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Footvolley (am Ball Nationalspieler Joel Nisslein) ist eine spektakuläre Angelegenheit. In Deutschland sind etwa 300 Spielerinnen und Spieler aktiv.

© Michael Makaryan

Pionierarbeit im Sand : Footvolley wird immer beliebter

In Brasilien ist die Sportart seit langer Zeit eine ganz große Nummer, in Berlin gibt es eine eigene Footvolley-Abteilung bei Hertha BSC.

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Sanftes Abendlicht fällt durch die Bäume und färbt den Sand golden. Zwei Bälle fliegen durch die Luft, Menschen springen am Netz hoch. Es herrscht eine Ausgelassenheit wie an der Copacabana in Brasilien. Als es dann auch noch zu einem Shark-Attack kommt, ist die Illusion fast perfekt.

Denn eigentlich liegt dieser Sand im Olympiapark in Berlin. Das nächste Wasser ist zwar nur knapp 100 Meter entfernt, aber aus dem Schwimmbad greift sicher kein Hai an. Gemeint ist mit der vermeintlichen Attacke ein schneller Fuß über der Netzkante, der einen Ball auf die gegnerische Seite kickt. So wird der Angriff im Footvolley genannt.

Auf zwei Beachvolleyballfeldern spielen hier jeweils zwei gegen zwei. Das Spiel selbst ähnelt sehr dem Beachvolleyball, nur das alle Körperteile verwendet werden dürfen außer den Armen.

10.09.24

Konkret sieht das so aus: Für den Aufschlag bauen sich die Spielerinnen und Spieler einen kleinen Hügel an der Grundlinie und kicken den Ball rüber. Der wird meist mit der Brust angenommen, dann seinem Partner gestellt, der den Ball entweder mit Kopf oder Fuß scharf über das Netz zurückspielt – oder eben mit einem Fallrückzieher, hier genannt Shark Attack. Ein Satz geht bis 18 Punkte, wer zuerst zwei Sätze holt, hat das Spiel gewonnen.

„Es ist die beste Sportart, auch für Ältere“, sagt Joel Nisslein. Der 37-Jährige hat 2012 mit dem Sport angefangen, sich fast alles selbst beigebracht, ist nun einer der besten Spieler in Deutschland und spielt auch bei internationalen Turnieren ganz vorn mit. Erst Ende August wurde Nisslein zusammen mit seinem Partner Lukas Kicherer Vizeeuropameister auf Korsika.

Footvolley ist eine spektakuläre Angelegenheit. Und es gibt wesentlich weniger Verletzungen als etwa beim Fußball.

© Tanja Kunesch / TSP

Begonnen hat alles 2009 mit einem Kurs an der Freien Universität Berlin. Nisslein spielte dort Beach Soccer, und war bald für Hertha BSC sowie für die Nationalmannschaft im Sand aktiv. Als er und ein paar andere Spieler eines Winters in der Halle in Wittenau standen, waren noch Netze auf den Sandcourts aufgebaut. Ein paar hatten schon mal von Footvolley gehört, das vor allem in Brasilien sehr populär ist, und probierten es aus.

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Ähnlich ist der Sport auch in dem südamerikanischen Land entstanden: In Rio de Janeiro war Fußball in den 1960er Jahren am Strand verboten, aber überall standen noch Beachvolleyballnetze. Also haben die Spieler angefangen, mit dem Fuß auf dem Court zu kicken.

Joel Nisslein ist Footvolley-Nationalspieler.

© imago/Eibner

Mittlerweile ist es dort größer als Volleyball. Ehemalige und noch aktive Fußballprofis spielen selbst, wie Neymar, Romario oder Ronaldinho. Dem Sport hat das zu großem Erfolg verholfen. „Das Level in Brasilien ist für uns wie die NBA im Basketball“, sagt Nisslein. Ob Toni Kroos nach seiner Profi-Karriere auch in den Sand wechselt? „Müssten wir ihn mal fragen“, sagt Nisslein.

Einen großen Vorteil hat die Sportart gegenüber Fußball: Wesentlich weniger Verletzungen, die hauptsächlich im direkten Kontakt entstehen, und schonender für die Gelenke.

„Ich mache gerne was mit den Füßen, und hier gibt es so viel mehr Berührungen am Ball als auf einem Fußballfeld. Man kann auch alle Körperteile entwickeln“, sagt Nisslein. Training oder eine Idee von dem Sport gab es 2012 noch nicht in Deutschland, nur ein paar Youtube-Videos.

Das hat den Kinder- und Jugendtherapeut aber nicht abhalten können: Über die Jahre hat er sich vieles selbst beigebracht, war fünf Mal in Brasilien und ist 2016 bei der WM mit seinem Partner Mo Obeid direkt Vierter geworden. „Es war schon ein bisschen Pionierarbeit, was wir gemacht haben“, sagt der Nationalspieler.

Seit 2018 gibt es die Abteilung Footvolley bei Hertha, die Nisslein gegründet hat. Dort und in Kooperation mit der Beachzeit, einem Trainingsangebot ursprünglich für Beachvolleyball, gibt er Kurse. „Es ist schon ein anspruchsvoller Sport, der nicht so viele Fehler verzeiht“, sagt Nisslein. „Fußballer haben einen klaren Vorteil, aber Beachvolleyballspieler profitieren von ihrem Spielverständnis auf dem Court und dem Anlaufverhalten. Am besten man hat zu beidem einen Zugang.“

Dass das kein Muss ist, beweist Indrah Shah. Die 46-Jährige kommt eigentlich vom Tennis, spielt seit acht Jahren aber Footvolley. „Ich liebe den Sport, im Sand in der Sonne. Man braucht kein Equipment, der ganze Körper ist beteiligt. Es wird einem nie langweilig“, sagt sie. Am schönsten sei, dass der Sport einerseits akrobatisch ist, aber auch sehr verspielt. „Jeder bringt seinen eigenen Stil mit.“

Frauen sind allerdings noch in der Unterzahl. Bei Hertha BSC gibt es aktuell vier aktive Frauen, aber 20 Männer. „Ich glaube, die Hemmschwelle ist vielleicht noch größer, die Sichtbarkeit ist auch nicht so da“, sagt Shah. Die Annahme mit der Brust sei schon schwieriger, aber viele Frauen machen es einfach mit der Schulter. „Das geht genauso gut, aber wir müssen halt präziser sein.“ Shah gibt aber auch zu, dass man eine hohe Frustrationstoleranz mitbringen muss. „Aber dran bleiben lohnt sich!“

Beharrlich sein hat sich auch für den Sport selbst ausgezahlt: Mittlerweile hat er sich an mehr als 20 Standorten in Deutschland etabliert, etwa 300 aktive Spielerinnen und Spieler zählt die deutsche Rangliste. Seit 2003 gibt es die European Footvolley Federation, seit 2007 den deutschen Verband.

Ob der Sport irgendwann olympisch wird? „Für viele ist das ja ein Traum, der natürlich mit mehr Förderung einhergehen würde“, sagt Nisslein. „Jetzt hat der Sport noch seinen Charme, und noch ein bisschen Zauber des Neuen. Es gibt niemanden, der alles krass reglementiert.“

Aber der Nationalspieler übt auch Sozialkritik: „Der Wettkampf ist natürlich cool, Medaillen sind cool, aber das hat nicht den Mehrwert für die Gesellschaft. Mein Ziel ist es, mehr Menschen an den Ball zu bringen, zur Bewegung zu motivieren. Und dass sie daran Spaß haben.“

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