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Eisbären-Trainer Clement Jodoin steht unter großem Druck.

© imago/Contrast

Krise bei den Eisbären: Platz neun, keine Perspektive: EHC-Trainer Jodoin unter Druck

Der Trainer genießt das Vertrauen der Chefetage. Doch allzu viele Niederlagen sollte er sich nicht mehr leisten.

10,8 Sekunden vor dem Ende nahm Clement Jodoin noch einmal eine Auszeit. Im Spiel am Freitagabend gegen den Tabellenletzten, die Schwenninger Wild Wings, lagen seine Eisbären 1:3 zurück. Die Chancen, den Rückstand noch irgendwie zu egalisieren, standen angesichts der minimalen Restspielzeit ziemlich exakt bei null. Das war auch den fast 11 000 Fans in der Arena am Ostbahnhof klar, und so pfiffen sie sich angesichts der Aktion des Berliner Trainers die Seele aus dem Leib. „Ich habe die Auszeit genommen, um Situationen wie diese zu üben. Mir ist klar, dass das nicht jeder versteht. Aber wir müssen auch an die kommenden Spiele denken, und deshalb musste ich das tun“, erklärte Jodoin später.

Am Sonntagnachmittag treten die Eisbären bei den Kölner Haien an (17 Uhr/live bei Sport 1), nach den jüngsten Ergebnissen sind sie dort klarer Außenseiter. Endlos viele Niederlagen sollten sich die auf Platz neun abgerutschten Berliner allerdings nicht mehr erlauben, sonst könnte es passieren, dass Jodoin gar nicht mehr so viele Spiele hinter der Bande erlebt. Noch sagt er: „Die Lösung unserer Probleme liegt in uns selbst und kommt nicht von außen.“ Ein Satz ohne Hintergedanken, aber womöglich einer, der keine lange Halbwertszeit hat. Jodoin kann sich im Moment noch der Rückendeckung aus der Chefetage sicher sein. Stéphane Richer, Sportlicher Leiter der Eisbären, sagte am Freitagabend: „Der Trainer hat unser Vertrauen.“

„Aufhören“ rufen selbst die ganz treuen Fans

Ob Jodoin auch noch das uneingeschränkte Vertrauen der Fans genießt, darf zumindest bezweifelt werden. Selbst aus dem Stehplatzblock kamen gegen Schwenningen deutliche Signale: „Aufhören“, hieß es zwischendurch, nach dem 1:3 dann „Wir wollen die Eisbären sehen!“. Und die Kommentare einiger Anhänger auf den Eisbären-Seiten in den sozialen Netzwerken, sollte sich der Berliner Coach besser gleich ganz schenken. Dort wird gefühlt in jedem dritten Beitrag ein neuer Trainer gefordert. Der müsste es allerdings auch erst einmal schaffen, die Mannschaft irgendwie wachzurütteln. 58 Mal schossen die Berliner am Freitagabend aufs Tor des Gegners, aber das ist derzeit wie vernagelt. „Vielleicht wollen wir einfach zu viel, schaffen das nicht, und dann gehen die Spiele so aus“, versuchte Kapitän André Rankel das aktuelle Dilemma zu erklären.

Dass der Chefcoach nicht die Alleinschuld für die Misere trägt, sollte allerdings auch dem größten Jodoin-Gegner klar sein. Immerhin war der Kanadier bereits in der erfolgreichen vergangenen Saison ein wesentlicher Bestandteil des Trainerteams und viele Spieler waren von der Art der Arbeit und der Ansprache Jodoins begeistert. Bei einigen Profis klang sogar durch, dass die starke Hauptrunde 2017/18 und der Einzug ins Finale um die deutsche Meisterschaft eher mehr Verdienst von Jodoin als von Uwe Krupp gewesen sei.

Was also ist seither schiefgelaufen? Die Mannschaft hat sich nicht groß verändert im Vergleich zur Vorsaison. Vielleicht ist das auch das Problem. Ein bisschen Selbstüberschätzung hier, ein Jahr mehr auf dem Buckel da – und schon werden aus Kleinigkeiten größere Schwierigkeiten. Auch die Sportliche Leitung hat sich womöglich ein bisschen blenden lassen von dem, was das Team erreicht hatte. Jetzt fordert Richer: „Die Mannschaft muss einfach besser spielen. Gerade für unsere Fans. Klar ist, dass wir nicht zufrieden sind“, erklärte er nach dem Schwenningen-Spiel. Ob er selbst eine Ansprache an die Spieler richten wolle, ließ er offen. „Das sind die Dinge, die nicht an die Öffentlichkeit gehören.“

Vor genau vier Jahren begann die Ära Krupp

Das klingt zunächst einmal nach Geduld, grundsätzlich nichts Falsches im Profisport. Allerdings müssen die Ergebnisse irgendwann auch wieder stimmen, am besten schon am Sonntag in Köln. Und dass die Eisbären in der Not durchaus auch handeln können, bewiesen sie auf den Tag genau vor vier Jahren. Am 16. Dezember 2014 begann die Ära von Uwe Krupp in Berlin. Ihr jähes Ende rund dreieinhalb Jahre später kam durchaus überraschend. Es gibt Leute im Umfeld der Eisbären, die angesichts der aktuellen Entwicklung dieser Zeit zumindest ein bisschen nachtrauern.

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