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Am Anschlag. Dennoch hat Biathlet Michael Greis in Ruhpolding nicht an die Olympia-Erfolge 2006 anknüpfen können. Foto: dapd

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Sport: Im Schatten seiner selbst

Biathlet Michael Greis sucht auch in Ruhpolding die Form früherer Tage – jetzt will er mehr riskieren

Von Katrin Schulze

Berlin - Manchmal fällt es schwer, Michael Greis’ Worte als Wahrheit oder Dichtung einzuordnen. Erst neulich war wieder so ein Moment. Gegenüber dem Fernsehsender Eurosport erzählte der Bayer in der ihm eigenen unverbindlichen Art, dass er seiner Biathlonkarriere gerne noch eine als Curler folgen lassen möchte. Das klang abwegig – einerseits. Andererseits kommt Greis aus Füssen, der ausgewiesenen Hochburg des deutschen Curlings, und kennt die Kollegen vom Eissport bestens. Wie auch immer die Aussage diesmal gemeint war, ein wenig Zeit hat Michael Greis noch, um sich über seine künftigen Ambitionen klar zu werden, denn im Augenblick ist er mit seinem aktuellen Beruf gut ausgelastet.

In diesen Tagen, da er mit dem Weltcuptross der Biathleten durch Deutschland tourt, tüftelt Michael Greis, was das Zeug hält. Er werkelt und schraubt und fummelt an der Waffe, mit der er durch die Loipen dieser Welt spurt. Da werden einzelne Einstellungen verstellt, damit es endlich wieder klappt. Die ersten Ergebnisse des Heimwerkerexkurses waren ein fünfter Rang beim Einzelwettbewerb und Platz sieben beim Sprintrennen von Ruhpolding, zufrieden war Greis damit nicht. „Es lief nicht optimal beim Schießen“, sagte er nach dem Sprint. „Aber ich musste etwas riskieren, ich will mich ja nicht verstecken.“ Der Versuch, sich zu verstecken, wäre für jemanden wie Michael Greis ohnehin einigermaßen aussichtslos gewesen. Schließlich schauen sie ja sowieso alle auf ihn, wie er selbst festgestellt hat: „Der Fokus ist immer auf mir, weil unsere Mannschaft nicht so stark ist wie zum Beispiel die der Norweger.“ Das Problem des Michael Greis liegt darin, dass er stets ein bisschen mehr Ballast mit sich herumschleppt als der Rest des deutschen Teams. Gleich drei Goldmedaillen hatte er seinerzeit bei den Olympischen Winterspielen 2006 in Turin geholt – ein Segen, ja, aber Bürde auch.

Lange Zeit konnte man den Eindruck gewinnen, dass Greis seiner olympischen Überform von 2006 selbst ein wenig zu verbissen hinterherhechelt. Immer wieder veränderte er seinen Trainingsalltag: Er suchte einen neuen Coach, um dann doch wieder zurückzukehren zu seinem alten, er probierte es mit einem eigenen Übungsprogramm und dann doch wieder mit der Mannschaft. Vor allem aber haderte er mit seinen Ansprüchen und sich selbst, oder um es in seinen Worten auszudrücken: Da hätte er wohl lieber jetzt als gleich die Sportart gewechselt. Auch heute noch, gut fünf Jahre nach Turin, macht ihm vor allem sein Schießen zu schaffen – nach eigenem Bekunden fehlt ihm „das richtige Vertrauen, alles oder nichts am Schießstand zu geben“.

Zu überhören ist es kaum, dass der 34 Jahre alte Biathlet die Unbekümmertheit vergangener Tage bisher noch nicht wiedergefunden hat. Inzwischen arbeitet er allerdings „zielorientierter“ als noch vor einiger Zeit, sagt er. Fragt sich nur, wie das übergeordnete Ziel von Michael Greis lautet? Er weiß es nicht genau. Bei den nächsten Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi könnte er noch einmal angreifen, wenn er sich bis dahin motivieren kann. Dass er jedoch auch vier Jahre später, wenn die Spiele eventuell in seinem Heimatland Station machen, antreten wird, ist äußerst unwahrscheinlich. Es sei denn, Michael Greis wechselt doch noch zum Curling.

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