zum Hauptinhalt

Sport: Ohne Lederhosen

Früher war alles noch schlimmer: Die größten Krisen des FC Bayern – und wie der Verein sie überwand

Mag ja sein, dass es bei Bayern München mal nicht so richtig läuft. Manager Uli Hoeneß schwärmt dann vom Spaß, den er beim Meistern schwieriger Situationen empfinde. Und wenn ihm einer zu aufdringlich wird mit dem Krisengerede, dann erwähnt Hoeneß mal eben den Kontostand bei der Hausbank. Oder erzählt die Geschichte von der Festgeld-Abteilung, die der FC Bayern bei kostspieligen Transfers aufsuche, während alle anderen doch zur Kreditabteilung müssten. Wen interessiert da schon ein verlorenes Fußballspiel? Oder zwei, oder drei, oder vier? Ein Rückblick auf Bayern-Krisen, die wirklich welche waren – und wie die Münchner sich aus ihnen befreiten.

Ihre erste sportliche Baisse erlauben sich die Bayern auf dem Höhepunkt ihrer Macht: als Deutscher Meister, Europapokalsieger und Weltmeister, ja, Weltmeister, immerhin stehen im WM-Finale 1974 gegen Holland gleich sechs Bayern in der deutschen Mannschaft. Fünf von ihnen sind ein paar Wochen später zum Bundesligaauftakt dabei. Paul Breitner verabschiedet sich nach Madrid und prophezeit dem Klub eine schwere Zukunft: „Die Bayern sind satt.“ Und müde. Erst drei Wochen vor dem Auftaktspiel gegen die Offenbacher Kickers steigen die fünf Weltmeister ins Training ein. Winfried Schäfer schießt das erste von sechs Offenbacher Toren, den Bayern gelingt kein einziges. Karl-Heinz Rummenigge macht sein erstes Spiel und erlebt dabei gleich eine zweite Premiere. Zum ersten Mal zieren die Bayern das Tabellenende. Am Ende werden sie Zehnter, 26 Punkte hinter Meister Mönchengladbach.

Das Debakel von Offenbach leitet die längste Krise der Bayern ein, sie überdauert Franz Beckenbauers Steuerflucht nach New York (1977) und endet erst 1980 mit dem Gewinn der sechsten Meisterschaft. In diese Phase fallen eine 0:7-Heimniederlage gegen Schalke (1976) und ein 1:7 in Düsseldorf (1978). Dass diese Jahre nur bedingt als Krisenjahre wahrgenommen werden, liegt an internationalen Erfolgen. Die in der Liga nur noch mittelmäßigen Bayern gewinnen 1975 und 1976 den Europapokal der Landesmeister, im November 1976 sogar den Weltpokal.

Die Wende zum Besseren in der Liga leitet der Mann ein, der noch heute das operative und strategische Geschick prägt: 1979 wird Uli Hoeneß mit noch vollem Haar und gerade 27 Jahren hauptamtlicher Manager. Als Einstandsgeschenk bringt er seinen Bruder Dieter (26, nicht mehr ganz so volles Haar) mit. Der jüngere Hoeneß schießt 16 Tore, am Ende stehen die Bayern als Meister zwei Punkte vor dem Hamburger SV.

Dieter Hoeneß wird noch viermal Meister, und nach seinem Abschied 1987 stürzt der FC Bayern in die nächste Krise. Erfolgstrainer Udo Lattek ruft seinem Nachfolger Jupp Heynckes über den Boulevard nach, dieser werde schon sehen, was er ihm für einen Sauhaufen als Mannschaft überlassen habe. Obwohl er nach Anlaufschwierigkeiten zweimal die Meisterschaft holt, wird Heynckes in München nie richtig glücklich. Ein junger und vorlauter Trainer aus Köln feindet ihn an, es ist der Anfang einer bis heute währenden Fehde zwischen dem FC Bayern und Christoph Daum.

Erstes Krisengerede nach Platz zwei im Sommer 1991 kontert Uli Hoeneß mit der bekannten Festgeld-Geschichte. Er verkauft Jürgen Kohler für 15 Millionen Mark nach Turin, Kapitän Klaus Augenthaler hört auf, und auf einmal fehlt der Mannschaft eine Hierarchie. Es ist der Auftakt zur Drei-Trainer-Saison, der turbulentesten der Vereinsgeschichte. Die Fans in der Südkurve brüllen „Heynckes raus!“, und die Klubführung gehorcht. Nach einem 1:4 daheim gegen die Stuttgarter Kickers muss Heynckes gehen. Präsident Fritz Scherer nennt als Begründung den „Druck der Öffentlichkeit“, um den sich die Bayern sonst nie geschert haben. Als Trainer holt Hoeneß Sören Lerby, den dänischen Weltstar und einstigen Bayern-Kapitän, der noch nie als Trainer gearbeitet hat. Es wird ein Desaster.

Lerby ist von Anfang an überfordert, verliert gleich zum Auftakt 0:3 gegen Dortmund und wirft zwischenzeitlich Stars wie Brian Laudrup, Thomas Berthold und Olaf Thon aus der Mannschaft. Die Spieler machen sich über seinen vielsprachigen Singsang lustig („Die Sören hat gesagt“), Stefan Effenberg behauptet öffentlich, der Trainer stelle die Mannschaft nicht alleine auf. Uli Hoeneß zieht sich aus der Öffentlichkeit zurück, zum ersten und einzigen Mal in seinen jetzt 28 Jahren als Bayern-Manager wirkt er ernsthaft amtsmüde. Beckenbauer nimmt die Suche nach einem Nachfolger für Lerby in die Hand. Völlig überraschend präsentiert er Erich Ribbeck, der gar nicht mehr im Geschäft ist, sondern Autos der Marke Mercedes als Repräsentant anpreist. Mit ihm wird der FC Bayern Zehnter und im Jahr darauf Zweiter, aber auch dieser Platz zählt in München nicht. Als die Mannschaft im Winter 1993 hinter Eintracht Frankfurt wieder nur auf dem zweiten Platz steht, übernimmt Beckenbauer selbst den Trainerjob und führt den FC Bayern zur 13. Meisterschaft.

Und doch kehrt keine Ruhe an der Säbener Straße ein. Die Bayern leisten sich erst das Missverständnis mit Giovanni Trapattoni und im nächsten Jahr noch eines mit Otto Rehhagel. Als dieser Beckenbauers Lieblingsspieler Mehmet Scholl nicht mehr aufstellen mag und auch der Rest der Mannschaft rebelliert, greift Beckenbauer ein zweites Mal ein. Nach einer 0:1-Heimniederlage gegen Hansa Rostock wird Rehhagel vier Spieltage vor Schluss beurlaubt. Unter Beckenbauer gewinnt der FC Bayern zwar den Uefa-Cup, verspielt aber am vorletzten Spieltag mit einem 1:2 bei Schalke die Meisterschaft. Beckenbauer hat genug. Im letzten Spiel gegen Düsseldorf sitzt Klaus Augenthaler als Cheftrainer auf der Bank.

Noch einmal kommt Trapattoni und wird diesmal auch Meister, aber erst mit Ottmar Hitzfelds Bestellung zum Cheftrainer im Sommer 1998 übernehmen die Bayern wieder ihre Rolle als Souverän der Liga. Als Hitzfeld nach einem Champions-League-Sieg, drei Meisterschaften und einmal Platz zwei Schluss macht, verabschiedet ihn das Publikum mit Ovationen. Felix Magath führt die Münchner Erfolgsgeschichte mit je zwei Meisterschaften und Pokalsiegen fort, aber in seinem dritten Jahr schwächeln die Bayern in der Bundesliga und scheitern im Pokal. Bevor sich das Formtief zu einer ernsten Krise auswächst, muss Trainer Magath gehen. Nachfolger und Vorgänger Ottmar Hitzfeld fährt in vier Spielen drei Niederlagen ein. Aber wer will nach der bislang letzten, dem 2:3 am Dienstag in Madrid, schon ernsthaft von einer Krise reden?

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false