einfach nicht gefallen hatte. Am nächsten Tag habe ich ihm meinen Standpunkt erklärt.
Wann hört Ottmar Hitzfeld auf?
Wenn es keinen Spaß mehr macht. Nur meinen Vertrag erfüllen werde ich nicht noch einmal.
Das Gespräch führten Martin Henkel und Marcus Pfeil.
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