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Deniz Undav erlebte schon bessere Zeiten auf dem Rasen als zuletzt.

© imago/Eibner

Nationalspieler Deniz Undav im freien Fall: Erkaltete Liebe beim VfB Stuttgart

Vor wenigen Monaten war Deniz Undav noch der Liebling der VfB-Fans. Inzwischen wird Stimmung gegen ihn gemacht – teils unter der Gürtellinie. 

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Deniz Undav konnte am Sonntagabend nur noch grinsen und das ganze Schlamassel mit Galgenhumor ertragen. Soeben hatte sein Klub, der VfB Stuttgart, durch ein Eigentor gegen Leverkusen das 3:3 kassiert.

Der Angreifer Undav arbeitete kurz darauf fleißig in der Defensive mit, wollte verhindern, dass aus dem Remis noch eine Niederlage wird. Doch der Ball prallte unglücklich von seinem Körper ins Aus – Einwurf für Leverkusen.

Ein paar Minuten später sollte es für ihn und den VfB noch schlimmer kommen: Leverkusens Angreifer Patrik Schick erzielte kurz vor Abpfiff das 4:3 für Bayer.

Beim VfB Stuttgart läuft in diesen Wochen vieles schief – und bei seinem Angreifer Deniz Undav fast alles. Seit rund 500 Minuten ist der Stürmer in der Liga ohne Torerfolg. Und wenn er mal trifft, wie zuletzt beim 1:0-Pokalerfolg gegen den FC Augsburg, muss er selbst zugeben: „Ich habe heute Scheiße gespielt.“

Als er diesen selbstkritischen Satz Anfang Februar sagte, wurde er einmal mehr von den VfB-Fans gefeiert. Sie lieben Deniz Undav für seine Offenheit und Ehrlichkeit. Inzwischen aber muss man sagen: Sie liebten ihn.

18
Tore erzielte Deniz Undav in der vergangenen Saison.

Fußball und Liebe sind ohnehin häufig schnelllebig. Eine kleine Zeitreise zurück in den Sommer 2024: Undav hat beim VfB Stuttgart eine überragende Saison gespielt. Er erzielte 18 Tore und bereitete 10 weitere vor. Damit hatte er wesentlichen Anteil daran, dass sich die Stuttgarter als Tabellenzweiter direkt für die Champions League qualifizierten. Im Moment, nach dem 26. Spieltag, steht er bei sieben Treffern.

Undav fiel in der vergangenen Saison nicht nur durch seine Leistungen auf dem Platz auf. Er redet gerne und viel – sei es in Interviews direkt nach dem Spiel oder in diversen YouTube-Formaten. Vor allem aber: Undav redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist.

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Er berichtet ausführlich von seiner Vorliebe für Burger und Döner und davon, wie er immer wieder mit den Ernährungsberatern der Klubs aneinandergeraten war. Auch sein früherer Trainer beim TSV Havelse, Alexander Kiene, verrät dem Tagesspiegel, was kein Geheimnis ist: dass Undavs Profikarriere in jüngeren Jahren womöglich an seiner nicht ganz so asketischen Lebensweise scheiterte.

Undav ist außer Form

Undav ist definitiv ein etwas anderer Profi – und kokettiert damit. Nicht nur die Fans in Stuttgart schließen ihn ins Herz, auch bundesweit gewinnt er viele Sympathien. Bei der Heim-EM bekommt der Stürmer zwar nur wenige Spielminuten, doch er geriert sich als eine Art Spaßvogel des Teams. Er sorgt für gute Stimmung – und ist irgendwie immer ein Thema.

Nun, ein gutes halbes Jahr später, ist Undav wieder ein großes Thema – allerdings, weil er komplett außer Form ist.

Seit seiner Oberschenkelverletzung im November wirkt der 28-Jährige nicht austrainiert. Er war zwar noch nie der Schnellste, kompensierte dies aber mit seinem Instinkt und seiner spielerischen Intelligenz. Doch auch sein unorthodoxes Spiel erfordert eine gewisse körperliche Grundfitness.

Sein Trainer Sebastian Hoeneß hielt in den vergangenen Wochen trotz der Defizite an ihm fest. Hoeneß schätzt Undavs Einfallsreichtum im Spiel. Selbst wenn er körperlich nicht auf der Höhe ist, so die Hoffnung des Trainers, kann er den Unterschied ausmachen. Doch in den vergangenen Wochen passierte das nicht. Am Sonntag gegen Leverkusen spielte der kernige – und im Vergleich zu Undav fußballerisch weniger talentierte – Kämpfer Ermedin Demirović anstelle des deutschen Nationalspielers.

Seine Liebe zu Döner fällt ihm auf die Füße

Nun fallen Undav in Fankreisen seine früheren Sprüche über seine Liebe zu Döner und Burgern auf die Füße. In den Foren ist bereits eine Art Fatshaming gegen ihn zu beobachten. „Undav sollte mehr trainieren, statt zu schwätzen“, kommentierte etwa ein User einen Artikel im VfB-Blog „Vertikalpass“. „Das ist nett, wenn es läuft. Aber wenn er so lustlos ohne Körpersprache über das Feld trabt, kommen Döner und Kinderschokoladen-Werbung halt nicht so gut an.“

Das trifft die Stimmung vieler Fans des schwäbischen Traditionsklubs ganz gut. In Stuttgart haben sie den Hype um Undav genossen. Doch jetzt, wo seine Tore ausbleiben, wirkt die Koketterie mit dem „schlampigen Profi“ unangebracht.

Zumal Undav das höchste Gehalt im Kader beziehen soll – und in der Gunst der Fans ein anderer VfB-Profi längst viel höher steht: Nick Woltemade. Der 23-Jährige ist seit Wochen die beste Offensivkraft der Stuttgarter. Woltemade ist zwei Meter groß und trotz seiner Größe ein extrem feingliedriger Spieler. Er kann Bälle halten, verfügt über eine glänzende Übersicht und wird vor dem Tor immer sicherer. Hinzu kommt: Auch er formuliert keine inhaltslosen Phrasen. Seine Leidenschaft für den Fußball und den VfB nimmt man ihm ab.

Während die Stuttgarter einen neuen Helden feiern, ist Undav zum Sorgenkind und Sündenbock beim VfB geworden. Immerhin: Bundestrainer Julian Nagelsmann ist nach wie vor von Undavs Qualitäten überzeugt. Er nominierte ihn für die anstehenden Spiele in der Nations League gegen Italien – garnierte die Nominierung allerdings mit einer Forderung: „Er muss schon wieder Schritte gehen, um an sein Leistungs-Peak zu kommen.“

Tut er das nicht, könnte Nagelsmann vielleicht bald schon beim VfB nach einem Ersatz für Undav fündig werden.

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