Sport: Schnell entspannt
Annika Lurz besiegt ihre Angst und gewinnt Silber bei der Schwimm-WM
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Schon auf dem Startblock konnte man ahnen, dass sie eine gute Zeit schwimmen würde. Denn Annika Lurz lächelte. Normalerweise tut sie das nicht, ihre Angst vor einem Rennen ist legendär. Aber gestern „freute ich mich richtig“ auf die 200 Meter Freistil bei der Schwimm-WM in Melbourne. Doch niemand ahnte, dass sie 1:55,68 Minuten schwimmen würde, dass sie den Weltrekord der Italienerin Federica Pellegrini um 79 Hundertstelsekunden unterbieten würde. Dass sie Silber holen würde.
Zu Gold für die 27-Jährige aus Würzburg reichte es nicht, aber das lag allein an Laure Manaudou. Der französische Star schwamm mit 1:55,52 einen neuen Weltrekord. Den dritten an diesem Tag. Michael Phelps (USA) hatte über 200 Meter Schmetterling seine eigene Bestleistung um sagenhafte 1,62 Sekunden auf 1:52,09 Minuten verbessert (siehe Artikel rechts). Und Leila Vaziri aus den USA steigerte die Bestmarke im Halbfinale über 50 Meter Rücken auf 28,16 Sekunden. Damit verlor Janine Pietsch (Ingolstadt) ihre Bestmarke. Allerdings zog die 24-Jährige problemlos ins Finale ein, das heute stattfindet. Antje Buschschulte (Magdeburg) blieb dagegen im Halbfinale hängen.
7000 Dollar erhält Lurz für ihr Silber. 12 000 Dollar plus 25 000 Dollar Rekordprämie hätte sie bekommen, wenn sie Gold mit Weltrekord erreicht hätte. Aber Geld interessierte sie gestern nicht: „Ich bin total glücklich über Silber, mein Ziel war eine persönliche Bestzeit.“ Sie hatte noch einen Sonderauftrag nach dem Rennen: Vor der Mannschaft referierte sie am Abend über die Bedeutung von Gelassenheit vor einem Rennen.
Nach ihrem verpatzten Vorlauf hatte ihr enttäuschter Ehemann und Trainer Stefan zwei Stunden lang auf sie eingeredet. „Ich habe harte Worte benutzt“, erzählte er. Im Halbfinale war Annika Lurz schon zwei Sekunden schneller. Gestern verbesserte sie ihre persönliche Bestleistung um fast eine Sekunde. Alles eine Kopfsache, sagte Stefan Lurz. Er ist kein Psychologe, kein Mentaltrainer, er hatte ihr nur ein paar einfache Dinge gesagt, zum Beispiel: „Genieße diesen Wettkampf, es ist eine Weltmeisterschaft, wer weiß, wann du wieder mal hierher kommst.“ Er redete von dem Gefühl, eine von acht weltbesten Schwimmerinnen zu sein, die im Finale stehen. Er redete davon, dass sie doch hier optimale Bedingungen hätte – Ausschwimmbecken, permanent Physiotherapie, schönes Hotel, Ruhe. Er redete so, wie es jeder könnte.
Stefan Lurz ist ganz bescheiden, das liegt wohl in der Familie. „Es geht hier doch bloß um einen Wettkampf“, sagt er. „Das Becken ist 50 Meter lang, das Wasser so warm wie immer.“ Und ob man nun bei einer WM starte oder bei einem „Turnfest in Kaufbeuren“, sei letztlich egal. Allerdings: „Beim Turnfest sind die Bedingungen nicht so gut wie bei einer Weltmeisterschaft.“
Ob das Beispiel Lurz auf alle anderen im deutschen Team zu übertragen ist, weiß keiner. Aber Annika Lurz gibt sich zumindest große Mühe. Schon am Dienstagabend hatte sie in der Mannschaftssitzung erzählt, wie sie ihre Verkrampfung vor dem Halbfinale gelöst hatte. Jens Thiele war bei dem Vortrag aber offenbar weggenickt. Der Hamburger schwamm gestern in seinem Vorlauf über 200 Meter Lagen 2:05,83 Minuten. Als er im Herbst Deutscher Meister wurde, war er vier Sekunden schneller.
Skandal bei der Schwimm-WM: Ein Trainer verprügelt seine Tochter – Seite 32
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