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Tennis: Schauspiele und Gerüchte

Showmatches und Hoffnungen auf ein neues Herrenturnier: Wie geht es weiter mit dem Tennis in Berlin?

Mit jedem Meter verebbt die Höhe der Stadt. Flache, schneebedeckte Äcker, Bauerngehöfte und Scheunen übernehmen die Regie. Es ist Sonntag und kurz nach drei Uhr nachmittags, als sich in dieser kalten Weite Folgendes zuträgt: Martina Hingis wird überlobbt, spurtet zurück zur Grundlinie und schlägt den Ball durch die Beine – vorbei an der verdutzten Anke Huber – auf die Linie. Wenn man es böse meint, könnte man es so formulieren: Eine erklärte Pferde- und vermeintliche Koksliebhaberin und eine erkältete zweifache Mutter haben hier soeben das Tennishighlight des Jahres in Berlin, in Brandenburg, ja im ganzen Osten Deutschlands abgeliefert.

Ein knappes Vierteljahrhundert, nachdem ein rothaariger Junge und ein kühles Mädchen ihre Landsleute in ein kollektives Tennisfieber gestürzt hatten, ist der Sport in Deutschland nicht viel mehr als eine verschwommene Erinnerung an schöne Zeiten. Während das Herrenturnier in Hamburg noch ums Überleben kämpft, hat das Frauenturnier am Berliner Hundekehlesee diesen Kampf nach dem Rückzug der Geldgeber aus Katar unlängst verloren. Erstmals seit 1979 wird es keine hochklassige Tennisveranstaltung in Berlin geben.

Zumindest ein Hauch der guten alten Zeit ließ sich am Sonntag in Seeburg ein paar Kilometer vor den Toren des Berliner Stadtteils Spandau erspüren: In einem unprätentiösen Flachbau namens Havellandhalle bestaunten offiziell 4000 Menschen neben den Berlin-Brandenburger Meisterschaften auch das Showmatch zwischen der ehemaligen Weltranglistenersten Martina Hingis und der einstigen deutschen Hoffnung Anke Huber.

Peter Dietrich ist sichtlich erfreut über so viel Zuspruch. Der Eigentümer der Halle hat die Veranstaltung mit Sponsorenhilfe organisiert, bei freiem Eintritt und freiem Shuttleservice: „Wir wollen einfach Tennis in Berlin-Brandenburg voranbringen, jetzt da das große Turnier hier weggefallen ist.“ Auch Martina Hingis weiß, dass sie zur Wiederaufbauarbeit in Seeburg ist. „Die Schaukämpfe sind gut, um den Zuschauern Tennis näher zu bringen“, sagt die 28 Jahre alte Schweizerin, die 2007 nach einem positiven Kokainbefund ihre Karriere beendet hatte. Denn: „Das Damentennis in Deutschland ist langsam am Aussterben.“ Der Wegfall der German Open sei „einfach traurig. Das war immer eine super Vorbereitung für die French Open. Früher gab es auch noch Leipzig und Essen, jetzt ist nur noch das Turnier in Stuttgart übrig.“ Ihre Gegnerin Anke Huber erlebt diesen Niedergang hautnah: Die 35-Jährige ist die Sportliche Leiterin des Turniers in Stuttgart. „Es wird immer härter“, sagt sie.

Ja, mit dem Tennis ist es momentan in Deutschland etwas schwierig, pflichtet Eberhard Wensky bei. In Berlin hat er als langjähriger Turnierdirektor der German Open Höhen und Tiefen miterlebt – „und momentan gibt es ein Tief, keine Frage. Da muss man wieder neu anfangen.“ Wensky, wenn auch wie Hingis und Huber bereits im Ruhestand, denkt immer noch in Macherstrukturen: „Man muss in Berlin relativ bald Anschluss finden und die Zeit bis dahin überbrücken. Warum nicht mit einem Showkampf Federer gegen Nadal? So eine Eintagesveranstaltung muss doch zu finanzieren sein.“ Wenn man nichts unternehme, werde es dem Tennis in Berlin genauso gehen wie dem Reit- und Springturnier in der Deutschlandhalle. „Da hieß es erst, wir machen mal ein Jahr Pause, dann wurden es fünf und mehr, und jetzt denkt niemand mehr ernsthaft an ein Turnier.“

Trotz der drohenden Rückwandlung der „Tennishochburg Berlin“ (Wensky) in ein Tennisödland gibt es auch ein wenig Hoffnung. Dieter Rewicki aus dem Präsidium des Tennis-Verbands Berlin-Brandenburg vermeldet: „Wir haben den Abwärtstrend gestoppt. Unsere Mitgliederzahlen sind 2008 erstmals wieder gestiegen.“ Und er erzählt von einem Gerücht, das momentan über die Courts geistert: Ein Herrenturnier in der neuen O2-World sei in Planung. „Wir würden uns natürlich freuen, bald wieder wenigstens ein mittelklassiges Turnier in der Stadt zu haben“, sagt Rewicki. Nach den Erfahrungen der Vergangenheit ist er jedoch skeptisch: „Berlin ist arm an Sponsoren, und die braucht man dazu.“ Wensky lässt dagegen gewohnt verschwörerisch anklingen, dass es ihn „sehr wundern würde, wenn die Eigentümer der Halle da nichts vorbereiten würden. Nicht dieses Jahr, aber vielleicht ab 2011.“ Als Fundament für diese Vermutung dient ihm, dass die Anschutz Entertainment Group, die Betreiberin der Halle, ja auch das neue Herren-World-Tour-Finalturnier in London veranstalte.

Bei Anschutz dementiert man konkrete Planungen selbstredend. „Die Arena ist prinzipiell auf Tennis vorbereitet“, sagt der Konzernsprecher Moritz Hillebrand zwar, das Thema sei in Berlin aber nicht akut und bedürfe einer genauen Analyse. Aus anderen Etagen des Unternehmens ist immerhin zu hören, dass es durchaus Überlegungen in diese Richtung gebe.

Bis dahin wird Berliner Liebhabern des Tennissports nicht viel mehr übrig bleiben, als einmal im Jahr die Weite Seeburgs aufzusuchen, um ein kleines Highlight zu erhaschen. (Mitarbeit: Claus Vetter)

Christian Hönicke[Seeburg]

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