zum Hauptinhalt
Noriaki Kasai ist inzwischen 42, denkt aber noch lange nicht ans Aufhören. Einen großen Traum will sich der Japaner noch erfüllen: eine olympische Goldmedaille. Bisher hat er nur Silber und Bronze gewonnen.

© dpa

Vierschanzentournee: Noriaki Kasai: Der alte Mann und der Schnee

Noriaki Kasai ist doppelt so alt wie die anderen Skispringer und trotzdem noch in der Weltspitze dabei. Der Japaner will bis 2026 weiterspringen - dann wäre er 54.

Es klang lustig, als Noriaki Kasai auf dem Podium in Innsbruck den Grund für seine Erfolge im hohen Skisprungalter von 42 Jahren nennen sollte. Der Japaner war gerade wieder auf Platz drei geflogen, 2014 war sogar das erfolgreichste Jahr seiner langen Skisprungkarriere gewesen. Also, was macht ihn gegenwärtig so gut? „Ich weiß es nicht“, antwortete Noriaki Kasai. Der ganze Saal lachte, die Zuhörer hielten es für einen der vielen kleinen Scherze des Japaners. Doch Noriaki Kasai hatte es ernst gemeint. Er weiß es wirklich nicht.

Es zählt zu den Geheimnissen des Skispringens, dass die Athleten ihre Erfolge mitunter gar nicht genau erklären können. Sie wissen nur: So wie Material, Stil, Physis und mentale Verfassung gerade zusammenspielen, passt es. So wie eben bei Noriaki Kasai. „Er hat ein wahnsinnig gutes System zum Fliegen“, schwärmt der deutsche Bundestrainer Werner Schuster, „er hat die Lockerheit, ihn kann niemand aus der Ruhe bringen.“ Die Ruhe des Alters brachten Noriaki Kasai 2014 die größten Erfolge seiner inzwischen 26 Jahre währenden Karriere. Er siegte nicht nur auf dem Kulm sowie in Kuusamo, sondern gewann in Sotschi auch mit Silber auf der Großschanze seine erste olympische Einzelmedaille; hinzu kam die Bronzemedaille mit der japanischen Mannschaft.

Gleichzeitig stellt er auch eine Reihe neuer Rekorde auf: Er ist der älteste Skispringer, der je ein Weltcupspringen gewonnen hat, und er ist der älteste, der je eine olympische Medaille gewonnen hat. Noriaki Kasai bringt das Skispringen in eine neue Dimension. „Er hat die Grenzen verschoben, das ist unfassbar“, sagt Werner Schuster. Für den 21 Jahre alten Sieger der Vierschanzentournee Stefan Kraft, der noch gar nicht geboren war, als Kasai 1992 in Harrachov bei der Skiflug-WM die Goldmedaille gewann, ist er ein großes Vorbild. „Von ihm habe ich mir die Haltung der Hände abgeschaut“, sagt der Österreicher, „jetzt halte ich sie im Flug nach unten.“

Im Weltcupzirkus besitzt Noriaki Kasai inzwischen sogar Kultstatus. Beim Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen erhoben sich alle Zuschauer von den Sitzen und zollten ihm im Stehen Beifall. „Das hat mich sehr geehrt“, sagt Kasai. Das Wohnungsbauunternehmen Tsuchiya, für dessen Sportverein er springt und bei dem er auch angestellt ist, verkaufte ein nach ihm benanntes „Haus der Legenden“ besonders teuer. Längst fungiert er auch als Werbefigur für das Unternehmen, die Silbermedaille von Sotschi hat ihm zu noch mehr Popularität verholfen. „Aber er hat sich durch die Erfolge nicht verändert“, sagt die japanische Sportjournalistin Saho Kobayashi von der Agentur Jijipress, „er ist genauso bodenständig und freundlich wie vorher.“

Und neugierig. Im Gegensatz zu manchem Asiaten in Europa hat er sich an europäisches Essen gewöhnt und meidet sogar die Sushi-Restaurants des Kontinents. „Ich mag Brot und Butter und Schokolade“, sagt er. Seine kulinarische Neugier hätte ihn beinahe eine olympische Medaille gekostet, nach dem Verzehr von Piroggen hatte er sich in Sotschi den Magen verdorben, wurde aber noch rechtzeitig zu den Springen gesund.

Immer noch hat er sich eine olympische Goldmedaille als Karriereziel gesetzt, 1998 beim japanischen Mannschaftsgold von Nagano war er nicht nominiert gewesen. Nun will er das 2018 im südkoreanischen Pyeongchang nachholen, am besten vor den Augen seines Kindes, wie er sagt. Das Kind muss er allerdings noch zeugen, die Frau dafür hat er im Oktober geheiratet. Und weil sich Sapporo für die Olympischen Winterspiele 2026 bewerben will, hat er sein Karriereende inzwischen weiter nach hinten verlegt. Dann wäre er 54 Jahre alt. Der deutsche Bundestrainer Werner Schuster findet das offenbar nicht so gut, er sagt im Scherz: „Hoffentlich springt er nicht, bis er 60 Jahre alt ist, sonst bekommt das Skispringen noch einen Ruf wie das Golfen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false