Sport: Krise im Kopf
Miroslav Klose verfehlt das Tor – auch weil er nicht weiß, ob er in Bremen bleiben soll oder nicht
Stand:
Schon das Schonprogramm war ihm zu viel. Miroslav Klose hat gestern nicht einmal das lockere Abschlusstraining durchgehalten. Eine halbe Stunde Kreisspiel, dann machte der 28-Jährige vorzeitig Schluss. Die von Werder Bremens Trainer Thomas Schaaf verordneten Sprints ersparte er sich und trabte zum Entsetzen der Trainingskiebitze vorzeitig in die Kabine. Offizielle Version: leichte Rückenprobleme. „Ich denke, für das Bayern-Spiel besteht keine Gefahr“, sagte Klose später. Auch Schaaf redete nur von „kleinen Wehwehchen“. Ausgerechnet heute im Bundesliga-Spitzenspiel beim FC Bayern München (17 Uhr, live bei Arena) will Bremen nicht auf den besten Torschützen verzichten – auch wenn er derzeit nicht mehr trifft.
In 95 Länder wird heute die Partie übertragen. Klose kann von Glück sagen, dass seine dramatisch schwache Partie bei Celta Vigo nicht annähernd eine solche Verbreitung fand. Doch die besorgniserregende Verfassung des WM-Torschützenkönigs wird zum Dauerthema. Seine Körpersprache erschreckt: hängender Kopf, schlaffe Schultern. Wie ein Anfänger hatte er in Galicien die Bälle verstolpert, wie ein Unbeteiligter schlich er über den Rasen – Schaaf wechselte ihn gegen den späteren Torschützen Hugo Almeida aus, „um Druck und Bewegung“ zu erzeugen, wie er sagte. Dass Klose konstatierte, er habe sich gut bewegt, war schon lächerlich.
Was hemmt ihn wirklich? Ist es die ungewisse Vertragssituation oder die nach einer Blutuntersuchung diagnostizierte und mit Antibiotika behandelte bakterielle Infektion? Zu physischen Problemen kommen offenbar psychische hinzu. Denn Klose, der einen Wechsel zu einem „der vier, fünf Topvereine Europas“ angekündigt hatte, ist innerlich zerrissen. Der avisierte Auslandswechsel mag der letzte Schritt in der Karriere sein, doch bestehen private Vorbehalte. Ehefrau Sylwia, die Klose einst im Fanshop des 1. FC Kaiserslautern kennengelernt hatte, fühlt sich im Bremen wohl. Mit ihren zweijährigen Zwillingen bewohnt die Familie ein Haus im idyllischen Stadtteil Lesum. Kloses Frau macht keinen Hehl daraus, dass das so bleiben soll. „Er weiß nicht, was er will“, sagt ein Mitspieler, der nicht genannt werden möchte. Und Clemens Fritz sagte im NDR: „Miro denkt zu viel nach – das ist sein Problem.“
Sein Freund und Berater Alexander Schütt trägt seit Wochen nichts Erhellendes zur vertrackten Gemengelage bei. Verbrieft ist, dass Klose das Angebot vorliegt, in Bremen über 2008 hinaus zu verlängern. Der Vier-Jahres-Kontrakt würde ihm fast vier Millionen Euro jährlich einbringen. Ein Ultimatum setzt ihm Werders Geschäftsführung nicht, obgleich Sportchef Klaus Allofs eine zeitnahe Entscheidung will. Vergangenen Sommer lag ein Angebot von Newcastle United und eine Anfrage von Manchester United vor, nun gibt es dem Vernehmen nach nur Interesse von Juventus Turin. Wollen ihn Topklubs wie Chelsea, Barcelona, Milan, Real oder Arsenal nicht?
Vor der Ostkurve des Weserstadions hängt ein großes Klose-Plakat: „Redet nicht viel – lässt Tore sprechen.“ Das stimmt längst nicht mehr: In der Rückrunde hat Klose nur einmal getroffen. In der Europapokal-Statistik datiert das letzte Tor vom 7. Dezember 2005 – das 4:1 beim 5:1 gegen Panathinaikos Athen.
Der Vereinsführung ist die Debatte um Kloses Krise nicht recht. Trainer Schaaf findet das Zählen torloser Minuten widerlich, Sportchef Allofs kritisiert die Öffentlichkeit: „Bei Miro wird jede Bewegung gedeutet.“ Doch auch Allofs weiß, dass nur neue Tore helfen. „Ich wäre froh, wenn wir endlich über ein Tor von Miro reden. Das würde der Mannschaft helfen, und das würde Miro gut tun.“ Wenn es doch nur so einfach wäre.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: