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AHORNBlätter (2): Idylle, fast perfekt

Benedikt Voigt ist begeistert von der Lage des Hauptpressezentrums in Downtown Vancouver. Nur eine Kleinigkeit stört unseren Olympia-Korrespondenten dann leider doch.

In den nächsten 16 Tagen werden die Olympiajournalisten nicht ganz in Ruhe arbeiten können. Jedenfalls nicht jene, die im olympischen Hauptpressezentrum in Downtown Vancouver ihrem Tagwerk nachgehen. Zwei bis dreimal pro Stunde schreckt sie ein ohrenbetäubendes Dröhnen auf, das einige Sekunden lang anschwillt und anschließend irgendwo in der Ferne ausklingt. Dann ist wieder ein Wasserflugzeug der benachbarten "Harbour Air" auf dem Burrard Inlet gestartet.

Das haben die Olympiajournalisten davon, wenn sie in einem Konferenzgebäude arbeiten, das einem Kreuzfahrtschiff nachempfunden ist. Andererseits ermöglicht es ihnen auch, die Annehmlichkeiten eines vor Anker liegenden Schiffes genießen. Als da vor allem wäre: der Blick übers Wasser auf die Skyline von Nord-Vancouver und die dahinter liegenden Berge. Wenn nicht gerade Nebel über dem Wasser hängt, öffnet sich bei den Winterspielen von Vancouver der schönste Ausblick, den es je bei olympischen Pressezentren gegeben hat.

Frühere Arbeitsstätten wirkten austauschbar und uniform in ihren olympischen Farben, wie ein Raumschiff, das in Salt Lake City abhebt und zwei Jahre später wieder in Athen landet. In ihren fensterlosen Räumen verloren die Schreiber jedes Gefühl für Raum und Zeit.

In Vancouver aber ist alles anders. Draußen, vor den offenstehenden Türen, lockt ein Wald. Wenn die Journalisten auf die Balustrade über dem Wasser treten, können sie frische Luft einatmen, die Möwen füttern oder eine Zigarette rauchen. Selbst eingefleischte Nichtraucher dürften angesichts dieser Lage überlegen, ob sie sich nicht doch mal eine anstecken sollten.

Nur eine Hässlichkeit stört den schwärmerischen Blick nach Nord-Vancouver. Auf nordwestlicher Seite strahlt ein riesiger Schwefelberg neongelb wie die Elho-Freestyle-Jacken der Achtzigerjahre. Man kann sich seines Anblicks nicht entziehen, der freiwillige Helfer stellte ihn beim Rundgang auch noch vor: "Dort drüben sehen Sie unseren Schwefelberg." Eigentlich hätte man ihn längst abtragen müssen. Aber womöglich dient er auch den Piloten der Wasserflugzeuge als Orientierungshilfe für die Landung. Deshalb ist die Lage im Hauptpressezentrum von Vancouver für uns Journalisten wie folgt: Ohne "Harbour Air" wäre die Idylle perfekt. 

In der Kolumne "AHORNBlätter" schreiben Wolfram Eilenberger und Benedikt Voigt im Wechsel über das Gastgeberland.

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