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Fast erstklassig. Herthas Raffael traf gegen den Karlsruher SC drei Mal.

© dpa

Hertha BSC: Kür der Tore

Hertha BSC stellt inzwischen den erfolgreichsten Angriff der Zweiten Liga - und hat jetzt schon mehr Tore erzielt als in der ganzen Abstiegssaison.

Am Sonntagnachmittag ist Markus Babbel gefragt worden, ob denn diese zweite Halbzeit in Karlsruhe die beste gewesen sei in den nun acht Monaten seines Wirkens als Cheftrainer von Hertha BSC. Babbel hat den Reporter ein wenig irritiert angeguckt und den Kopf geschüttelt. „Natürlich nicht, das haben wir schon mal besser hinbekommen.“ Fußball sei ein komplexes Spiel und bestehe nicht nur aus Toreschießen, was seine Mannschaft an diesem Sonntag beim 6:2 im Karlsruher Wildpark zugegebenermaßen mit einiger Meisterschaft inszeniert habe. In der Zweiten Bundesliga aber macht dieser simple Faktor eines komplexen Spiels schon mal den Unterschied. „Die haben uns einfach abgeschossen“, sagte Karlsruhes Verteidiger Matthias Langkamp.

Es ist in diesen Tagen, zwischen der Blamage im Derby gegen den 1. FC Union und dem Rausch von Karlsruhe, ein bisschen untergegangen, dass Hertha BSC mittlerweile über den besten Angriff der zweiten Liga verfügt. 42 Tore in 22 Spielen – das sind jetzt schon acht mehr als in der gesamten vergangenen Saison. Eine Statistik zum Einrahmen, sie fügt sich nur so überhaupt nicht in das Tableau der ligaweit besten Schützen. Führend sind hier die Herren Benjamin Auer, Nils Petersen (beide 14 Tore) und Sascha Mölders (12). Herthas erfolgreichste Angreifer, Adrian Ramos und Raffael, teilen sich mit je acht Toren Platz sieben.

Statistik ist eine Wissenschaft, deren Wert sich oft erst auf den zweiten Blick erschließt. Erfolgreicher Angriffsfußball besteht in der Tat nicht nur aus Toren, sie stehen vielmehr am Schluss einer Aktionskette. „Entscheidend ist die Unterstützung der Mannschaft“, sagt Markus Babbel und dass spektakuläre Kunst im Abschluss nur möglich sei durch harte Arbeit in der Vorbereitung. Für die Effizienz eines Stürmers ist die Anzahl der Vorlagen mindestens genauso entscheidend wie die der erzielten Tore.

Im konkreten Fall kommen die führenden Zweitligaschützen Auer, Petersen und Mölders zusammen auf so viele Vorlagen wie Herthas Raffael ganz allein, nämlich fünf. Adrian Ramos hatte sogar bei neun Berliner Toren den Fuß im Spiel und dabei sind nur jene mitgezählt, die ihn als unmittelbaren Vorlagengeber auszeichnen. Nicht also jenes stilbildende 3:1, das der Kolumbianer am Sonntag so kunstvoll einleitete, wie es außer ihm in der Liga wohl nur noch sein brasilianischer Teamkollege Raffael kann. Im eigenen Strafraum fing Ramos eine hohe Karlsruher Flanke ab. Er schlug den Ball keinesfalls blind nach vorn, sondern ließ ihn auf den Fuß tropfen, nahm Tempo auf, schüttelte den ersten Karlsruher ab, umkurvte den zweiten und bediente mit perfektem Diagonalpass Patrick Ebert, der sich für sein Zuspiel auf Raffael den Vorlagenpunkt abholen durfte.

In Karlsruhe stimmten beide relevanten Statistiken. Ramos schoss zwei Tore und bereitete eines vor, Raffael schaffte im vierten Jahr bei Hertha seinen ersten Hattrick. Dreimal in einem Spiel hatte er zuletzt vor ein paar Jahren beim Schweizer Zweitligisten Chiasso getroffen, „aber ich weiß gar nicht mehr, ob ich damals alle Tore in einer Halbzeit geschossen habe“.

Da Raffaels jüngerer Bruder Ronny das finale sechste Tor beisteuerte, war schnell die Rede von der südamerikanischen Dominanz, ohne die Herthas Position an der Tabellenspitze schwer vorstellbar sei. Das ist zum einen richtig und zum anderen doch zu kurz gedacht. Raffael, Ramos und Ronny machten den Unterschied auf dem Spielberichtsbogen, aber ermöglicht wurde die Wende nach denkbar bescheidener erster Halbzeit durch eine emotionale Diskussion in der Kabine, wo Herthas Latinos eine eher untergeordnete Rolle spielen. Deswegen konnte der Berliner Trainer auch nichts anfangen mit der These, das im Vergleich zum eisigen Berlin milde Klima im Südwesten habe die Südamerikaner inspiriert und sei damit verantwortlich für den höchsten Auswärtssieg dieser Saison. „Wir haben ja auch noch ein paar Europäer in der Mannschaft“, sagte Markus Babbel, „und die hatten bei dem warmen Wetter erst mal schwere Beine!“

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