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Sport: Locker bleiben

Sven Hannawald hat nur noch eine Minimalchance, den Tourneesieg von Janne Ahonen zu verhindern

Innsbruck. Bevor er sich auf der Bergiselschanze zum entscheidenden Sprung fertig machte, blickte Janne Ahonen noch einmal kurz auf eine Wand aus grauem Spritzbeton. Ein freundlicher Helfer hatte neben der Anlaufspur eine gelbe Liste mit den Ergebnissen des ersten Durchgangs an die Wand geklebt, und der Finne las sich noch schnell die Platzierungen durch. Ganz oben stand hinter der größten Weite des ersten Durchganges sein Name: 122 Meter, Janne Ahonen. Ein Anblick, an den sich der 25-Jährige bei der Vierschanzentournee gewöhnen muss.

Als Janne Ahonen nach seinem Sprung vor 22 000 Zuschauern durch den Auslauf der Bergiselschanze rutschte, beugte er nur kurz das rechte Knie wie ein Fechter beim Ausfallschritt. Das ist seine Art zu jubeln. Durch den zweiten Sprung auf 115,5 Meter hatte der schweigsame Finne (siehe Interview) seinen ersten Platz in Innsbruck behauptet. Besser noch. Der Finne gewann nicht nur das dritte Springen der Vierschanzentournee mit 227,5 Punkten vor den beiden Österreichern Florian Liegl (218,7) und Martin Höllwarth (216,6). Er steht auch vor dem Gewinn der diesjährigen Vierschanzentournee. Der österreichische Sportdirektor Toni Innauer sagte: „Er muss jetzt selber einen Fehler machen, sonst wird es schwer.“ In der Gesamtwertung führt der Finne mit 26,7 Punkten vor Sven Hannawald. Umgerechnet beträgt dessen Rückstand vor dem abschließenden Springen am Montag in Bischofshofen 15 Meter. Das ist ein gewaltiger Vorsprung. „Janne hat sich peu à peu nach vorne geschoben“, sagte Hannawald.

Ihm selbst ist das gestern auch gelungen. Nach einem verpatzten ersten Sprung, als Hannawald bereits nach 114 Metern landete und nur Rang 13 belegte, schob er sich mit dem weitesten Satz des zweiten Durchgangs (117,5 Meter) noch auf Rang vier vor. „Ich habe beim ersten Sprung einen entscheidenden Fehler gemacht“, sagte Hannawald, „da fehlte mir die Lockerheit.“ Trotzdem war der 28-Jährige erneut bester Deutscher, Martin Schmitt sprang auf Rang neun und war damit zufrieden. Michael Uhrmann landete auf Platz 18, Georg Späth belegte Platz 23.

„Ich kann jetzt erst richtig einschätzen, was ich im vergangenen Jahr geleistet habe“, sagte Hannawald. „Da gehört auch viel Glück dazu.“ Vor einem Jahr hatte er als erster Springer bei der Vierschanzentournee auf allen vier Schanzen gewonnen. An sich selbst bemerkte er im Vergleich zum Vorjahr einen entscheidenden Unterschied. „Die Lockerheit fehlt.“ Bundestrainer Reinhard Heß sagte: „Der Sven wollte zu viel, er ist im ersten Sprung zu sehr auf Angriff gegangen.“ Auch an Routine mangelt es ihm ein wenig, wegen einer Knieoperation hatte Hannawald im Sommer lange pausieren müssen.

Seinen Fehler beim ersten Sprung, der ihn eine bessere Platzierung kostete, erklärte er so: „Der eine Ski war noch nicht da, da musste ich ein bisschen warten.“ Als er schließlich in der Luft lag, hatte er zwar alle seine Skier beisammen, für einen guten Sprung reichte es jedoch nicht mehr. Zu verdreht lag er mit dem Oberkörper in der Luft. Es dürfte dieser Sprung gewesen sein, mit dem er den Tourneesieg endgültig verloren hat. „Sven hat mir auf dem Podest gratuliert und gesagt, dass er heute keine Chance gegen mich hatte“, erzählte Ahonen.

In Bischofshofen, wo bereits heute die Qualifikation gesprungen wird (13.45 Uhr, live auf RTL), möchte Hannawald sein Teil dazu tun, die geringe Chance auf den Gesamtsieg doch noch zu nutzen. In seinem etwas eigentümlichen Jargon klingt das so: „Vielleicht kann ich in Bischofshofen noch einmal zwei Granaten raushauen.“ Der Sturz von Garmisch-Partenkirchen hatte keine Auswirkungen mehr. Eine Schuhrandprellung an der Wade hatte Hannawald erlitten, doch diese Verletzung war beim gestrigen Springen zu vernachlässigen. „Die Wade ist kein Problem“, sagte Hannawald.

Immerhin ein paar Zuschauer hatten ihren Spaß mit der Verletzung. „Martin, dürfen wir deine Wade massieren?“, war auf einem Plakat zu lesen, das sich an Hannanwalds Teamkollegen richtete. Vielleicht wäre das gar nicht so schlecht, denn das Springen von Bischofshofen verspricht nicht mehr viel Linderung für Martin Schmitt und das deutsche Team. Es droht seine Ziele für die Vierschanzentournee zu verfehlen. Drei Mann sollten unter die besten 15 in der Gesamtwertung springen, doch das gelang bislang nur Hannawald. Michael Uhrmann (16. Platz), Georg Späth (18. Platz) und Martin Schmitt (21. Platz) liegen weit hinter der Spitzengruppe. Und an eine Wiederholung des Vorjahressieges durch Sven Hannawald glaubt selbst der Bundestrainer nicht mehr so richtig. „Nun ist vieles möglich“, sagte Reinhard Heß, „aber der Janne ist eigentlich durch."

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