
Jetzt auch die Männer: Mayer und Kohlschreiber im Viertelfinale von Wimbledon
Drei Jahre lang hatte es überhaupt kein deutscher Spieler mehr in der Männerkonkurrenz von Wimbledon ins Viertelfinale geschafft. Jetzt sind mit Florian Mayer und Philipp Kohlschreiber gleich zwei unter den besten Acht.
Das Londoner Schauerwetter vom Dienstag hätte Florian Mayer normalerweise aus dem Konzept bringen müssen. So wie es früher fast immer der Fall war. Mayer hätte gehadert, wäre nervös geworden, wäre gescheitert. Doch dieses Mal schien der 28-Jährige die Unbekümmertheit seiner Jungprofi-Tage aufleben zu lassen, als er wie zuletzt vor acht Jahren ins Viertelfinale von Wimbledon einzog.
Nachdem Mayer seinen zweiten Matchball mit einem eingesprungenen, beidhändigen Rückhandwinner verwandelte, der ihm bei seinem Debüt 2004 den Spitznamen „Grashüpfer“ von den Medien eingebracht hatte, da schien eine tonnenschwere Last von seinen Schultern abgefallen zu sein. Mayer legte sich rücklings auf den Rasen, Arme und Beine ausgestreckt, und er genoss diesen Moment, auf den er so lange hatte warten müssen. Mit 6:3, 6:1, 3:6 und 6:2 hatte er den Franzosen Richard Gasquet bezwungen, die Nummer 19 der Welt. „Das war ein absolut perfektes Match von mir“, freute sich Mayer, „das ist ein unglaubliches Gefühl, nach acht Jahren.“ Gasquet sei der klare Favorit, das hatte Mayer vorher gesagt, und „das ist auch mal gut so.“ So konnte er eigentlich nur gewinnen.
Denn wie oft schon hatte sich Mayer besonders bei den Grand Slams zu sehr unter Druck gesetzt. Gerade dort auf der wichtigsten Bühne, wo „man sich präsentieren muss“, versagten ihm regelmäßig die Nerven. Zuletzt noch vor drei Wochen in der zweiten Runde der French Open in Paris, als er gegen dem Weltranglisten-192. Eduardo Schwank unterlag. „Flo hat ein unverlierbares Match verloren“, sagte sein Trainer Tobias Summer danach, es passte zu den zahlreichen unnötigen Niederlagen seiner Karriere. Bei Mayer war vieles stets reine Kopfsache. Nach seinem Viertelfinalspurt vor acht Jahren hatte man Mayer schon eine große Zukunft prognostiziert, er wurde gar zum Aufsteiger der Saison gekürt. Doch er konnte die Erwartungen nur zum Teil erfüllen. Mayer etablierte sich zwar in den Top 50, aber der endgültige Durchbruch blieb aus. Auch weil er oft an sich zweifelte, die Karriere eigentlich schon aufgeben wollte.
„Tennis ist manchmal ein komischer Sport“, sagte Mayer nun, „so vieles hängt vom Kopf ab. Und heute bin ich endlich mal tough gewesen.“ Er spielte hervorragendes Rasentennis gegen Gasquet, hämmerte ihm 60 Winner und 14 Asse um die Ohren und seine ansatzlosen, beidhändigen Stoppbälle trieben den Franzosen zur Verzweiflung. Am Montag hatten sie ihre Partie begonnen, und auch bei ihrer Fortsetzung kam wieder eine einstündige Regenpause dazwischen. Gasquet überrumpelte ihn danach im dritten Satz ein wenig, und es stand zu befürchten, die Partie würde nun ebenso kippen, wie im letzten Herbst im Davis-Cup-Viertelfinale, als Mayer eine 2:0-Satzführung aus der Hand gab. Doch Mayer hielt dagegen, dieses Mal zweifelte er nicht. Nun wartet am Mittwoch mit Novak Djokovic der Weltranglistenerste und Titelverteidiger auf Mayer. Er sei klarer Außenseiter, meinte er, doch wolle es einfach genießen. Nach acht Jahren kehrt Mayer zurück auf den Centre Court von Wimbledon. „Im Tennis ist eben alles möglich“, sagte er.
Auch für Philipp Kohlschreiber, der mit einem souveränen 6:1, 7:6 und 6:3-Sieg über den amerikanischen Qualifikanten Brian Baker ebenso ins Viertelfinale einzog. Seit 1997 waren nicht mehr zwei deutsche Männer so weit beim wichtigsten Turnier der Welt gekommen. Für Kohlschreiber ist es der bisher größte Erfolg seiner Karriere, doch auf ihn wartet mit Jo-Wilfried Tsonga oder Mardy Fish in jedem Fall ein schwerer Gegner. Auch für Kohlschreiber ist die Pflicht abgehakt, die Kür kann kommen.