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Radsport: Schimpfen und anschreien

Der Dopingverdachtsfall Rasmussen dokumentiert auch die Zerstrittenheit der Radsportorganisationen.

Bob Stapleton hatte große Pläne für einen schönen neuen Radsport, als er vor zehn Monaten den Chefposten bei T-Mobile übernahm. Dopingfrei sollte der Sport werden, geeint und zentral verwaltet, besser vermarktet und besser in den Medien präsentiert. Er hat seine Pläne noch immer nicht aufgegeben, sein Ehrgeiz ist aber mittlerweile gedämpft. Nichts geht so voran, wie der ehemalige Konzernmanager sich das vorgestellt hatte, und er weiß auch warum: „Das zentrale Problem des Radsports“, sagte er in der vergangenen Woche, „ist die Fehde zwischen der Tour de France und dem Radsport-Weltverband UCI. Daran scheitert alles.“

Wenn die Theorien stimmen, die am Samstag die Tour-de-France-Organisation über die französische Presse verbreiten ließ, dann hemmt die Fehde mit der UCI nicht nur die Reform des Radsports, sondern ist ganz unmittelbar dafür verantwortlich, dass das größte Ereignis des Sports, die Tour de France, vor einem erneuten PR-Desaster steht. „Die UCI versucht gezielt die Tour zu destabilisieren“, sagte am Samstag Patrice Clerc, Chef von A.S.O., der Eignerfirma der Tour. Die UCI, so Clercs Theorie, habe gezielt die Nachrichten über die Verstöße von Michael Rasmussen gegen das Dopingreglement zurückgehalten und es darauf angelegt, dass sie mitten in die Tour platzen.

Es gibt einiges, was für diese These spricht. Rasmussen war am 8. Mai und am 28. Juni von dänischen Dopingkontrolleuren nicht angetroffen worden – der dänische Verband verwarnte ihn daraufhin am 29. Juni und nahm ihn aus seinem Kader für die Weltmeisterschaften im Herbst. Der Geschäftsführer des dänischen Verbandes Jesper Wörre teilte den Vorgang der UCI mit. Dass er die Information nicht veröffentlichte, begründete UCI-Präsident Pat McQuaid damit, dass „erst ein dritter Verstoß einen Grund für ein Disziplinarverfahren darstellt.“ Am Freitag sagte Wörre dann jedoch dem dänischen Fernsehen, dass Rasmussen auch ein drittes Mal nicht von den Kontrolleuren aufgetrieben werden konnte. Auch diese Information habe er an die UCI weitergeleitet. Ein Disziplinarverfahren gibt es jedoch bis heute nicht. „Wir können nichts gegen Rasmussen unternehmen“, behauptet McQuaid stur. Er macht derzeit in Irland Urlaub.

Die Tour-Organisation ist hingegen der Meinung, dass McQuaid die Tour vor deren Start hätte informieren müssen. So hätte Tour-Direktor Christian Prudhomme Rasmussen daran hindern können zu starten oder das Gelbe Trikot zu übernehmen, das er immer noch trägt. Deshalb rief Prudhomme am Donnerstag um 22.30 Uhr Pat McQuaid in Dublin an und begann, wie McQuaid berichtete, ihn „ohne Luft zu holen, anzuschreien und zu beschimpfen“. Prudhomme habe ihn wieder und wieder gefragt, ob er denn die Tour töten wolle, erzählte McQuaid. „Irgendwann habe ich aufgelegt.“

Derlei Fehlkommunikation gibt sehr treffend den Stand der Beziehungen zwischen dem Verband und dem größten Rennveranstalter des Radsports wieder. Im Juni hatten die beiden Parteien ihre diplomatischen Beziehungen abgebrochen. Seit zwei Jahren wird man sich nicht über die Vermarktung des ProfiRadsports einig. Die UCI möchte die Rennen in einer Pro-Tour genannten Serie zusammenfassen und zentral vermarkten; die Tour-Organisation A.S.O., die noch weitere Spitzenrennen ausrichtet, fühlt sich in dem Modell nicht angemessen repräsentiert und fürchtet den Kontrollverlust über ihre Produkte. „Es gibt keinen Ausweg mehr aus dieser Krise“, sagte Tour-Präsident Patrice Clerc nach dem Scheitern der Gespräche.

Mit der gemeinsamen Vermarktung, das zeigt der Fall Rasmussen, scheitert freilich auch ein konzertiertes Vorgehen gegen das Doping. Auch auf diesem Gebiet ergehen sich die Institutionen in Kompetenzgerangel. Die A.S.O. wirft der UCI Laxheit vor, die UCI wehrt sich dagegen, dass die A.S.O. ihr die Hoheit über die Dopinglegislatur streitig macht. Derweil fährt ein Mann um den Tour-Sieg, der unter Dopingverdacht steht. Ein Jahr nach Floyd Landis scheint der Radsport keinen Schritt weitergekommen zu sein. Aber so wird sich der Streit zwischen UCI und A.S.O. vielleicht bald von alleine erledigen. Denn wenn sie so weitermachen, gibt es bald nichts mehr, worüber zu streiten wäre.

Sebastian Moll[Albi]

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