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„Nerv mich nicht. Was soll der Schwachsinn?“: Stuttgarts Deniz Undav will doch nur feiern
Die Spieler vom VfB Stuttgart sind berauscht vom Pokalsieg. Stürmer Deniz Undav ärgert sich lediglich über strenge Sicherheitsregeln und fühlt sich gegängelt.
Stand:
War das eine Karikatur, die kleinere Version der britischen Komikerfigur Ali G? Ein bisschen hatte es den Anschein. Deniz Undav stolzierte mit einer außerordentlich großen Silberkette um den Hals und einem riesigen Pokal in den Händen zu später Stunde durch den Bauch des Berliner Olympiastadions.
Sein Mannschaftskollege Jeff Chabot stand ein paar Meter neben ihm und sagte, dass er heute trinken werde. „Mir ist egal, was. Also ich trinke alles, was mir in die Hand gedrückt wird.“
Prompt bekam aber nicht Chabot, sondern Undav von lokalpatriotischen Reportern aus Stuttgart ein Schnäpschen gereicht. „Ein Klopferle“, wie einer sagte. Undav klopfte die kleine Flasche nicht – wie man das mitunter macht – an die Wand. Viel zu umständlich. Er kippte den süßen Schnaps blitzschnell in sich hinein. „Danke, Jungs, habt noch einen schönen Abend.“
Dann lief er mit Kette und Pokal weiter, raus in Richtung Mannschaftsbus. Er nehme den Pokal jetzt mit und packe später seine kleine Tochter hinein, sagte er noch. „Für ein paar Bilder.“
Es wartete mutmaßlich noch eine lange Nacht auf ihn, mit ein paar gereichten alkoholischen Getränken. Es gab auch viel zu feiern. Der VfB Stuttgart gewann am Samstag nach dem 4:2 (3:0) gegen den Noch-Drittligisten Arminia Bielefeld den DFB-Pokal, der erste Titel für die Schwaben seit der Meisterschaft im Jahr 2007.
Deniz Undav steht wie kein anderer Spieler stellvertretend für die abgelaufene Spielzeit des VfB Stuttgart. Der Angreifer hatte gerade zu Beginn der Spielzeit ein paar glanzvolle Auftritte. Im Herbst war er einer der besten Spieler bei der knappen Niederlage im Santiago Bernabéu in Madrid. In der Liga bereicherte er das Offensivspiel mit seiner Kreativität.

© Martin Einsiedler
Aber so sollte es nicht weitergehen. Undav verletzte sich, und als er zurückkam, wollte er partout nicht zu alter Form finden.
Undav wurde sogar von der eigenen Fanbase leicht angefeindet. Die störten sich plötzlich an seinen Klunkern um den Hals, an dem silbernen Rolls Royce, den er sich angeschafft hatte. Vor allem aber daran, dass einer der teuersten Spieler im Kader das Tor nicht mehr treffen wollte. Außerdem, so wurde getuschelt, trage er inzwischen doch ein paar Kilo zu viel mit sich herum.
Sein Formtief korrespondierte mit dem seiner Mannschaft. Der VfB schied nach ein paar hübschen Spielen zu Beginn etwas überraschend in der Gruppenphase der Champions League aus. In der Liga rutschte das Team kontinuierlich ab.
VfB rettete mit Pokalsieg die durchwachsene Saison
In der Schlussphase der Saison wendete sich aber alles zum Guten – beim VfB wie bei Undav. Mit dem Pokalsieg hat sich der Verein für die Europa League qualifiziert, die Saison ist gerettet. Und Undav? Der trumpfte in den vergangenen Wochen wieder auf, zeigte das ganze Repertoire seines Spiels, seine Technik, sein Spielverständnis und seine Gabe, immer für Torgefahr zu sorgen.
Im Pokalfinale gegen Bielefeld bereitete er einen Treffer vor und erzielte einen selbst. Er war der beste Spieler auf dem Platz. Er habe nie gedacht, mal so einen Pokal in den Händen halten zu können, sagte er.
Zur Erinnerung: Vor wenigen Jahren spielte der Stürmer noch in der zweiten belgischen Liga – in einem Alter, in dem große sportliche Entwicklungen im Fußball in der Regel nicht mehr zu erwarten sind.
Der Erfolg am Samstag schmeckte daher süß. Das Feiern wollte er sich von niemandem verbieten lassen. Auch nicht von den Sicherheitsleuten. Die waren angewiesen worden, dass sich nach dem Schlusspfiff nur Spieler und Staff der Vereine auf dem Rasen befinden sollten.
Undav aber lief mit seiner Frau übers Feld. „Ich wusste, dass wir das nicht dürfen“, sagte er. „Aber was soll der Schwachsinn? Mir war’s egal, ich habe es trotzdem gemacht und als ein, zwei Securitys was gesagt haben, habe ich gesagt: ‚Nerv mich nicht.‘“
Sein Mannschaftskapitän Atakan Karazor hatte das alles mitbekommen. Er sagte: „Wir haben einfach die geilsten Charaktere in der Mannschaft.“ Er blickte, als er das sagte, hinüber zu dem Mann mit der schweren Silberkette um den Hals und dem Pokal in den Händen.
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