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Sport: Oberstdorf, verzweifelt gesucht

Israelis wundern sich in Oberhof, ein Brasilianer wird zum Star, Rubenbauer nervt – Impressionen von der Nordischen Ski-WM

Oberstdorf - Die israelische Delegation eignet sich vorzüglich, um sich dieser Nordischen Skiweltmeisterschaft zu nähern. Schließlich hat sie genau dasselbe gemacht: sich langsam genähert. Es hätte durchaus etwas schneller gehen können, doch das haben die Israelis zu spät gemerkt. Erst nach ihrer Ankunft am Zielort haben sie sich gewundert, dass sie weder andere Mannschaften noch Zuschauer sahen, nicht mal einen Hinweis auf eine WM. Das muss der Moment gewesen sein, als ihnen klar wurde, dass sie sich in Oberhof, Thüringen, am falschen Ort befanden. Verspätet trafen sie irgendwann in Oberstdorf, Allgäu, ein.

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Oberstdorf also. Knapp 10 000 Einwohner am Fuße der Allgäuer Voralpen. Im örtlichen Telefonbuch genügen vier Ziffern, um alle Bewohner zu erfassen. Doch in den zwölf Tagen der Nordischen Ski-WM verstopfen rund 300 000 Gäste die Straßen in und um Oberstdorf. Demnächst soll sich sogar das schwedische Königspaar einfinden. Eugen Schumacher ist schon da, unüberhörbar. Bei jedem seiner Schritte bimmelt es wie beim Almabtrieb: bong, bong. Schumacher schleppt ein Joch, an dem zwei 20 Kilogramm schwere Kuhglocken hängen. Auf dem Weg zum Langlaufstadion sprechen ihn ständig Leute an. „Ich unterstütze alle Teilnehmer“, sagt der Schweizer dann. Auch dass er seit 1991 zu jeder Nordischen Ski-WM fährt. Dann marschiert er weiter. Bong, bong.

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Im Langlaufstadion wird ein neuer Star gefeiert. Als der in die Spur geht, erzählt der Stadionsprecher dessen Geschichte, die ihn zum prominentesten Exoten dieser WM gemacht hat: Vor einigen Wochen hat sich der Brasilianer Helio Freitas bei der Neuen Skischule in Oberstdorf gemeldet: Er wolle bei der WM mitmachen und müsse daher die Skating-Technik lernen. „Wir haben das zunächst nicht ernst genommen“, sagt Skilehrer Michael Klawitter. Doch er merkte schnell, dass es der Brasilianer ernst meinte. Freitas hatte auf Skilanglauf umgeschult, weil er sich nicht für den Marathonlauf bei den Olympischen Spielen in Athen qualifizieren konnte. „Konditionell ist er sehr stark“, sagt Michael Klawitter, der ein Wochenende lang mit dem 36-Jährigen vor allem Abfahren übte. „Aber es fehlt ihm an Skigefühl.“ Am Donnerstag läuft Freitas 22 Minuten nach dem Sieger über die Ziellinie. Und freut sich. Er hat den Marokkaner Brahim Aitoubella hinter sich gelassen.

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Ganz vorne aber fährt Gerd Rubenbauer. Der Sportreporter der ARD sitzt auf einem Schneemobil, fährt neben der Langlaufstrecke und spricht live in sein Mikrophon. In Kurven nimmt er schon mal die schnellste Linie. Die allerdings hätte der Langläufer René Sommerfeldt auch gerne, immerhin zählt bei ihm jede Hundertstelsekunde. Wenn da nicht schon Rubenbauer wäre. Bei ihm zählt die Nähe zu den Läufern. Immerhin nimmt der Sportjournalist so viel Rücksicht, dass er die Athleten während des Laufes nicht auch noch befragt. „Aber er hat mich behindert“, sagt Sommerfeldt, „am liebsten hätte ich angehalten und gesagt: Verpfeift euch.“ Die ARD hat sich inzwischen für die Behinderung während des 15-Kilometer-Rennens entschuldigt.

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In der Arena unterhalb der Schattenbergschanze, wo das Skispringen stattfindet, versucht der Stadionsprecher, die Leute zu unterhalten. Mit unterschiedlichem Erfolg. „Die Stimmung ist noch ausbaufähig“, sagt Thomas aus Augsburg ins Mikrophon. Ab und zu gelingt es dem Sprecher die 17 000 Zuschauer zu einer Welle zu animieren. Weil diese jedoch im Ehrengastbereich regelmäßig abbricht, sagt der Sprecher: „Wer schon nicht zahlt, der kann wenigstens die Arme hochreißen.“ Die Fans auf den Stehplätzen jubeln. Ist eine stimmungsvolle Sache, so eine Nordische Skiweltmeisterschaft.

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