zum Hauptinhalt
Verletzung am Oberschenkel? Egal, Novak Djokovic reckt und streckt sich trotzdem zum Sieg gegen Carlos Alcaraz.

© REUTERS/Jaimi Joy

Kämpfer, Taktiker und womöglich sogar Schauspieler?: Angeschlagener Djokovic bezwingt Alcaraz und trifft auf Zverev

Satzrückstand und ein dicker Verband am Oberschenkel können Novak Djokovic im Gigantenduell mit Carlos Alcaraz nicht stoppen. Alexander Zverev wird daraus für das Halbfinale seine Schlüsse ziehen.

Stand:

Alexander Zverev dürfte kurz gezuckt haben. Beim Stand von 4:5 im ersten Satz verließ Novak Djokovic im Viertelfinale gegen Carlos Alcaraz den Tennisplatz der Rod Laver Arena und als er wiederkehrte, zierte ein dicker Verband an seinem linken Oberschenkel. Kurz darauf hatte der Serbe den ersten Satz verloren und in diesem Moment hätte wohl niemand noch auf dessen Weiterkommen setzen wollen.

Auch Zverev sicherlich nicht, der nach seinem Erfolg gegen Tommy Paul zuvor noch erklärt hatte, keinen Wunschgegner im Halbfinale zu haben. Mit Blick auf das Gigantenduell hatte er noch schelmisch hinzugefügt: „Ich hoffe, dass sie 7:6 im fünften Satz spielen.“ Dazu sollte es zwar nicht kommen, aber der Ausgang der mit Spannung erwarteten Neuauflage von Olympia- und Wimbledon-Finale dürfte dem Deutschen gleichermaßen überrascht wie gefallen zu haben.

Denn nicht etwa der 21 Jahre Alcaraz ist am Freitag Zverevs Gegner im Halbfinale, sondern Novak Djokovic, der sich 4:6, 6:4, 6:3 und 6:4 durchsetzte und dabei einmal mehr eindrucksvoll unter Beweis stellte, dass man ihn niemals abschreiben sollte. Auch nicht mit 37 Jahren und körperlich angeschlagen. Denn wie kaum ein anderer Tennisspieler kann der zehnmalige Champion der Australian Open Matches im Kopf entscheiden.

„Wäre der zweite Satz verloren gegangen, hätte ich nicht gewusst, ob ich weiterspiele“, sagte Djokovic nach dem Match, das dreieinhalb Stunden dauerte und erst eine Stunde nach Mitternacht Ortszeit endete. Vor dem Duell mit Zverev sei der Schlüssel für ihn nun „Erholung“, wobei ihm der eine freie Tag zusätzlich sicher helfen werden. Mit Blick auf seine Verletzung müsse er allerdings abwarten: „Morgen werden wir sehen, wie es wirklich aussieht.“

Wäre der zweite Satz verloren gegangen, hätte ich nicht gewusst, ob ich weiterspiele.

Novak Djokovic

Zum 50. Mal hat Djokovic bei einem Grand-Slam-Turnier das Halbfinale erreicht, der Sieg gegen Alcaraz war sein 99. in Melbourne und es war wieder mal einer, an den man sich noch eine Weile erinnern dürfte. Djokovic, der Kämpfer, Taktiker und womöglich gar Schauspieler?

Von seiner Verletzung am Oberschenkel war nach dem zweiten Satz zumindest kaum noch etwas zu merken. Hatte er eben noch nach jedem Sprint das Gesicht verzogen und war über den Platz gehumpelt, so lief er wenig später wieder fast komplett rund, legte den einen oder anderen Spagat an der Grundlinie hin und erlief auch die Stopps seines spanischen Kontrahenten.

Bisher hatte der Serbe rund um das erste Grand-Slam-Turnier des Jahres vor allem abseits der Tennisplätze für Schlagzeilen gesorgt. Vor dem Start berichtete er vom „Trauma“ der Ausweisung in der Corona-Zeit, verteidigte Danielle Collins nach ihren kontroversen Aussagen gegenüber dem australischen Publikum und verweigerte nach seinem Achtelfinalerfolg das Siegerinterview auf dem Platz, weil sich ein Reporter des übertragenden Senders zuvor abfällig über ihn geäußert hatte.

Vergessen und vergeben, nach dem Sieg gegen Alcaraz ist Djokovic nun erst einmal wieder der Tennisheld, der sich allen Widrigkeiten zum Trotz doch wieder behauptet hat. Und der immer noch der Spieler ist, den es erst einmal zu schlagen gilt.

Zverev hat bei Grand-Slam-Turnieren noch nie gegen Djokovic gewonnen

Alexander Zverev kommt diese Aufgabe im Halbfinale zu. Normalerweise sollten die Voraussetzungen dafür gut sein, die Schwere von Djokovics Oberschenkelverletzung ist unklar. Zverev aber dürfte gut daran tun, die vermeintliche körperliche Verfassung seines Gegners im Vorfeld des Matches komplett zu ignorieren. Sofern Djokovic antreten kann, wird er auch an einen Sieg glauben.

Womöglich zusätzlich beflügelt durch die Aussage seines alten Freundes und neuen Trainers. „Wenn er im Alter von 38, 39 Jahren Slams gewinnt und große Matches gegen Alcaraz und Sinner, hat er gute Chancen, als über alle Disziplinen hinweg bester Sportler in die Geschichte einzugehen“, hatte Andy Murray vor dem Turnier gesagt. Es sind Worte wie diese, die dem Selbstverständnis von Djokovic entsprechen und die ihn eben von anderen Tennisstars unterscheiden.

Zverev, der in seinem Viertelfinale gegen Tommy Paul aus den USA beim 7:6, 7:6, 2:6 und 6:1 viel Mühe hatte und nicht wirklich überzeugen konnte, weiß um die mentale Stärke von Djokovic gerade in großen Grand-Slam-Schlachten. Alle drei Duelle bei den Topturnieren hat der Serbe für sich entschieden.

Wobei Zverev inzwischen stabiler geworden ist und aus Siegen gegen Djokovic bei anderen Turnieren Selbstvertrauen gezogen hat. „Ich weiß, ich habe das Niveau“, sagte er. Und vielleicht kommt die körperliche Komponente für ihn noch hinzu. Wobei man das bei einem Novak Djokovic nie sicher weiß und der erst geschlagen ist, wenn der Gegner den Matchball auch wirklich verwandelt hat.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })