
© Imago/Johannes Traub
Immer wieder Vorfälle in DEL2 oder Oberliga: Rassismus im deutschen Eishockey darf nicht länger verschwiegen werden
Die Eishockey-Community versteht sich in Deutschland als Familie, doch diese zeigt sich oft selektiv darin, wer dazugehört. Rassistische Vorfälle in jüngster Zeit sollten als Alarmsignal verstanden werden.
Stand:
Während rassistische Vorfälle auf Fußballplätzen, selbst in der Landesliga, regelmäßig Schlagzeilen machen und eine Agenturmeldung wert sind, verhallen ähnliche Übergriffe im Eishockey oft nahezu geräuschlos. Der öffentliche Eindruck entsteht – und verfestigt sich: Im Eishockey gibt es keinen Rassismus. Doch genau dieses Schweigen ist Teil des Problems. Es schafft eine gefährliche Normalität, in der Diskriminierung nicht nur existiert, sondern systemisch unsichtbar bleibt.
Eltern von Nachwuchsspielern, deren Kinder von einer Profikarriere träumen und zugleich rassistische Beleidigungen erleben, wagen es häufig nicht, Vorfälle zu melden oder Anzeige beim Verband zu stellen – aus Angst, ihrem Kind die Karriere zu verbauen. Ab einem gewissen Alter kommt Resignation hinzu: Man hat zu viele Situationen erlebt, in denen nichts geschah.
Ich weiß das aus eigener Erfahrung: Als Spieler mit südkoreanischen Wurzeln habe auch ich irgendwann diese Gleichgültigkeit entwickelt – eine Schutzreaktion. Bis zu jenem Moment, in dem eine rassistische Bemerkung das Fass zum Überlaufen brachte und ich begann mich dafür zu revanchieren.
Ein Schritt in die Öffentlichkeit, so berichten Betroffene, kann bedeuten, dass nicht der Täter, sondern derjenige sanktioniert wird, der den Mut hat, Rassismus anzusprechen – insbesondere, wenn der Täter zu den Leistungsträgern gehört. Die Betroffenen stehen zwischen ihrer Angst vor Repressalien und dem Wunsch nach Gerechtigkeit.
Über das Reporting-System von Hockey is Diversity erreichen uns regelmäßig Meldungen über rassistische Vorfälle – vom Nachwuchs bis zum Seniorenbereich. Erst kürzlich beim Spiel zwischen den Lausitzer Füchsen und den Blue Devils Weiden in der DEL 2 wurde eine Zuschauerin mit asiatischem Hintergrund rassistisch beleidigt. Es kam zu Auseinandersetzungen, die Liga reagierte offiziell nur zurückhaltend.
Der Geschäftsführer der Liga, René Rudorisch, betonte, man nehme den Vorfall ernst, wolle aber „keine vorschnellen Schlüsse ziehen“ und die Kommunikation den polizeilichen Ermittlungen überlassen. Dieses Muster zieht sich durch wie ein roter Faden: Ein weiterer Fall in derselben Liga – Fans der Eispiraten Crimmitschau, aus der rechten Hooliganszene, wie sich später herausstellte – zeigten mehrfach den Hitlergruß. Eine klare öffentliche Stellungnahme der Liga blieb aus.
Ein Schwarzer Spieler der Herne Miners (Oberliga), Hugo Enock, erlebte im vergangenen Jahr rassistische Beleidigungen bei einem Spiel gegen die Leipzig Ice Fighters – weitgehend ohne überregionale Berichterstattung. Und als Eishockeyfans aus Hamm beim Rosenmontagsumzug mit rechten Parolen („Ausländer raus“, „Deutschland den Deutschen“) auffielen, blieb das Geschehen sportpolitisch unkommentiert.
Das strukturelle Problem ist das Schweigen
Das Problem ist nicht allein der Rassismus auf dem Eis oder auf den Tribünen – sondern das strukturelle Schweigen drumherum. Es trägt dazu bei, dass Diskriminierung im Eishockey unsichtbar bleibt – und damit auch die Verantwortung der Institutionen.
Die DEL2 trägt dabei eine mittelbare Verantwortung. Diese endet nicht bei fehlenden Strafanzeigen oder Ermittlungen. Sie erfordert proaktives Handeln: klare Kommunikation, Sensibilisierung, Prävention und die konsequente Unterstützung der Betroffenen. Solange die Liga sich hinter Vereinen, Polizei oder Ermittlungen versteckt, bleibt Rassismus im Eishockey ein leises, aber systemisches Problem.
Wir arbeiten mit Klubs aus verschiedenen Ligen zusammen – mit den Eisbären Regensburg und den Krefeld Pinguinen aus der DEL2, den Augsburger Panthern aus der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) und den Selber Wölfen aus der Oberliga. Gemeinsam gestalten wir Spieltage unter dem Motto „Hockey is Diversity – Gegen Rassismus und Diskriminierung“.
Gerade in der DEL2, wo Regensburg und Krefeld spielen, zeigt sich, dass das Engagement von unten kommt – von Vereinen, Spielern und Fans, nicht von der Liga selbst. Während die DEL als Partner offen über unsere Arbeit berichtet und sie sichtbar macht, bleibt die DEL2 auffallend still. Selbst wenn ihre eigenen Klubs Haltung zeigen, wird dieses Engagement kaum kommuniziert. Das Schweigen der Liga sendet eine gefährliche Botschaft: als sei Antirassismus Privatsache – kein gemeinsames Bekenntnis.
Das Schweigen der Liga sendet eine gefährliche Botschaft: als sei Antirassismus Privatsache – kein gemeinsames Bekenntnis.
Martin Hyun
Dabei sind gerade Sportstadien einer der letzten Orte, an denen Menschen aus verschiedenen Herkunftsländern, sozialen Klassen, Geschlechtern und Hintergründen aufeinandertreffen – hier können Begegnung, Dialog und Gemeinschaft entstehen. Im Eishockey ist oft von der großen „Eishockey-Familie“ die Rede, doch diese Familie zeigt sich oft sehr selektiv darin, wer dazugehört – und wer nicht.
Antirassismus- und Antidiskriminierungsarbeit sind keine Modetrends. Sie sind tägliche Arbeit – mühsam, fordernd, notwendig. Wir aus der Sportwelt wissen, dass kein Trainingstag ausgelassen werden darf, wenn man besser werden will. Fortschritt entsteht nicht durch Absichtserklärungen, sondern durch Wiederholung, Hingabe und Konsequenz. Genau so müssen wir auch im Umgang mit Rassismus und Diskriminierung handeln: nicht punktuell, nicht symbolisch, sondern dauerhaft.
Nur wenn wir Antirassismus als Teil unseres täglichen Trainings begreifen, kann er in Fleisch und Blut übergehen – als selbstverständlicher Teil unserer sportlichen und gesellschaftlichen DNA.
Dieser Beitrag will keine Schuld verteilen. Es soll erinnern: an unsere Verantwortung, unsere Haltung und über den Mut, die eigene Komfortzone zu verlassen, hinzusehen und zu handeln. Denn nur, wer hinsieht, kann verändern. Schweigen ist nicht neutral. Schweigen schützt nicht. Schweigen kostet. Vor allem diejenigen, die ohnehin schon am wenigsten geschützt sind.
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