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Deutschlands Florian Wirtz (l.) und Bosnien-Herzegowinas Armin Gigovic im Kampf um den Ball.

© dpa/Christian Charisius

Nagelsmann hat „gierige Mannschaft“ geformt: Das DFB-Team muss keine tief stehenden Gegner mehr fürchten

Schon bei der EM überzeugte das DFB-Team mit viel Offensivpower. Dennoch waren Nagelsmann und sein Trainerteam nicht vollends zufrieden mit der Variabilität. Das war beim Sieg gegen Bosnien anders.

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Dass ein Trainer sich bei einem früh entschiedenen Spiel dazu entschließt, mehrere Wechsel vorzunehmen, ist nicht unüblich. In den meisten Fällen leidet allerdings die fußballerische Qualität darunter. Die Spieler müssen sich erst hineinfinden und sind vielleicht nicht ganz so eingespielt wie die Stammelf.

Als Julian Nagelsmann, Bundestrainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, am Samstagabend beim Stand von 5:0 nach knapp sechzig Minuten gleich viermal wechselte, tat diese Rotation der Leistung Deutschlands gegen Bosnien-Herzegowina in der Nations League allerdings keinen Abbruch.

Umso glücklicher war Nagelsmann nach dem 7:0-Sieg: „Ich bin sehr zufrieden mit allen, den Spielern, die von Beginn an gespielt haben, aber auch den Spielern, die reinkamen“, sagte der 37-Jährige. „Ich finde schon, dass so eine gierige Mannschaft nicht selbstverständlich ist im November nach so vielen Spielen.“

Ich finde schon, dass so eine gierige Mannschaft nicht selbstverständlich ist im November nach so vielen Spielen.

Julian Nagelsmann, Bundestrainer

Das DFB-Team strahlte in Freiburg viel Spielfreude aus und blieb über 90 Minuten lang hoch konzentriert. Als nach einer knappen Stunde die Torschützen Jamal Musiala und Florian Wirtz ausgewechselt wurden, ebenso wie Maximilian Mittelstädt und Robert Andrich, machten Serge Gnabry, Leroy Sané, Benjamin Henrichs und Felix Nmecha dort weiter, wo ihre Kollegen aufgehört hatten. „Es steht 5:0 und wir bringen vier Spieler und alle vier geben Vollgas, das ist ein sehr guter Schritt“, sagte Nagelsmann.

Ein Gefühl, das auch Tim Kleindienst nach seinen Premieren-Toren teilte. „Jeder hat Bock, jeder hat Lust, geht ans Limit. Das ist schon schön zu sehen, dass das so aufgeht.“

Das deutsche Offensivspiel war bei der EM nicht variabel genug

Das Spiel gegen Bosnien-Herzegowina, in dem es auf dem Papier nur noch um den Gruppensieg in der Nations League ging, zeigte den guten Charakter der aktuellen Nationalelf, die sich auch bei einer deutlichen Führung nicht zufriedengibt und immer weiter auf das gegnerische Tor spielt.

Angeführt von Musiala und Wirtz, die vor Leichtigkeit nur so strotzten. „Heute hat es sehr viel Spaß gemacht“, sagte Wirtz, der am Samstag gleich zweimal traf, einmal per direktem Freistoß. „Wir haben nicht nachgelassen, immer weiter Gas gegeben und unsere Qualitäten auf den Platz bekommen.“

Viele Mannschaften verteidigen tief gegen uns und da ist es wichtig, dass wir auch Tore erzielen aus Standards, aus Ballgewinnen, aber eben auch aus Ballbesitzphasen.

Julian Nagelsmann, Bundestrainer

Nagelsmann und das deutsche Team können auch mit der Art und Weise der erzielten Tore zufrieden sein, denn diese war sehr unterschiedlich. „Viele Mannschaften verteidigen tief gegen uns und da ist es wichtig, dass wir auch Tore erzielen aus Standards, aus Ballgewinnen, aber eben auch aus Ballbesitzphasen“, sagte der Bundestrainer. Die Variabilität im Angriff sei in der Analyse der Heim-EM als Verbesserungspunkt herausgearbeitet worden.

Ein Grund für das dominante Spiel der deutschen Fußballer war auch das intensive Gegenpressing. Bei der unter Nagelsmann manchmal doch sehr risikoreichen Positionierung – die Außenverteidiger stehen teilweise gegen den Ball am gegnerischen Sechzehner – ist ein gutes und erfolgreiches Gegenpressing essenziell.

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Torchance hatte Bosnien-Herzegowina im gesamten Spiel.

Funktioniert es, ergeben sich hohe Ballgewinne und meistens aussichtsreiche Torchancen. Klappt es nicht, kann es zu gefährlichen Kontern des Gegners kommen. Angetrieben von den lauten Rufen Nagelsmanns an der Seitenlinie ging der Matchplan gegen Bosnien-Herzegowina dahingehend auf. Nur ein einziges Mal kam die Mannschaft vom bosnischen Trainer Sergej Barbarez gefährlich vor das Tor. Oliver Baumann war Sekunden vor der Halbzeit aber zur Stelle.

Auch die Innenverteidiger sollen sich nach vorne mit einschalten

Auch in der Defensive zeigte die deutsche Mannschaft einen seriösen Auftritt. Jonathan Tah und Antonio Rüdiger, die im Spielaufbau vom starken Robert Andrich unterstützt wurden, präsentierten sich wach in den Zweikämpfen und kreativ im Spiel nach vorne.

Die passgenaue Vorlage von Rüdiger vor dem zweiten Treffer von Tim Kleindienst in der 79. Minute war dafür ein Musterbeispiel. „Wir haben den Ball gut laufen lassen, immer schnell wiederbekommen, wenn wir ihn verloren haben und deswegen können wir sehr zufrieden sein“, fasste es Florian Wirtz zusammen.

Über die gesamte Spielzeit strahlte das deutsche Team einen großen Siegeswillen und viel Ehrgeiz aus. Von weniger Motivation aufgrund des bislang unbeliebten Wettbewerbs Nations League oder der hohen Belastung so kurz vor der Winterpause keine Spur.

„Es geht nicht immer darum, dass alles super funktioniert oder jeder Pass perfekt ist, sondern darum, diese Gier zu spüren, dass man gewinnen möchte. Jeder, der verlieren kann, wird nie ein richtiger Gewinner sein“, sagte Nagelsmann. Sein Team habe diese Mentalität über die gesamte Spieldauer ausgestrahlt.

Und so dürfte sich trotz angekündigter Rotation auch Ungarn nicht auf den kommenden Gegner am Dienstag in Budapest (20.45 Uhr, ZDF) freuen. „Wir werden da wieder eine gute Mischung finden, aber sicherlich auch frische Kräfte einbringen, sodass wir weiter an unserem Rhythmus arbeiten.“

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