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Neue TV-Partnerschaft im Boxen: Prügeln im privaten Kreis

Das Profiboxen braucht das Fernsehen, sonst wäre es nur ein teures Hobby. Der Sauerland-Stall wurde in den 90ern dank RTL groß – nach dem Aus bei der ARD wechselt er jetzt zu Sat 1.

Vor wenigen Wochen saßen Christian Meyer und Frederick Ness im Konferenzraum ihres Gyms in Berlin und sagten kein Wort zu viel. Nicht aus Unhöflichkeit, notgedrungen. Ungefähr zur selben Zeit berieten die Intendanten der ARD am anderen Ende Deutschlands über die Zukunft des Boxens im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Auch sie sagten nicht viel. Im Frühjahr hatten sie beschlossen, den Vertrag mit dem Boxstall Sauerland Event nicht über das Jahresende hinaus verlängern zu wollen. In Saarbrücken brüteten sie aus, dass künftig vielleicht Einzelkämpfe im Ersten möglich sein könnten. Das war für Meyer und Ness zu viel. Das heißt: zu wenig.

Deutschlands prominentester Boxstall, dessen Geschäftsführer Christian Meyer und Frederick Ness sind, wechselt die TV-Partnerschaft. Weg von der ARD, die seit Dezember 2001 jährlich rund ein Dutzend Box-Nächte der Marke Sauerland in die deutschen Wohnzimmer gesendet hat, hin zu Sat 1. Ins Privatfernsehen. Heute werden die Pläne in Berlin vorgestellt.

In den 90ern Jahre boxte Henry Maske die Branche aus der Schmuddelecke

Berührungsängste gibt es keine. Erstens habe Sat 1 bereits Erfahrungen mit solchen Events gemacht. Zuletzt übertrug der Münchner Privatsender die Kämpfe von Felix Sturm und Robert Stieglitz. Vor allem aber hat der Sauerland-Stall Erfahrung mit den Privaten gemacht. Sauerland ist bei RTL groß geworden und mit ihm das deutsche Berufsboxen. Das waren selige Zeiten für beide Seiten. Mitte der neunziger Jahre boxte Henry Maske die taumelnde Branche aus der Schmuddelecke der Halbwelt. Boxen wurde salonfähig, gesellschaftsrelevant und trendig. Bei den Kämpfen von Maske und Axel Schulz schauten bis zu 20 Millionen Deutsche zu. Denn RTL machte aus dem Kampf ein Event mit Hymnen, Laser und Trallala.

Es ist davon auszugehen, dass acht bis zehn Kampfabende im kommenden Jahr bei Sat 1 gezeigt werden. Das ist kaum weniger als der bisherige Umfang in der ARD. Das Erste war mit etwa 13 Millionen Euro pro Jahr beteiligt. Der neue Sauerland-Haussender dürfte sechs bis sieben Millionen Euro investieren.

Vorbei ist mit dem neuen Deal ein langes Gerangel hinter den Kulissen. Gern wäre Sauerland Event bei der ARD geblieben, doch dort verlor das Boxen zusehends an Fürsprechern. „Das Ziel beim Profiboxen, den Gegner bis zur Wettkampfunfähigkeit zu schlagen, ist mit den Anforderungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht zu vereinbaren“, lautete die Botschaft, mit der Ruth Hieronymi, Vorsitzende des WDR-Rundfunkrates, durchs Land zog. Einige andere ihrer Kollegen verwiesen dagegen auf die stabilen Quoten.

Die sind zwar längst nicht mehr die der Maske-Schulz-Ära. Selbst Sven Ottke und Markus Beyer kamen da nicht mehr heran. Die heutige Generation von Hauptkämpfern, wie die Weltmeister Marco Huck, Arthur Abraham, Jürgen Brähmer oder Juan Pablo Hernandez, pendeln zwischen drei und fünf Millionen, was am späten Samstagabend einem Marktanteil von rund 20 Prozent entspricht. Wie wichtig aber das Fernsehen für das Profiboxen ist, zeigt der Fall der Universum Box-Promotion, einst großer Gegenspieler von Sauerland. Als sich vor vier Jahren das ZDF von Universum trennte, war das der Knockout für den einst stolzen Boxstall aus Hamburg.

„Ohne TV-Zuschauer wäre das hier ein Hobby“, sagt Christian Meyer, „ein sehr teures Hobby.“ Seit 1997 lenkt er die Geschicke des Boxstalls, erst von London aus, seit 2003 aus Berlin. Gründer und Inhaber ist Wilfried Sauerland, 74, der in Südafrika lebt, immer noch als Patron agiert, aber seinen Söhnen Kalle und Nisse weitreichende strategische und administrative Aufgaben übertragen hat.

Sauerland hat sich längst internationaler aufgestellt als früher

Das Geld vom Fernsehpartner ARD machte etwa 80 Prozent des Gesamtetats von Sauerland Event aus. Und von diesem Geld geht ein Großteil wiederum für die Börsen der Boxer drauf. Doch ein Schicksal wie Universum schlossen Meyer und Ness schon vor Wochen aus. Zur Not wären sie auch ein Jahr ohne TV-Partner ausgekommen. „Wir sind nicht mit der ARD verheiratet“, sagte Ness. Es gebe für Sauerland Event auch ein Leben nach der ARD. Weil der deutsche Fernsehmarkt schwieriger geworden ist, hat auch der Boxstall selbst vor einem Jahr damit begonnen, sich „markgerechter“ zu machen, wie es Ness sagt. Verschlankung auf allen Ebenen. Einige Boxer mussten gehen und auch ein paar Mitarbeiter aus der Verwaltung. Statt 25 Boxer wie noch vor einem Jahr hat Sauerland nur noch ein gutes Dutzend Sportler unter Vertrag. „Wir schauen stärker auf die Leistung. Jeder Boxer, in den wir investieren, sollte ein potenzieller TV-Kämpfer sein.“

Zudem hat sich Sauerland längst internationaler aufgestellt. Von 23 Boxveranstaltungen im Jahr 2013 fand knapp die Hälfte in Dänemark und England statt. Für 2015 sind schon jetzt sieben Boxevents in Dänemark und fünf in England geplant.

Dafür expandiert Sauerland. In Skandinavien startete das Unternehmen vor gut zwei Jahren die Boxserie Nordic Fight Nights und errichtete dazu ein Boxcamp in Kopenhagen, wo inzwischen 15 Boxer trainieren, unter ihnen der mehrfache Weltmeister Mikkel Kessler aus Dänemark. Mit im Boot ist der größte skandinavische Privatsender Viasat als TV-Partner bis 2017. Viasat sendet die Kämpfe auch nach Schweden und Norwegen, wo Profiboxen nicht erlaubt ist. Das Schwesterunternehmen trägt sich finanziell, sagt Ness. Der Standort Deutschland aber, sagen er und Meyer im Konferenzraum des Berliner Gyms, bleibt erhalten. Und das von Berlin aus, mit voller Überzeugung.

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