Sport: Kollektive Aussetzer
Die deutschen Schwimmer sind bei der WM in Melbourne außer Form
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Helge Meeuw tauchte auf und sagte: „Alles Käse.“ Janne Schäfer tauchte auf und sagte: „Alles Scheiße.“ Andere deutsche Schwimmer erschienen, das gleiche Ritual. Entweder „Käse“ oder „Scheiße“, mehr Variationen als Gesprächsauftakt gab es nicht. Originell war es irgendwann nicht mehr, was die deutschen Schwimmer nach ihren Rennen in der Rod Laver Arena in Melbourne bei der WM zu sagen hatten. Aber es gab gestern ja auch nicht allzu viel zu lachen – für die Deutschen. Helge Meeuw aus Frankfurt am Main, Steffen Driesen (Wuppertal/beide 100 Meter Rücken), Janne Schäfer (Wolfsburg), Birte Steven (Hamburg/beide 100 Meter Brust), Antje Buschschulte (Magdeburg, 100 Meter Rücken) – sie alle scheiterten im Halbfinale. Nur Paul Biedermann fiel aus der Norm. Er sagte als erstes: „Es tut mir leid für alle meine Teamkollegen.“ Stimmungsfördernd war das nicht. Aber wenigstens steht Biedermann (1:48,43) im Finale über 200 Meter Freistil. Das ist eine Überraschung; und der 20-Jährige aus Halle an der Saale übernahm sofort Verantwortung: „Ich will versuchen, dass ich etwas gutmachen kann.“
Minimale Schadensbegrenzung, mehr ist nicht möglich. Meeuw blieb mit 55,37 Sekunden fast zwei Sekunden über seiner Bestzeit. „Ich bin hinten raus gestorben“, stöhnte der 22-Jährige. „Ich bin echt traurig, weil ich mich total gut gefühlt habe.“ Das Höhentrainingslager, die Tests danach, alles wunderbar. „Ich habe mich so gequält wie nie.“ Aber dann starrte er wieder ins Nirgendwo und sagte: „Ich weiß nicht, woran es liegt.“ Keiner konnte Gründe nennen, niemand fühlte sich schlecht vorbereitet, deshalb standen einige fassungslos vor den Trümmern ihrer Arbeit. Janne Schäfer war mit ihren 1:10,32 Minuten zwei Sekunden langsamer als bei ihrem Sieg bei der Deutschen Meisterschaften, Buschschulte lag mit 1:01,71 Minuten fast 1,5 Sekunden über ihrem Deutschen Rekord – über jener Zeit, mit der sie 2003 Weltmeisterin geworden war. „Ich hatte hinten raus Gummimuskeln“, sagte sie. Warum? „Keine Ahnung, ich habe in der Höhe super trainiert. Ich war psychisch nicht kaputt oder so.“ Janne Schäfer schon. Die hätte sich aus Nervosität „vor dem Start fast übergeben“, wie sie sagte. Und Janine Pietsch (Ingolstadt), Weltrekordlerin über 50 Meter Rücken, hatte „Angst vor der Strecke“. Deshalb schied sie nach dem Vorlauf aus.
Alles Zufall, dieser kollektive Aussetzer? „Seltsam ist es schon“, sagt Buschschulte. An einer Wand im Stadion stand Örjan Madsen, der deutsche Cheftrainer, und sagte, dass er auch keine Erklärung habe. Keine detaillierte jedenfalls. Aber er bezweifelt, dass wirklich alle so optimal vorbereitet sind, wie sie sagen. „Manchmal fühlt man sich gut, aber wenn man die zweiten 50 Meter schwimmen muss, dann geht nichts mehr.“ Stimmte also die Vorbereitung nicht? Das wäre dann seine ureigene Verantwortung? „Man muss das nach der WM analysieren“, sagt er. Vielleicht ist es eine Kopfsache, vielleicht muss einfach bloß ein Erfolgserlebnis her, von irgendeinem, als Signal. Auf so ein Signal hofft der Norweger. „Wir müssen jetzt selbstbewusst an die nächsten Aufgaben rangehen. Wir müssen jetzt die Rennen abhaken.“
Selbstbewusst auftreten? „Wie soll man sich denn hochziehen, wenn die Form nicht da ist“, fragt Antje Buschschulte fast resigniert.
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