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Nachträgliche Siegerehrungen: Ruhm ohne ruhmreichen Moment
Das nachträgliche Korrigieren von Ergebnissen ist längst olympische Disziplin. Die nachgerückten Sieger nach Dopingfällen werden um ihren großen Moment betrogen.

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Besser eine absurde Siegerinnenehrung als keine wird sich die rumänische Turnerin Ana Barbosu womöglich gedacht haben. Zwölf Tage nach ihrem olympischen Wettkampf von Paris bekam sie nämlich noch Bronze, der rumänische Ministerpräsident Marcel Ciolacu überreichte ihr zudem bei der Ehrung in der Heimat einen Blumenstrauß. Die Medaille bekam Barbosu nach einem Wertungshickhack zugesprochen, die US-Amerikanerin Jordan Chiles musste dafür ihr Bronze wieder zurückgegeben.
Das nachträgliche Korrigieren von Siegerlisten ist längst olympische Disziplin. Im Regelfall allerdings geht es nicht wie bei Barbosu um Wertungsfehler, sondern um Doping: Im jüngsten aktuellen Fall können wohl bald die Ex-Biathleten Erik Lesser, Daniel Böhm, Arnd Peiffer und Simon Schempp über Staffel-Gold jubeln. Zehn Jahre nach den Winterspielen von Sotschi ist der Protest des Russen Jewgeni Ustjugow gegen seine Dopingsperre sowie die Annullierung seiner Wettkampfergebnisse, darunter auch die von 2014, abgelehnt worden, womit die russische Staffel ihr Gold nachträglich verlieren sollte.
Von Gold auf null, Jahre später. Kennen wir auch aus anderen Sportarten, sicher. Die Tour-de-France-Sieger Oscar Pereira (Spanien) und Andy Schleck (Luxemburg) haben die Frankreich-Rundfahrt nicht auf dem Asphalt gewonnen, sondern weil die Sieger gedopt waren.
Das 1500-Meter-Rennen von London war die größte Farce in der olympischen Geschichte
Aber Barbosu, Peiffer und Co, die Tour – das sind alles kleine Fälle verglichen mit dem, was das 1500-Meter-Finale der Frauen in London nach sich zog. Dieses Rennen von den Sommerspielen 2012 hat sich Gold verdient in der Kategorie nachträgliches Medaillengeschiebe. Auf der Bahn in London triumphierte Alsi Cakir Alpetkin. Sie verlor den Titel 2017 wegen Dopings und bekam eine lebenslange Sperre. Ihre türkische Landsfrau Gamze Bulut bekam als aufgerückte Zweite dann Gold – und musste, klar Doping, im selben Jahr 2017 die Medaille zurückgeben.
Die Emotionen eines Staffelsieges bei Olympia, was noch mal etwas ganz Besonderes ist, bekommen wir aber nicht wieder. Unrecht kann man nicht ungeschehen machen, weil immer ein bisschen was hängenbleibt.
Arnd Peiffer, der nun Olympia-Gold nachgereicht bekommen könnte
Die eigentliche Dritte, Maryam Yusuf Jamal (Bahrain) bekam nachträglich Gold. Silber ging an die Vierte Tatjana Tomaschowa, die in London nicht mal auf dem Treppchen gestanden hatte. Zwölf Jahre später, vor wenigen Tagen, musste die Russin das Olympia-Silber von London nun wieder abgeben – wegen gleich mehrerer Doping-Vergehen.
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In den olympischen 1500-Meter-Rennen von 2012 wurden bis jetzt neun Läuferinnen, darunter fünf Finalistinnen, wegen Vergehen gegen die Dopingbestimmungen disqualifiziert. Dieser Wettbewerb war somit einer der am stärksten durch Dopingvergehen belasteten Leichtathletik-Wettbewerbe in der olympischen Geschichte. Und mal sehen, vielleicht sind ja noch andere Läuferinnen betroffen, sieben Finalistinnen – Stand jetzt – waren sauber. Hoffentlich bleibt es dabei, nicht, dass irgendwann nicht genug Siegerinnen für die drei Medaillen übrig sind.
Lustig ist das aber alles nicht, denn letztlich werden oder wurden bei so einer Farce die nachträglichen Sieger:innen um ihren großen Moment betrogen. Wie sagte Arnd Peiffer nun zu seinem wahrscheinlichen nachträglichen Goldmedaillengewinn, zehn Jahre nach Sotschi: „Die Emotionen eines Staffelsieges bei Olympia, was noch mal etwas ganz Besonderes ist, bekommen wir aber nicht wieder. Unrecht kann man nicht ungeschehen machen, weil immer ein bisschen was hängenbleibt.“
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