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Krise bei Manchester City: Pep Guardiola steht vor der größten Herausforderung seiner Karriere
Manchester City musste zuletzt fünf Niederlagen in Folge hinnehmen. Das 0:4 gegen Tottenham war gleichzeitig für den Club und den Trainer ein Negativrekord. Was hinter diesem unerklärlichen Absturz steckt.
Stand:
Pep Guardiola blickte immer wieder nach links unten, als ob er nach einem Ausweg suchte. Man müsse doch wieder aufstehen und den Problemen ins Gesicht schauen, sagte er dem Reporter der BBC.
Sein Körper sprach aber einen ganz anderen Dialekt, der irgendwann auch in seine Worte überlief: „Es läuft schlecht“, resümierte der Katalane am Ende dieses desaströsen Samstagnachmittags. „Was können wir tun?“
Wenn er es nicht weiß, wer dann? In seinen vielen Jahren als Spitzentrainer hat man Guardiola von unzähligen Seiten gesehen, von Trotz und Überheblichkeit bis hin zu Charme, Selbstironie und teils übertriebene Bescheidenheit. Diese Verzweiflung, die sogar an Hilflosigkeit grenzte, kannte man von ihm bisher nicht. Das hier war etwas Neues.
Bei Manchester City ist eben vieles neu im Moment. Vor dem Champions-League-Spiel gegen Feyenoord am Dienstag (21 Uhr, Dazn) befindet sich Guardiolas Mannschaft in einer Krise, die weder absehbar war noch erklärlich ist. Der Triple-Sieger von 2023, der den englischen Fußball seit vielen Jahren gnadenlos dominiert, kann seit einigen Wochen plötzlich nur noch verlieren. Wettbewerbsübergreifend hat City nun fünf Niederlagen am Stück hinnehmen müssen, inklusive dem ernüchternden 0:4 gegen Tottenham am vergangenen Samstag. Und keiner kann so wirklich sagen, warum.
Seit Guardiolas Ankunft habe ich City noch nie so schwach gesehen.
Gary Neville, Experte bei Sky
„Seit Guardiolas Ankunft habe ich City noch nie so schwach gesehen“, staunte etwa der englische Sky-Experte Gary Neville nach der Pleite gegen Tottenham. In Wirklichkeit ist es noch schlimmer. Citys aktuelle Negativserie ist die schlimmste seit 2006, als der Verein unter Stuart Pearce gegen den Abstieg kämpfte. Das 0:4 war zudem die heftigste Heimniederlage seit dem Einzug ins neue Stadion 2003 und auch für Guardiola eine unglückliche Premiere. In seiner gesamten Trainerkarriere hatte er nie zuvor ein Liga-Heimspiel so hoch verloren.
Man hoffte in der vergangenen Woche auf die Wende
Dabei hatte man gerade diese Woche auf die Wende gehofft. In der Länderspielpause hatte City doch die Chance gehabt, sich wieder zu raffen. Auch die Vertragsverlängerung Guardiolas um zwei weitere Jahre sollte wieder für Optimismus sorgen. Und dann das: Die bisher schlimmste Niederlage schlechthin, und der fast unaussprechliche Verdacht, dass das alles viel mehr als nur eine kleine Delle sein könnte.
Einerseits gibt es messbare Gründe für die Krise. Weil City seit September auf den verletzten Ballon d’Or Gewinner Rodri verzichten muss, fehlt es gerade an der üblichen Kontrolle im Mittelfeld. Das macht sie unter anderem auch konteranfälliger, was viele Gegner zurzeit gekonnt ausnutzen. Zudem erlebt Erling Haaland eine Torflaute: nach zehn Toren in den ersten fünf Spielen konnte er in den letzten zwei Monaten nur zweimal treffen. Zu guter Letzt gibt es auch noch den andauernden juristischen Streit mit der Premier League, der im schlimmsten Fall mit einem Punkteabzug oder einem Zwangsabstieg enden könnte. Das hat auch einen Einfluss auf den sportlichen Alltag, zumal Guardiola da oft als Sprachrohr und Gesicht des Vereins gefragt ist.
Doch damit ist nicht alles erklärt. Citys Stärke war schließlich stets die Tiefe im Kader. Haaland war schon immer zum Saisonauftakt am effizientesten. Die Anklagen gegen City erhob die Premier League schon im Februar 2023, sie waren auch dann nur die neueste Schlacht in einem andauernden Krieg um Citys umstrittenes Geschäftsmodell. Mit einem Cocktail aus Wagenburgmentalität und Opferrolle konnte das Guardiola bisher sehr gut abmoderieren. Gleichzeitig schaffte er es jederzeit, seine Fußballer abzuschirmen und die Dominanz auf dem Platz immer weiter fortzusetzen.
Warum also jetzt? Und wie kommt man nun aus der Situation raus? Dafür muss der Trainer Antworten liefern, und zwar schon in dieser Woche. Nach dem Feyenoord-Spiel steht am Sonntag schließlich ein Besuch in Anfield beim Tabellenführer FC Liverpool an. Sollte man dort verlieren, würde der Rückstand auf Platz eins auf elf Punkte wachsen. Wie Guardiola auch selbst zugab, könnte man die Hoffnungen auf einen siebten Titel in acht Jahren dann langsam begraben.
Unter Guardiola musste City bereits öfter eine erhebliche Aufholjagd im Titelrennen hinlegen. Im Triple-Jahr 2023 lag man zwischenzeitlich acht Punkte hinter Arsenal. Sowohl 2019 als auch 2021 betrug der Rückstand auf Liverpool zwischenzeitlich jeweils sieben Punkte. Meister wurden sie trotzdem - oft auch souverän. Doch elf Punkte hat man noch nie aufgeholt. Auch das wäre etwas ganz Neues.
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