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Immer wieder gab es „Windhorst raus“-Forderungen. Nun hat er selbst das Ende der Zusammenarbeit verkündet.

© IMAGO/Fotostand

Krise bei Hertha BSC: Träume kann man nicht kaufen

Lars Windhorst steht jetzt da, wo ein Investor im deutschen Fußball hingehört: am Spielfeldrand. Für Berlins traditionsreichsten Verein hat die atemlose Trennung auch Vorteile.

Ein Kommentar von Robert Ide

Härter geht’s bei Hertha immer. Was die Fans des ältesten Fußball-Bundesligisten seit 130 Jahren spüren, wird Berlin und Deutschland mit atemlosen Volten vorgespielt: Hertha BSC, Berliner Sportklub und Sehnsuchtsfläche, stellt sich auf immer neue Art ein Bein. Auf dem Rasen und erst recht daneben.

Die Fans wehrten sich gegen die Einverleibung des Klubs

Diesmal hat sich Investor Lars Windhorst daneben benommen – und schmeißt jetzt hin. Offensichtlich erwischt bei einer heimlich in Auftrag gegebenen Schmutzkampagne gegen den alten Vereinspräsidenten Werner Gegenbauer, wurde er vom neuen Präsidenten Kay Bernstein an den Spielfeldrand gedrängt. An den gehört ein Investor im deutschen Fußball sowieso. Doch die Liga spielt zuweilen nicht nach ihren eigenen Regeln: Damit auch der Ball im Osten vorbeirollt, ließ sie in Leipzig das von „Red Bull“ in „Rasenballsport“ umgetaufte Marketingkonstrukt als Sportverein zu, obwohl es keiner ist.

Andere Choreografie in der Ostkurve des Berliner Olympiastadions: Hier wehrte sich eine stabile, in der Stadt sozial engagierte Fanbasis gegen die Einverleibung ihres Klubs. Der Streit brachte die ganze Hertha zum Rasen: Nun hat Windhorst keinen Bock und vielleicht auch kein Geld mehr.

Investor Lars Windhorst wollte aus Hertha einen europäischen Topklub machen, Jürgen Klinsmann sollte ihm dabei helfen, floh aber.
Investor Lars Windhorst wollte aus Hertha einen europäischen Topklub machen, Jürgen Klinsmann sollte ihm dabei helfen, floh aber.

© Imago/Nordphoto

Der gekaufte Traum war ein anderer: Der postulierte „Big City Club“ sollte mit Trainer Jürgen Klinsmann und Meisterschale durchs Brandenburger Tor ziehen; Windhorsts wechsel- und zuweilen zweifelhafte Vita in der Erfolgssonne ausgeblichen werden. Stattdessen spielte Hertha, überfordert von Erwartungen, gegen den Abstieg und verlor die fußballerische Vorherrschaft in der Hauptstadt an den Köpenicker Kiezklub 1. FC Union. Eine filmreife Saga ohne Happy End in Westend.

Nun bietet Windhorst seine einst überteuert erworbenen Anteile von 64,7 Prozent an der Kapitalgesellschaft via Facebook feil. Bei dem Netzwerk hatte schon Klinsmann seine Flucht verkündet: „HaHoHe – Euer Jürgen!“ Jetzt wechselt sich auch der Investor selbst aus, steht vor dem Rauswurf als Vereinsmitglied. Und der erst kürzlich vom Fan-Ultra zum Präsidenten aufgestiegene Bernstein muss gleich mal bei der Investorensuche aushelfen.

Herthas Klubwert liegt wohl nur bei 180 Millionen Euro

Es läuft die Nachspielzeit eines spottreifen Spektakels. Wo kriegt Hertha jetzt 374 Millionen Euro her? Oder einen Investor, der zumindest 64,7 Prozent davon zahlt? Oder zumindest 64,7 Prozent vom tatsächlichen Klubwert, der bei 180 Millionen Euro liegen soll? Verloren ist Hertha deshalb nicht.

Drei Jahre Wahnsinn haben am Ende auch viel Gutes: Einige der Windhorst-Millionen gelten Herthas Schulden ab. Der starre Vereinspatron Gegenbauer ist weg, ebenso sein sportlich schwacher Manager Michael Preetz. Jetzt auch der Größenwahn. Big City Club? Bei Hertha will Windhorsts Worte schon lange keiner mehr hören.

Eine Vision darf der Verein aber haben: als Sehnsuchtsfläche für vielfältigen Fußball in einer vielfältigen Hauptstadt – dann auch mit einem Frauenteam. Und als in der Stadt verwurzelter Traditionsklub von Welt – dann auch mit einem neuen Fußballstadion. Der 1. FC Union, als Tabellenführer über sich hinaus gewachsen, will so groß gar nicht wachsen. Hertha könnte es, ist aber noch nicht bereit dafür.

Vor 130 Jahren gegründet am Prenzlauer Berg, groß geworden in Wedding, der Teilung trotzend in Westend, muss sich Hertha in der Stadt des Werdens weiter selbst neu finden. Und auf dem Spielfeld mal wieder drei Punkte holen. Schöner als die letzten Jahre spielen sie immerhin schon, feuern sich an auf dem Rasen und auf den Rängen. Berlin kann dabei nur gewinnen.

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