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„Keiner im Klub springt vor Freude auf“: Stehplatzkultur adé beim 1. FC Union
Union Berlin wollte sein Stadion auf über 40.000 Zuschauer erweitern. Doch zunächst muss ein Kompromiss her. Vielen Fans wird das nicht gefallen.
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Viel Lärm um nichts und alles halb so wild. So ungefähr war der Tenor, den Dirk Zingler am Dienstag anschlug, als er zum leidigen Thema Stadionausbau erneut Auskunft gab. In den vergangenen Tagen war vielerorts zu lesen, dass die neue Alte Försterei nun kleiner ausfallen solle. Laut dem Präsidenten des 1. FC Union stimmt das jedoch nicht: „Wir bauen das gleiche Stadion, das wir geplant haben“, sagte er.
Aus einer Perspektive, nämlich der des Baulogistikers Dirk Zingler, stimmt das auch. Denn an den Bauplänen, die der Köpenicker Bundesligist bereits vor zwei Jahren vorgestellt hat, hat sich im Grunde nichts geändert. Nur: Zunächst sollen deutlich weniger Menschen in dieses Stadion kommen als ursprünglich vorgesehen. Und aus Sicht des Sportfunktionärs Zingler war das durchaus ein wichtiger, wenn auch bittersüßer Schritt nach vorn.
Schon am Montagabend hatte Zingler die Überarbeitung der Ausbaupläne bestätigt. „Trotz aller Bemühungen konnten wir bislang mit den zuständigen Senatsverwaltungen keine Einigung darüber erzielen, wie der verkehrliche Raum rund um das Stadion An der Alten Försterei an Spieltagen die von uns geplanten 40.500 Besucher aufnehmen kann“, teilte er in einem Schreiben an die Mitglieder mit. Deshalb soll die Kapazität zunächst auf 34.500 reduziert werden.
Wie er am Dienstag erläuterte, wolle man damit „einen baulichen Knoten zerschlagen“. Für die geplante Kapazität von 40.500 bevorzugten sowohl der Verein als auch die Behörden ein „schienengebundenes“ Verkehrskonzept, das unter anderem auf der Errichtung einer neuen Tram-Endhaltestelle in der Nähe des Stadions basiert. Da der dafür notwendige Bahnstrom in Köpenick derzeit jedoch nicht vorhanden ist, sei dies nicht umsetzbar.
Daher hatte Union bereits vor Monaten ein anderes Konzept vorgeschlagen. Demnach sollte der Verein auf eigene Kosten Shuttle-Busse zwischen dem Stadion und den S-Bahnhöfen Karlshorst und Schöneweide einsetzen. Dieses Konzept sei jedoch am 19. September von der Verkehrsverwaltung abgelehnt worden – unter anderem mit der Begründung, es gebe dafür nicht genügend Stellflächen.
Unser Ziel bleibt 40.500 Zuschauer.
Dirk Zingler, Präsident des 1. FC Union
Nun also die Reduzierung auf eine aus Zinglers Sicht „genehmigungsfähige Anzahl“ an Stadionbesuchern. Union will jetzt zweigleisig fahren: Mit der kleineren Auslastung soll der Bau wie geplant schon im kommenden Sommer beginnen und 2027 abgeschlossen werden. Perspektivisch, wenn die Infrastruktur nachzieht, könne die Kapazität dann erhöht werden. „Unser Ziel bleibt 40.500 Zuschauer“, betonte Zingler.
Dass das Shuttle-Bus-Konzept für eine Auslastung von 34.500 genehmigt werden soll, darüber sei der Union-Präsident „so optimistisch wie noch nie“. Denn: „Diese Entscheidung ist mit Kai Wegner besprochen worden sowie mit den zuständigen Senatorinnen und Senatoren. Die politische Unterstützung ist gegeben.“
In Köpenick gilt die Stehplatzkultur als hohes Gut
Mit Pragmatismus und Kompromissbereitschaft will Union nach eigener Darstellung nun endlich den Durchbruch geschafft haben. Kompromisse muss der Klub dabei nicht nur von der Stadt, sondern auch von den Fans einfordern. Um die Auslastung zu reduzieren, muss der gesamte Oberrang zunächst mit Sitzplätzen ausgestattet werden, wodurch die Zahl der Stehplätze von 32.000 auf 18.800 sinkt.
Damit reagiere der Verein laut Zingler auf den Wunsch vieler Fans nach mehr Sitzplätzen. Ganz unumstritten wird diese Entscheidung in den Fan-Kreisen allerdings nicht sein. In Köpenick gilt die Stehplatzkultur seit jeher als hohes Gut und als Hauptgrund für die besondere Stimmung in der Alten Försterei. Nun soll es erstmals in der Geschichte des Stadions fast genauso viele Sitz- wie Stehplätze geben.
Das ist nur die letzte in einer Reihe bitterer Pillen, die die Anhänger im Zuge des Ausbaus schlucken mussten. Schon in den bisherigen Plänen stand fest, dass der beliebte Waldweg einer Umfahrungsstraße weichen muss und die 2008 von Fans renovierten Traversen abgerissen und neu gebaut werden. Mit den Stehplätzen geht nun ein weiteres Alleinstellungsmerkmal verloren.
„Wir wollen die Kultur in unserem Stadion jetzt nicht brutal verändern“, versicherte Zingler am Dienstag, betonte aber zugleich, dass man zwischen den verschiedenen Fangruppen für einen „Interessenausgleich“ sorgen müsse. Schon vergangene Woche habe es Gespräche mit Fanvertretern gegeben. Über die genaue Gestaltung des Oberrangs auf der Waldseite solle weiter beraten werden – auch Klappsitze seien hier laut Zingler eine Option.
„Das ist keine Situation, in der irgendjemand im Klub vor Freude aufspringt und Hurra schreit“, so der Präsident. Gleichzeitig seien jedoch alle froh, wenn der Prozess durch die jetzige Entscheidung beschleunigt werde. Acht Jahre nach der Vorstellung der ersten Ausbaupläne sei es schließlich so, dass „die Geduld bei allen schon ein bisschen strapaziert ist“.
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