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Svend Brodersen ist in Japan ein Star.

© Imago/Aflosport

„Man nennt mich hier Otaku“: Wie Fußballtorwart Svend Brodersen in Japan sein Glück fand

Fußballprofis eilt der Ruf voraus, vor allem am schnellen Geld interessiert zu sein. Torwart Svend Brodersen wechselte hingegen wegen Anime und Manga nach Japan – und ist dort jetzt ein Star. 

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Auf dem Fußballtransfermarkt ist es derzeit wieder wie jedes Jahr: Bis zum „Deadline Day“, am 1. September, um 18 Uhr, wird wild gehandelt, mehrere spektakuläre Spielerwechsel dürften noch verkündet werden. Fragt man Svend Brodersen nach diesen Wirrungen des Fußballgeschäfts, grinst er nur.

Seit vier Jahren ist Brodersen Profi in Japan – und dort inzwischen ein Star. Das liegt einerseits an seinen spektakulären Paraden, mit denen er für den Erstligisten Fagiano Okayama das Tor sauber hält. Andererseits sticht „Bro“, wie er oft genannt wird, auch jenseits des Platzes heraus. Brodersen ist als Fan der japanischen Popkultur bekannt – ein Grund, warum er überhaupt nach Japan kam.

Ich bin nicht primär wegen des Fußballs gewechselt.

Svend Brodersen, Fußballprofi

„Man nennt mich hier auch Otaku“, erzählt Brodersen. Otaku heißen in Japan Personen, die Tag und Nacht so viel Anime und Manga wie möglich konsumieren, teils gedanklich in den vielfältigen Fantasiewelten leben. Brodersen liebt zum Beispiel „One Punch Man“, eine Story über einen Typen mit einem übernatürlich kräftigen Faustschlag, oder „Slam Dunk“, eine Geschichte über ein Basketballteam.

Warum das erwähnenswert ist? Weil Brodersens Liebe für Japans Popkultur ein wichtiger Grund war, warum er im Sommer 2021 den FC St. Pauli verließ. „Ich bin nicht primär wegen des Fußballs gewechselt“, sagt Brodersen heute.

Bei Olympia in Tokio war er Ersatztorwart

Damals hieß es in einem Statement von Yokohama FC, wo Brodersen zunächst anheuerte: „Meine Kindheit wurde durch Nintendo, Godzilla, Samurai, ,Fast & Furious‘ stark von der japanischen Kultur beeinflusst. Seitdem ist es mein Traum gewesen, eines Tages nach Japan zu kommen.“

Der Deal kam damals über Gespräche in der Kabine von Brodersens damaligem Klub zustande, dem Zweitligisten St. Pauli, wo er Ersatztorwart war. „Mein Vertrag lief aus, ich hätte wohl verlängern können, aber eher mit Reservistenrolle.“ So fragte er – ungeachtet anderer Möglichkeiten – seinen Kabinennachbarn aus, den Japaner Ryo Miyaichi. „Ryo gab mir ein paar Tipps.“

Als glückliche Fügung standen dann die Olympischen Spiele von Tokio 2021 bevor – im Zuge derer Svend Brodersen bereits seine am Abenteuer orientierte Einstellung zum Fußball offenbarte. Denn der DFB hatte Probleme, für das Turnier, das im Profifußball keinen hohen Stellenwert hat, einen Ersatztorwart zu finden. Viele Torhüter wollten nur dabei sein, wenn sie auch wirklich spielen würden. Als der Ex-Jugendnationaltorwart Brodersen gefragt wurde, sagte er zu.

Am Ende eines für Deutschlands Fußballer erfolglosen Turniers trat Svend Brodersen die Heimreise gar nicht wieder an, sondern blieb gleich in Japan – konzentrierte sich dort zunächst aber nicht nur auf Fußball.

Ich glaube, ich habe in Japan mein Glück gefunden.

Svend Brodersen, Fußballprofi

„Als ich 2021 ins Land kam, konnte ich ja noch kein Wort Japanisch. Aber ich habe es mir angeeignet, indem ich alle möglichen Animes auf Japanisch ansah, und bald auch Manga auf Japanisch las. Das machte Spaß, das funktionierte!“

Auch wegen dieser Kenntnisse fällt Brodersen im japanischen Fußball heute auf. Anders als andere ausländische Stars beherrscht er sogar die vielen delikaten Höflichkeitsformen, gibt Interviews auf Japanisch. Wenn er zu Medienterminen in T-Shirts beliebter Mangastorys kommt, jubelt das Land.

Als er deutschen Mannschaftskollegen den Wechsel nach Japan erklärte, hätten viele mit dem Kopf geschüttelt, erzählt er. „,Dann bist du weg vom Fenster‘, sagten viele.“ Er selbst sah das schon damals anders. Parallel zum Fußball hat Brodersen Psychologie studiert, eine neue Sprache und die japanische Kultur kennengelernt.

„Heute bin ich ein ruhigerer Typ als früher. Ich konzentriere mich weniger auf mich selbst und mehr auf meine Umwelt.“ Das helfe in der Mannschaft, aber auch im Privaten.

Auch sportlich hat er sich weiterentwickelt. Als der „Kicker“ im Juni die deutschen Auslandsprofis analysierte, wurde neben Nicolas Kühn von Celtic Glasgow nur Svend Brodersen als „herausragend“ eingestuft. Wobei man ihn in Japan eben längst nicht nur wegen seiner Paraden liebt. Svend Brodersen, der Otaku, grinst: „Ich glaube, ich habe in Japan mein Glück gefunden.“

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