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Sport: Reiten, schwingen, schlagen, drängeln

Nicht nur Prinz Charles liebt Polo. Das Spiel verbindet Mannschaftssport, Ballsport und Einzelsport – ein anstrengender Selbstversuch

Den Arm höher. Noch höher. Bis zur Schulter. Von hinten soll ich Schwung holen, nach vorne durchziehen, ein wenig vorbeugen – klack. Auf der Wiese kullert langsam eine weiße Kugel voran, holpert über Grasbüschel, rollt aus, bleibt liegen. Ein magerer Schuss.

Das ist kein Golf. Kein Cricket, kein Baseball. Das hier ist anders. Das ist Polo. Ein Sport, von dem mir nie mehr bekannt war, als dass Prinz Charles ihn liebte und spielte, bis er Mitte 50 war. Ha, dachte ich, Prinz Charles! Und vor mir sah ich den ältlichen Herrn im Tweedjackett. So schwer, so dachte ich weiter, kann Polo ja dann wohl nicht sein. Das war falsch.

An einem trüben Sommervormittag sitze ich auf der sportlichen Stute Ipequ, mitten auf einer großen Wiese im brandenburgischen Phöben, und schlage meinen ersten Ball. Ich erwische ihn im langsamen Schritt – und dass ich ihn überhaupt treffe, freut mich ungemein. Schon den Abstand einzuschätzen, der zwischen meinem Handgelenk und dem Boden liegt, fällt schwer. Wie weit muss der lange, hölzerne Schläger hinunter geschwungen werden, damit er den Ball auch trifft?

Neben mir reitet Moritz Gädeke, ein junger Mann in blitzsauberen weißen Jeans, der mich aufmunternd ansieht und dann fragt, ob ich es nicht mal im Galopp versuchen möchte. An diesem Wochenende reitet Gädeke auf dem Berliner Maifeld um die Deutschen Meisterschaften im Polo. Und ich verstehe: Einen Poloball im Schritt schlagen, das ist wie Formel 1 im Simulator. Ganz putzig, aber irgendwie auch Blödsinn.

Polo ist ein schnelles Spiel, ein bisschen gefährlich auch, weil auf dem Spielfeld – 274 Meter lang und 182 Meter breit – zwei Teams mit je vier Reitern galoppieren und ihre Schläger schwenken. Den Pferden passiert dabei selten etwas, denn alle Regeln bestehen zu ihrem Schutz, die Beine sind bandagiert und mit Gamaschen geschützt. Die Schutzkleidung der Reiter ist minimalistisch: lederne Protektoren über den Knien und ein Helm. Der Ball, rund acht Zentimeter Durchmesser, wiegt etwa 100 Gramm. Wird er geschlagen, dann kann er bis zu 180 km/h schnell werden. Wer so einen Ball ins Gesicht bekommt, verliert unter Umständen ein paar Zähne.

Moritz Gädeke verlor beim Polo zwar noch keinen Zahn, brach sich aber schon die Nase und kugelte sich die Schulter aus. Seit 17 Jahren betreibt er den Sport, jetzt, mit 26, steht er in der deutschen Rangliste auf Platz drei. Gädekes Handicap liegt bei 3; -2 ist das schlechteste, 10 das allerbeste. Prinz Charles hatte zu seinen besten Zeiten ein Handicap von 2. In meiner Fantasie hat er das Tweedjackett längst ausgezogen und eingetauscht gegen ein schnittiges Polohemd. Beschämt merke ich, was ich verdrängt hatte: dass Reiten allein schon ziemlich anstrengend ist und vom Pferd aus Bälle schlagen umso mehr.

Nun also im Galopp. Der Ball soll etwa auf Höhe der Vorderbeine sein, wenn der Schläger ihn berührt. Hinter mir galoppiert Moritz. Mach dir keine Sorgen, wenn du ihn nicht erwischst, hat er gesagt. „Ich spiele ihn hinterher.“ Alles klar.

Arm hoch, noch höher, nach vorne schwingen und – klack. Jawoll! Die weiße Kugel eiert über den Rasen. Hinterher! Und wieder: Schwung holen und – daneben. Ein paar Grashalme fliegen durch die Luft. Unbeirrt galoppiert Ipequ geradeaus. Moritz Gädeke schlägt den Ball hinterher, er fliegt um Längen an uns vorbei. So sollte das also idealerweise aussehen. Nächster Versuch. Es ist anstrengend.

Zwei Dinge gilt es zu koordinieren. Ein Pferd und diesen langen, etwas elastischen Holzschläger mit der „Zigarre“, dem kleinen rundlichen Holzstück am Ende, in meiner rechten Hand. Den sollte ich eigentlich senkrecht neben meinem Oberkörper balancieren. Das sähe eleganter aus und wäre effektiver, weil es das Schwungholen für den Schlag einfacher macht, man auch mal zur linken Seite hinüberschwenken und dort den Ball erwischen kann. Ich sehe das auch ein, nur vergesse ich es immer wieder.

Die Zügel halte ich in der linken Hand. Vier sind es, denn das Gebiss der Polopferde ist eine Art Kandare, die mit Doppelzügeln geritten wird. Lenken ist beim Polo nicht besonders schwer. Will ich, dass Ipequ nach links geht, dann führe ich meine Hand vorsichtig nach links und verlagere mein Gewicht ebenfalls zu gleichen Seite. Dass die Kommandos so einfach wie möglich sind, macht Sinn. Schließlich geht es im Spiel wild zur Sache. Da sollten Pferd und Reiter einander gut verstehen.

Bei einem professionellen Spiel dauern die vier Spielabschnitte, die so genannten Chukkas, je sieben Minuten. Kein Pferd darf zwei Chukkas nacheinander laufen, das wäre zu anstrengend. Also muss ein Reiter mindestens zwei Pferde zur Verfügung haben, die er austauschen kann.

Gädekes Familie besitzt 25 Pferde. Mit rund 15 trainiert er, der Rest bekommt in Phöben sein Gnadenbrot. Dieser Sport macht nicht nur viel Spaß, er ist auch teuer. Kein Wunder, dass der Kreis der Spieler in Deutschland klein ist. Es sind etwa 300. Doch kein anderer Sport konnte Moritz Gädeke je so begeistern. „Mir gefällt die Verbindung von Mannschaftssport, Ballsport und diesem Kick“, sagt er. „Polo ist ein harter Sport, das mag ich.“

Die letzte Lektion des Tages ist dann auch das Foulen. Beziehungsweise eben nicht. „Ellenbogen hoch ist verboten“, sagt Gädeke. Verletzt sich ein Pferd, wird das Spiel sofort gestoppt. Fällt ein Reiter, wird weitergespielt. Abdrängen sei erlaubt, erklärt Gädeke und steuert sein Pferd im Schritt gegen Ipequ und mich. Schulter an Schulter gehen die Pferde. Und das im Galopp? Aufregend. Die Balllinie kreuzen aber darf er nicht. Eine imaginäre Linie zwischen meinem Pferd und dem Ball, auf den ich zusteuere.

Ein Mal noch galoppiere ich über die Wiese. Mein Arm schmerzt, der Rücken auch. Ein kraftloser letzter Schlag. Ich steige ab, ziehe meinen verschwitzen Helm. Charles, Mensch, Respekt.

Das Turnier auf dem Maifeld beginnt Samstag um 13 Uhr und Sonntag um 12.30 Uhr. Infos unter www.maifeldpolocup.de

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