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Im Goldrausch: Lisa Schmidla, Julia Lier, Carina Baer, Annekatrin Thiele

© AFP

Olympia 2016 in Rio: Rudern: Doppelvier gewinnt

Beide Boote der deutschen Ruderer holen hintereinander Gold. Erst triumphieren die Männer souverän, wenig später siegen die Frauen im dramatischen Schlussspurt.

Von Christian Hönicke

Lauritz Schoof hüpfte ausgelassen über den Steg, er sah aus, als wollte er gleich ins Wasser springen. „Ich habe drüber nachgedacht“, sagte der Ruderer. Angesichts der Wasserqualität der Lagoa Rodrigo de Freitas ließ er es lieber bleiben. Dabei hätten sich die deutschen Ruderer ein erfrischendes Bad nach der ganzen Schinderei mehr als verdient gehabt. Die beiden Doppelvierer holten im Abstand von nur wenigen Minuten doppeltes Gold. Erst schlugen die Männer wie schon in London vor vier Jahren zu, direkt im Anschluss machten es ihnen ihre Kolleginnen mit einem dramatischen Schlussspurt nach.

Es ist viel gesagt worden zur Wasserqualität auf der zwei Kilometer langen Strecke, und aus rein hygienischen Gründen ist es um das Gewässer auch nicht zum Besten bestellt. Immerhin bot die Lagune am Donnerstag allen Teilnehmern faire Bedingungen, kurz vor Beginn der Olympischen Spiele war sie noch einmal ausgebaggert worden, um die zu geringe Wassertiefe internationalen Wettkampfstandards anzupassen.

Die Stimmung war am Donnerstag auf jeden Fall olympiawürdig. Die Tribünen waren gut gefüllt, es herrschte zudem traumhaftes Ruderwetter an der Lagoa Rodrido de Freitas, die malerisch eingebettet in die für Rio typische Landschaft aus Bergen und Punkthochhäusern oberhalb von Ipanema liegt. Leichte Schleierwolken bedeckten hin und wieder die Sonne, der Wind wehte nur leicht. Am Vortag war das noch ganz anders gewesen, die eigentlich für den Mittwoch angesetzten Finalläufe waren wegen des ungemütlichen Wetters um einen Tag verschoben worden.

„Es ist ein großer Druck abgefallen“

Als die deutschen Hymnen gespielt waren, wirkten Frauen wie Männer vor allem erleichtert. „Es ist ein großer Druck abgefallen“, sagte Schlagfrau Lisa Schmidla, „jeder hat von uns Gold erwartet.“ Dabei waren beide Doppelvierer kurz vor Beginn der Spiele noch einmal umbesetzt worden, weil sich der Erfolg nicht wie gewünscht eingestellt hatte. Nach dem Sieg bei der WM 2014 war Julia Lier wegen gesundheitlicher Probleme in den Doppelzweier gewechselt. Infolge der Umbesetzung geriet das Flaggschiff des deutschen Frauenruderns ins Schlingern, bei der WM 2015 in Frankreich reichte es nur zu Silber.

Als es auch beim Weltcup in Luzern vor den Spielen nur zur Rang zwei reichte, wurde Julia Lier aus dem Doppelzweier ins große Boot zurückversetzt. Die Hallenserin steigerte mit ihrem freizügigen Auftritt im Playboy nicht nur die Aufmerksamkeit, sie brachte auch das Erfolgsgefühl zurück. „Ich finde, die Bilder sind toll geworden“, sagte Lier. „Die sind auch ein bisschen mit Gold verziert, das war ein kleiner Fingerzeig. Es war nett, aber mit Gold um den Hals und angezogen auf dem Siegerpodest fühle ich mich deutlich wohler.“

Der Schlussspurt startete früher als geplant

Zur Halbzeit lagen Lier, Schmidla, Carina Bär und Annekathrin Thiele zwar bereits zwei Sekunden hinter dem polnischen Boot. „Wir dachten, dass wir am Anfang besser mitgehen können“, sagte Schlagfrau Schmidla. Deshalb zog sie den Schlussspurt schon 500 Meter vor dem Ziel an, „ein wenig früher als geplant, das mussten wir“. Wenige Meter vor dem Ziel hatten sie das polnische Boot eingeholt.

Nicht weniger spannend machten es Philipp Wende, Lauritz Schoof, Karl Schulze und Hans Gruhne. Sie hatten nach verpatztem Vorlauf sogar durch den Hoffnungslauf gemusst, „da haben wir Kraft gelassen“, sagte Schlagmann Hans Gruhne. Im Finale ging das deutsche Boot zwar vom Start weg in Führung, direkt bei bei 1000 Metern lag es schon zwei Sekunden vor den Polen. Doch im Mittelteil folgte die Schwächephase, in der die Australier zum Zwischenspurt anzogen. Mit letzter Kraft retteten die Deutschen den Vorsprung ins Ziel. „Am Anfang der Saison hatten wir große Probleme, wir sind bei der EM nicht gut drauf gewesen“, sagte Lauritz Schoof. „Seit Posen lief es zum Glück wieder besser.“

"Die Medaille ist unglaublich schwer"

Vor jenem Weltcup rutschte Hans Gruhne wieder ins Boot. Er war der einzige der vier Ruderer, der bei dem Olympiasieg 2012 nicht dabei war. Der gebürtige Berliner, der jetzt in Potsdam lebt, strahlte deshalb am meisten. „Die Goldmedaille ist der Lohn für die ganzen Entbehrungen, die Familie, die Freunde mussten auf uns verzichten“, sagte der Schlagmann. Neben der Erleichterung genoss er eine angenehme Schwere. „Ich fühle gerade am meisten das Gewicht dieser Medaille, die ist unglaublich schwer.“

Aber das war auszuhalten, auf den letzten 250 Metern des Rennens hatte er wie der Rest des Bootes einen deutlich größeren Schmerz gespürt. „Das war brutal“, sagte Gruhne. „Jeder hat die Ziellinie herbeigesehnt.“ Das galt vor allem für Lauritz Schoof. Direkt nach der Ziellinie verschlechterte er die Wasserqualität des olympischen Ruderreviers noch ein wenig. Er übergab sich vor lauter Erschöpfung. „Das ist normal nach einem solchen Rennen“, sagte er und grinste. „Aber da kotze ich lieber, als dass ich ein paar Meter verschenke.“

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