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Nationalmannschaft: Löw setzt auf Konkurrenzkampf

Namen zählen nicht mehr, niemand gilt mehr als unantastbar. Das musste zuletzt Torsten Frings erfahren, der gegen Russland nicht zur Startelf gehörte. Andere werden folgen.

Von Torsten Frings ist bekannt, dass er ein widerspenstiger Kerl sein kann auf dem Fußballplatz. Der Bremer, kräftig im Willen und an Statur, scheut keinen Zweikampf mit der Gegnerschaft und kennt keine Kompromisse: ich oder du, lautet seine Maxime. Frings ist ein Abräumer im besten Wortsinne. Seit Jahren gilt er als eine der Stützen im deutschen Team, zusammen mit Anführer Michael Ballack bildete er das strategische und – wenn man so will – das Meinung machende Zentrum der Nationalmannschaft.

Man kann sich vorstellen wie es in Torsten Frings aussieht, seit bekannt wurde, dass er nicht mehr zur Startelf gehört. Gegen Russland spielte Thomas Hitzlsperger auf seiner Position. Dass der Stuttgarter die zwischenzeitliche Abwesenheit von Frings genutzt hatte, um ein paar Ansprüche im Nationalteam zu stellen, hatte den Attackierten genervt. Es sei ja schön und gut, wenn nun auch andere in die Verantwortung drängten, „aber es müsse auch mal was kommen“, hatte Frings gesagt. Und: Es kam was. Der sechs Jahre jüngere Hitzlsperger spielte, und das nicht mal schlecht. Es ist zu früh, Frings als ein Opfer des neuen Konkurrenzkampfes zu bezeichnen, gleichwohl spürt der Bremer, dass es enger wird für ihn im deutschen Mittelfeld. Der Gegner steht ab sofort in den eigenen Reihen.

Auf dem Weg zur WM 2010 werden einige Spieler auf der Strecke bleiben

Hinter all dem steckt Joachim Löw. Der Bundestrainer spricht vom „Beginn einer neuen Periode“, in Wirklichkeit ist es mehr. Löw will zwischen der abgelaufenen EM und der kommenden WM eine Aufbruchstimmung erzeugen, das geht nicht ohne personelle Konsequenzen. Auf dem Weg zum Turnier in Südafrika wird der Bundestrainer sich von ein paar Spielern trennen müssen, bislang ist ihm das schwer gefallen. Alle stünden auf dem Prüfstand, selbst bisherige Frontfiguren. Ballack und Frings werden bei der WM 33 Jahre alt sein, sind sie dann noch die richtigen?

Der Bundestrainer weiß, dass er die Evolution der Mannschaft zu organisieren hat. Hinter ihr liegt ein Jahr, das weitgehend ohne nennenswerte Neuerungen auskam. Man kann das Erreichen des EM-Finals durchaus als Erfolg verbuchen, die Art, wie die Mannschaft seit zwölf Monaten spielt, war nicht berauschend. Bis zum Russlandspiel.

Bei der EM stellte Löw nach Namen und Verdienst auf 

Vielleicht hat es der Bundestrainer früher verpasst, Einschnitte zu machen. Bei der EM spielten Profis wie Jens Lehmann, Frings und Christoph Metzelder, die nicht im Vollbesitz ihre Kräfte waren. Die Spannung, die Löw jetzt erzeugt hat, hatte er im Sommer noch verstreichen lassen, als er Marko Marin, Jermaine Jones und Patrick Helmes, die er ins vorläufige EM-Aufgebot berufen hatte, wieder nach Hause schickte. Löw musste sich den Vorwurf gefallen lassen, bei der EM sein Team nach Namen und Verdiensten aufgestellt zu haben.

Ab sofort zähle nur noch das Leistungsprinzip, hatte Löw zu Beginn der WM-Qualifikation gesagt und sich an die Aufräumarbeiten gemacht. Er überredete Lehmann , der sich eigentlich eine Hintertür offen halten wollte, zum Rücktritt. Fast nebenbei erklärte Löw, dass Spieler wie Oliver Neuville, Gerald Asamoah und Sebastian Kehl keine Rolle mehr spielten in seinen Planungen. Dass er mit dem entfachten Konkurrenzkampf auch Konflikte schafft, sei ihm bewusst. Dass diese Entwicklung Zündstoff birgt, zeigt nun das Beispiel Kevin Kuranyis. „Es wird auch künftig immer wieder Härtefälle wie Kevin geben, die auf die Tribüne müssen“, sagt Philipp Lahm. Der Verteidiger vom FC Bayern ist der momentan Einzige im Nationalteam, der nahezu konkurrenzlos ist.

Westermann und Trochowski nutzten gegen Russland ihre Chance

Christoph Metzelder etwa wurde für die Spiele gegen Russland und am Mittwoch gegen Wales gar nicht eingeladen. Momentan ist er auch bei Real Madrid weit weg von einem Stammplatz. Seine Position in der Auswahl hat vorerst Heiko Westermann erobert. Der Verteidiger vom FC Schalke bot gegen Russland eine gute Vorstellung. Ebenso der Hamburger Piotr Trochowski, der eine Alternative auf der linken Mittelfeldseite sein kann.

Vom personellen Erneuerungswillen erfasst sind also auch Spieler, die als unantastbar galten. Löw weiß, welche Enttäuschung er Frings zugefügt hat. „Den Torsten schätze ich über alle Maßen“, sagte Löw gestern. Er habe über 80 Länderspiele bestritten und sich stets in den Dienst der Mannschaft gestellt. „Er ist nach wie vor ein sehr wichtiger Spieler für uns.“ Vielleicht nur nicht mehr für die Startelf. „Wir müssen in Deutschland von dem Gedanken wegkommen, dass man mit elf Spielern über die Jahre kommt“, sagte Löw. International sei es „völlig normal“, dass auch mal ein Star auf der Bank sitze. Der Bundestrainer brauchte etwas, um sich mit dieser neuen Realität anzufreunden. Frings ist noch dabei.

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